Wat mengs du? - "Push dech!": die Lust zu lernen

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In Luxemburg verlässt einer von zwölf Jugendlichen die Schule ohne Abschluss. Anlässlich des Beginns des neuen Schuljahres reflektiert Marc Faramelli, Mitverantwortlicher für sozialpolitische Anliegen bei der Fédération des acteurs du secteur social (Fedas Luxemburg), seine eigene Schulkarriere, erklärt die Notwendigkeit eines Mentalitätswechsels und richtet eine Botschaft der Hoffnung an die Jugendlichen selbst.

Es muss im Alter von 16 oder 17 Jahren gewesen sein, als ich den Unterricht am Athénée in Luxemburg als immer langweiliger empfand und anfing, mich vom Lehrplan "abzukoppeln" und im Unterricht zu schlafen, da es mich nicht mehr interessierte. Aus Neugier und Langeweile folgten Experimente mit Bier, Spirituosen und Cannabis, von dessen Mischung übrigens dringend abzuraten ist. Später wiederholte ich mehrmals die Klasse und mein Vater redete mir ein, dass ich wenigstens mein Abitur machen und die Schule nicht abbrechen sollte. Rückblickend war ich wahrscheinlch falsch orientiert, als ich mich für die Mathematik-Sektion mit der Option Latein anmeldete. Ein verwöhntes und gescheitertes Kind, das sich dennoch nicht beschweren konnte.

Ich habe weder häusliche Gewalt oder Missbrauch erlebt, noch musste ich vor einem bewaffneten Konflikt fliehen oder in prekären Verhältnissen leben - Schicksale, die heute leider viele Schüler*innen erleiden, unsichtbar bleiben und in unserer Gesellschaft kaum vertreten sind.

Und doch war ich unglücklich, eine amorphe Kreatur geworden, sehr schüchtern und auch in emotionaler Hinsicht wenig erfolgreich. Gerade als ich im Begriff war, die Schule aufzugeben, kam ein ehemaliger Klassenkamerad von der École de Commerce et de Gestion auf den Schulhof und schlug mir vor, zu ihm zu wechseln, da ihr Unterricht viel praktischer sei und mir gefallen würde.

Marc Faramelli

  • Marc Faramelli ist 56 Jahre alt. 1996 schloss er sein Studium an der École en administration des affaires der Universität Lüttich ab. Nachdem er einige Jahre in der Wirtschaftsprüfung bei einer Firma von Weltrang gearbeitet hatte, ließ er sich zum Wirtschaftsprüfer ausbilden und leitete zusammen mit seinem Vater ein Treuhandunternehmen in Heisdorf. Kurz nach dem Tod seines Vaters merkte er, dass ihm diese Arbeit nicht mehr gefiel, und beschloss, sich neu zu orientieren.

    Daraufhin engagierte er sich in der gemeinnützigen Organisation Solidaritéit mat den Heescherten (Solidarität mit den Bettlern), in deren Namen er eine Petition in der Abgeordnetenkammer verteidigte. Bei dieser Gelegenheit stellte er fest, dass große Organisationen von der finanziellen Unterstützung des Staates abhängig sind und, wie er es ausdrückt, "nicht die Hand beißen wollen, die sie füttert, und daher in ihrer Interessenvertretung für ihre Begünstigten nicht allzu politisch auftreten".

    Seit Januar 2025 bekleidet er den Posten des Mitbeauftragten für sozialpolitische Interessenvertretung bei der Fédération des acteurs du secteur social (Fedas Luxemburg). Der Arbeitgeberverband zählt heute rund 200 Mitglieder, die in verschiedenen Bereichen wie Kinder- und Familienhilfe, Sozial- und Solidarwirtschaft, Behinderung, Seniorenclubs oder Jugend tätig sind.

Das ist eines der immer noch bestehenden Probleme im Bildungswesen: Man muss oft ins Ungewisse hinein wählen. Da ich keine andere Alternative sah, fand ich mich also mit 20 Jahren in der 12. Klasse CG2 wieder. Es war das erste Mal, dass ich einen Computer einschalten musste, ohne überhaupt zu wissen, wo. Finanzmathematik - der Wert des Geldes im Laufe der Zeit - Wirtschaft, das Erstellen einer Steuererklärung … all das machte mir wieder Lust aufs Lernen, und zwar so sehr, dass ich die 13. Klasse mit Bravour bestand, was mir die Tür zu einem Universitätsstudium wieder öffnete. Nachdem ich jedoch als Student im Ausland mein erstes Jahr an der Universität Lüttich vermasselt hatte, wo ich mich eher wie ein Tourist verhielt, kam der endgültige Wendepunkt erst, nachdem meine Mutter meinen Vater besänftigt hatte, mir eine allerletzte Chance zu geben.

"Wenn du glaubst, dass alles verloren ist, taucht wie aus dem Nichts ein kleiner Hoffnungsschimmer auf."

