Editorial - Krieg als Kapitalanlage, sauber inszeniert

Von Sherley De Deurwaerder

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Die Rhetorik moderner Verteidigung klingt nicht mehr nach Konfliktlösung und -prävention, sondern nach Businessplan. Rüstungsriesen wie Lockheed Martin liefern die Ästhetik – und europäische Politik zieht mit. Ein gefährlicher und realitätsverleugnender Trend, von dem auch Luxemburg nicht verschont bleibt.

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"Air dominance is critical." Ein Kampfjet der Variante F-35A zischt über den Bildschirm. Schnitt.

"Our advancements in autonomy will revolutionise flight." Schnitt.

Eine digitale Gefechtslandschaft breitet sich aus wie ein Videospiel-Interface. Schnitt.

Unbemannte Helikopter fliegen über gesichtslose Wüsten. Schnitt.

"Jets with cutting-edge AI push the boundaries of technology", liest der hochinspirierte cutting-edge AI-Sprecher den eher uninspirierten (aber hochinspirierenden) cutting-edge AI-Text vor. Im letzte Woche veröffentlichten Quartalrückblick wird nicht mal mehr gesprochen, nur noch über dramaturgische Musik und Videoaufnahmen getextet: "Air Dominance Accelerated." Wow! Gut, dass es vorangeht. Nicht einer, sondern eine ganze Formation an F-35 Lightning II Kampfjets – jene Jets mit kantigem Stealth-Design und den nach innen geneigten Seitenflächen – gleiten jetzt über die Wolken. Willkommen in der PR-Videoproduktion von Lockheed Martin.

Das hier sind keine Trailer für überlange Actionfilme mit bestenfalls mittelmäßigen Rezensionen, aber hohem Produktionswert. Das ist echte Werbung, für echte Jets, mit echtem Potenzial, echte Menschen in echten Kriegen zu töten. Und gleichzeitig das Hochglanzgesicht einer Rhetorik, die sich auch in Europa eingenistet hat: Verteidigung ist Innovation. Kriege sind wirtschaftlich lukrativ. Und Werte lassen sich exportieren, zur Not auch mit Überschallgeschwindigkeit. So will etwa Belgien elf weitere F-35A Kampfflugzeuge für seine Flotte beschaffen.

Luxemburg selbst hat zwar keine dieser Kampfjets, aber die Sprache, Ästhetik, die technoide Coolness des Hauptauftragnehmers des Pentagons hat sich längst in unserer Politik beliebt gemacht – und lockt dabei an erster Stelle Rüstungsunternehmende und -forschende, um überhaupt erst mithalten zu können. Die Rhetorik unserer Sicherheits- und Verteidigungsbemühungen setzt auf Skalierbarkeit, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Sicherheit wird nicht als Ausnahmezustand vermittelt, sondern als Zukunftsprojekt verkauft. Krieg ist der Business Case. Und, pardon, das ist brandgefährlich.

Der politische Diskurs – soweit man ihn als solchen bezeichnen kann – ist durchzogen von Begriffen, die gleichzeitig aufgeblasen und inhaltsleer scheinen. Besonders auffallend ist dabei in ziemlich jeder Einleitung von Reden, Konferenzen und Pressemitteilungen zur Sicherheitsplanung der Begriff des Wertes. Was aber genau damit gemeint ist, bleibt meist diffus. Freiheit? Demokratie? Solidarität?

"Problematisch ist das Framing. Es normalisiert den Ausnahmezustand, sodass er seine politische Brisanz verliert. Verteidigung wird als steriles, sauberes, ökonomisches Innovationsfeld dargestellt."

Klingt ja gut, aber klingt eben auch nach allem und nichts. Im besten Fall sind es gutgemeinte Grundüberzeugungen, im schlimmsten Fall Marketingversprechen, die kläglich daran scheitern, zu verstecken, dass unsere vielbeschworenen "Werte" oft vor allem wirtschaftlich motiviert sind. Der Mensch als Subjekt des Krieges verschwindet aus der Kommunikation, und was übrig bleibt, ist eine saubere Simulation, ein blutleerer Fortschrittsfilm.

Problematisch ist also das Framing. Es normalisiert den Ausnahmezustand, sodass er seine politische Brisanz verliert. Verteidigung wird als steriles, sauberes, ökonomisches Innovationsfeld dargestellt. Sie wird zum sinnvollen Investment. Es entsteht der Eindruck: Wer gegen diese Logik argumentiert, ist wahlweise naiv oder fortschrittsfeindlich.

Dabei müsste die Frage erlaubt sein, wo Investition endet und wo Eskalation beginnt. Laut dem schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri beliefen sich die weltweiten Militärausgaben im Jahr 2024 auf rund 2,38 Billionen Euro, was inflationsbereinigt einen Anstieg von 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr darstellt – der höchste Wert seit dem Ende des Kalten Krieges. Und ja, Europa hat daran seinen Anteil. Europa investiert sogar mittlerweile mehr in Rüstung als Russland, ohne dass eine klare strategische Linie erkennbar wäre.

Wenn Aufrüstung und Verteidigung an erster Stelle als Wirtschaftsprojekte konzeptualisiert werden, verlieren wir den Blick dafür, dass ihr primärer Zweck kaum offensichtlicher an Gewalt gekoppelt sein könnte. Es geht hier nicht um romantisierte Wehrlosigkeit. Natürlich, leider, braucht es eine gewisse, nachhaltige und clevere Verteidigungsfähigkeit. Aber man kann eine ernste Notwendigkeit nicht aus der Proportion blasen und mit dem Sprachstil eines Pitchs legitimieren, ohne dabei ihre tatsächliche politische Tragweite wegzupolieren.

Wenn Luxemburg also schon bei der europäischen Verteidigung mitbasteln und -reden will – bitte. Aber dann bitte ohne die semantische Reinwaschung à la USA, Lockheed Martin. Statt also die nächsten Verteidigungsinitiativen mit Imagefilmchen zu launchen, wäre es ratsam, sich zu trauen, einen Schritt zurückzutreten und nach alternativen, humaneren Ansätzen zu suchen. Und das mit einer Sprache, die nicht in Wirtschaftsfantasien abdriftet, sondern den Menschen hinter Konflikten Rechnung trägt.

Wenn wir Verteidigung nur in Start-up-Vokabeln diskutieren, verlernen wir nämlich, sie demokratisch einzuhegen. Wer glaubt, wir könnten uns gegen autoritäre Systeme resilient designen, der hat möglicherweise nicht verstanden, dass Demokratie nicht technisiert, sondern praktiziert werden sollte. Denn ja, Verteidigung mag notwendig sein. Aber wenn sie uns als sauber glänzendes Zukunftsversprechen verkauft wird, sollten wir besser mindestens zweimal nachfragen: Wessen Zukunft eigentlich? Die eines Lockheed Martin 2.0?