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Mehrere luxemburgische Internetseiten des Staates und diverser Unternehmen sind am Donnerstag von Hacker*innengruppen lahmgelegt worden. Betroffen waren auch einige Medien, darunter www.journal.lu.
Bei dem Angriff handelte es sich um eine sogenannte DDoS-Attacke (Distributed Denial of Service), bei denen Server lahmgelegt werden, indem programmierte "Bots" sie so oft aufrufen, dass sie überlastet werden und zusammenbrechen. Prorussische Hacker*innen beanspruchen den Angriff laut einer verbreiteten Mitteilung auf Twitter und Telegram für sich.
In dem Statement wird Luxemburg als "Zwergstaat" bezeichnet, der sich wie seine EU-Nachbarn dazu entschieden habe, an der tschechischen Initiative teilzunehmen, "Munition für Bandera-Anhänger zu erwerben" ("this dwarf state, despite its, to put it mildly, modest size, decided, like ist neighbors in the EU, to dance the tune if the West and became involved in the Czech initiative to purchase shells for Bandera's supporters"). Das Schreiben endet mit den Worten "Glory to Russia".
Angespielt wird darin auf eine internationale Kooperation, die von der Tschechischen Republik gestartet wurde, um insgesamt 800.000 Schuss Artilleriemunition in Nicht-EU-Ländern zu erwerben und der Ukraine zur Verfügung zu stellen. Luxemburg hatte zugesagt, sich finanziell an diesem Vorhaben zu beteiligen und befindet sich derzeit in Abstimmung mit Belgien und den Niederlanden.
Stepan Bandera war ein Partisanenführer, der in Teilen der Ukraine als Held verehrt wird und im Zentrum des propagandistischen russischen Vorwurfs steht, die Ukraine werde von Nazis beherrscht und müsse entnazifiziert werden.
Premierminister Luc Frieden hatte am Donnerstag eine Krisenzelle unter der Leitung der Ministerin für Digitalisierung, Stephanie Obertin, einberufen. Diese gab gegenüber dem Wort an, dass die Attacken nichts mit dem Besuch des ukrainischen Premiers zu tun hätten, der ja erst am Dienstag in Luxemburg war. Die Expert*innen der Regierung wüssten, wo der Angriff herkommt, sagte Luc Frieden am Donnerstagabend gegenüber der Presse. Die Motive dahinter wollte er jedoch nicht preisgeben: "Es ist nicht nützlich, denjenigen, die dahinter stecken, Werbung zu machen." Ziel solcher Cyberangriffe ist es meist, sensible Daten zu stehlen. Das, bestätigte die Regierung, konnte beim Angriff auf das luxemburgische IT-Netz verhindert werden.
"Seit Beginn des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine, berichten unsere Journalist*innen kritisch über die Situation und ihre Folgen. […] Wir werden uns hiervon nicht abschrecken lassen."
Schon seit Beginn der Invasion rechnet auch Luxemburg damit, von der digitalen Kriegsführung Russlands betroffen werden zu können. Im Artikel Das fünfte Schlachtfeld von unserem Journalisten Misch Pautsch, hatte Paul Rhein, Direktor des staatlichen Computer Emergency Response Teams (GOVCERT), davor gewarnt, die russischen Cyberkapazitäten zu unterschätzen: " Wir schätzen die Russen immer noch als enorm fähig ein. In der Vergangenheit haben Gruppen wie Fancy Bear oder Conti bewiesen, dass sie sehr effizient im Cybercrimebereich aktiv sein können."
Luxemburg hat Cyberkriminalität nun erstmals in einem derart sichtbareren Ausmaß für die Öffentlichkeit am eigenen Leib gespürt. Ziel von Hacker*innen ist es, neben dem Versuch, Daten zu stehlen, ganz klar, Visibilität zu bekommen und Menschen einzuschüchtern. Erst am Mittwoch haben wir auf journal.lu eine Recherche dazu veröffentlicht, wie Russland die Sanktionen der EU geschickt umgeht. Seit Beginn des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine berichten unsere Journalist*innen kritisch über die Situation und ihre Folgen (hier finden Sie einen Überblick). Ob die Veröffentlichung des Artikels am Vortag der Attacke Grund für den spezifischen Angriff auf unsere Webseite war, darüber können wir nur spekulieren. Dennoch beweisen solche Situationen die Fragilität der Pressefreiheit.
Wir werden uns hiervon jedoch nicht abschrecken und berichten weiterhin kritisch, immer mit einem Aufmerksamen Blick auf mögliche Lösungen.