Ein deutsches Sprichwort

Nach dem erfolgreichen Abschluss meines Studiums arbeitete ich in der Finanzprüfung und leitete dann als Wirtschaftsprüfer zusammen mit meinem Vater ein kleines Treuhandunternehmen. Anfang 2022 gefiel mir mein beruflicher Tagesablauf schon seit einiger Zeit nicht mehr. Ich half nämlich Menschen dabei, möglichst wenig Steuern zu zahlen, zum Beispiel auf ihre Gewinne aus Immobilienspekulationen. Parallel dazu hatte ich aber auch die Familie, die sich über 30 Jahre verschuldete, um eine solche Immobilie zu erwerben. Nach reiflicher Überlegung habe ich diese Tätigkeit daher aufgegeben.

Im Rahmen meiner neuen Herausforderung als Co-Beauftragter für sozialpolitische Interessenvertretung bei Fedas Luxemburg ist meine Motivation heute von dem Wunsch getragen, jeden Tag mehr über den sozialen Sektor zu lernen, um die Rechte und Interessen der Begünstigten der Mitglieder des Verbands besser verteidigen zu können.

Wenn man sich den aktuellen Bildungsbereich ansieht, ist die Anzahl der Initiativen, die vorgeschlagen werden, um einem Schulabbruch schon in jungen Jahren vorzubeugen und entgegenzuwirken, beeindruckend.

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Dennoch werden viele Maßnahmen umgesetzt, ohne dass eine echte Nachverfolgung erfolgt, ohne angemessene Evaluierungsmechanismen und ohne ausreichende Bemühungen, alle Lernenden wertzuschätzen und sie auf ihrem Bildungsweg zu begleiten. Ausschlussmechanismen, die auf verschiedenen Ebenen – sowohl in der Schule als auch im Privatleben – bestehen, unflexible und unpassend gestaltete Normen sowie die mangelnde Kenntnis der Vielfalt der Bildungswege können zum Schulversagen beitragen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ein*e Schüler*in, der*die sich in einer schwierigen Lage befindet, nicht weiter als seine Tasse Tee (Kaffee oder Bier) sehen kann und irgendwann eine ausgestreckte Hand annehmen muss.

Kann man wirklich von allen Schüler*innen erwarten, dass sie sich einem einzigen Erfolgsmodell anpassen? Andere Länder bieten eine Vielfalt alternativer Systeme an, die flexibler und menschlicher sind. Warum also nicht die Synergien und Expertisen der Akteure aus den verschiedenen Bereichen, die sich um die Lernenden bewegen, nutzen, um die allgemeinen Lernbedingungen zu verbessern?

"Ein Umdenken kann nur funktionieren, wenn alle Akteure, die Eltern und insbesondere die staatlichen Institutionen eine ganzheitliche Sicht auf die Lernenden als Teil einer gesunden und demokratischen Gesellschaft einnehmen."

Marc Faramelli

Ein Umdenken kann nur funktionieren, wenn alle Akteure, Eltern und insbesondere die staatlichen Institutionen eine ganzheitliche Sicht auf die Lernenden als Teil einer gesunden und demokratischen Gesellschaft einnehmen. Es bedarf einer koordinierten Vernetzung des sozialen Sektors mit allen beteiligten Akteuren.

Die Zuständigen der sozialen Interessenvertretung werden das Schulabbrechen natürlich nicht zum Verschwinden bringen. Doch die Gesellschaft darf gegenüber den Schulabbrecher*innen nicht länger wegsehen, und die Zivilgesellschaft muss sich mobilisieren, um die Situation vor Ort durch ein Bündel an Maßnahmen, Ideen und Forderungen zu verbessern.

Nachdem ich genügend Erfahrung gesammelt habe, weiß ich, dass man Kriege, Krankheiten, Armut und soziale Benachteiligung leider niemals vollständig ausrotten wird. Doch jeden Tag setzen sich über 15.000 Menschen – nur für die Mitglieder der Fedas Luxemburg – dafür ein, die Situation wenigstens ein Stück weit zu lindern. Bezieht man das Krankenhauswesen und den Bildungsbereich mit ein, will ich mir weder vorstellen noch erleben, wie eine Gesellschaft ohne all diese Akteure aussehen würde.

Vielleicht sollten wir abends wieder einmal auf die Balkone gehen und applaudieren!

An die angehenden Schulabbrecher*innen: Ich weiß, dass man sich manchmal hilflos fühlt, keine Lust mehr auf das hat, was man tut, sich gehen lässt und deprimiert ist. Mit dem Abstand meines Alters weiß ich aber auch, dass jeder Mensch eine Lernbereitschaft in sich trägt und dass es manchmal Zeit braucht, um das Thema zu entdecken, für das man sich begeistert. Es ist keine Schande, Hilfe anzunehmen, um die Lust wiederzufinden, oder sogar einen professionellen Blick von außen zu erbitten, der dich schließlich dazu ermutigt, dich aufzuraffen: "Push dech - push dech", und der dir einen wohlwollenden virtuellen Tritt verpasst, um deinen Kurs zu ändern!