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So arbeiten – und bezahlt werden – wie alle anderen auch. Diesen Wunsch äußern Menschen, die in einer geschützten Werkstatt arbeiten. Wo die Probleme liegen und inwiefern Verbesserungen zu beobachten sind, berichten diverse Akteur*innen.
„Für die einen sind geschützte Werkstätten (‚ateliers protégés‘, d. Red.) die beste Option, für andere nicht.“ Das sagt Joël Delvaux. Er arbeitet nicht nur in der Abteilung für behinderte Arbeitnehmer*innen („Départments des travailleurs handicapés“, DTH) beim OGBL (er saß von 2014 bis 2017 auch für déi Lénk im Gemeinderat in der Hauptstadt), sondern war von Anfang an bei der Gestaltung und Gründung des DTH dabei. Er sitzt selbst im Rollstuhl und wollte aktiv dabei helfen, dass die Rechte von Betroffenen respektiert werden. „Meine Kindheit verbrachte ich in einem Internat in der Schweiz“, erklärt der 49-Jährige. Mit 13 Jahren kam er zurück nach Luxemburg, besuchte das damalige medizinisch-pädagogische Zentrum in Bad Mondorf („Centre médico-pédagogique de Mondorf“) und arbeitet schließlich bei der Fondation Kräizbierg. „Später habe ich mich auf dem regulären Arbeitsmarkt versucht und kam zum OGBL. Ich arbeitete damals jeweils einige Tage in der Woche beim OGBL, bei Info-Handicap und beim Staat.“
Positive Veränderungen
Angesprochen auf die zwei Jahre zurückliegenden Konflikte bei der Fondation Kräizbierg entgegnet Delvaux: „Vieles hat sich geändert“ und spielt wohl damit unter anderem auf den Rücktritt der Kräizbierg-Spitze an. Blicken wir kurz zurück: Der Sozialkonflikt in der Fondation Kräizbierg spitze sich im Herbst 2020 zu. Mitarbeiter*innen und Bewohner*innen versammelten sich Ende September vor dem Gebäude. Die Vorwürfe: Missstände innerhalb der Stiftung. Vom OGBL hieß es damals, es gäbe Beweise für Mobbing, Bedrohungen, Demütigungen und sexuelle Belästigung vonseiten des damaligen Direktors Jeannot Berg. Zwei Jahre später existiere endlich ein sozialer Dialog. „Im Verwaltungsrat sitzen nun Leute vom Personal und eine Person mit dem Status des behinderten Arbeitnehmers. Diese Person hat zwar nur eine beratende Funktion, aber diese weiß, was wirklich läuft und kann mitreden.“
Kräizbierg sei kein Paradebeispiel, es zeige jedoch, dass positive Veränderungen möglich sind – sie lassen nur lange auf sich warten. „Die geschützten Werkstätten sind Teil größerer Institutionen und oft stecken Stiftungen dahinter. Es handelt sich also um private Strukturen, die ihren eigenen Statuten folgen. Natürlich können sie beim zuständigen Ministerium eine Genehmigung für eine Konvention beantragen, um die Kosten abzudecken, aber das Ministerium kann sich nicht einmischen.“ So sei es auch damals gewesen: Hätte das Ministerium die Konvention gestrichen, hätte die Fondation Kräizbierg schließen müssen und die Menschen hätten ihren Arbeitsplatz verloren. „Eine staatliche Kontrolle wäre wünschenswert, aber wir befinden uns in einer Zwickmühle: Es ist gut, dass der Staat nicht zu viel kontrollieren kann, aber diese Narrenfreiheit geht auch nicht.“ Er fordert, dass jede Institution die UN-Behindertenrechtskonvention nicht nur respektiert, sondern aktiv umsetzen muss. „Sie müssten nachweisen, was sie umgesetzt haben, um den angestrebten Zielen näher zu kommen. Denn bisher müssen sie nur budgetäre Kontrollen durchführen, um zu zeigen, dass mit den staatlichen Geldern kein Unsinn gemacht wird. Welche Resultate ihre Projekte erzielt haben, wird nicht untersucht. Dafür gibt es keine Instanz.“
Joël Delvaux
Joël Delvaux kommt in diesem Kontext auch auf die Quoten zu sprechen, die „zu meiner Zeit auch nicht respektiert wurden“. Die zuständige Ministerin Corinne Cahen (DP) habe zugegeben, dass sie selbst nicht wisse, wie es aktuell mit den Quoten beim Staat aussieht. „Fünf Prozent der gesamten Posten in öffentlichen Einrichtungen sollten von Arbeitnehmern mit einer Behinderung besetzt sein, aber weil der Staat selbst kein Musterschüler ist, kann er nicht beim Privatsektor stänkern …“, schlussfolgert Joël Delvaux. Eine ähnliche Situation habe er schon öfters von Arbeitnehmer*innen gehört, die infolge einer Unfähigkeit, ihre letzte Beschäftigung auszuüben, intern bei ihren Arbeitgeber*innen wieder eingegliedert werden sollen. „Es gibt viele Vorgesetzte, die nicht glücklich sind, wenn sie dies tun müssen. Sie sind dann genervt, weil sie diese Posten nicht mehr vollständig ausschöpfen können. Viele versuchen, die betroffenen Arbeitnehmer rauszuekeln.“ Er kenne einen Mann, der im Bereich des Wachdiensts tätig war. Er wurde in einen Container, der auf einer verlassenen Parkfläche stand, verfrachtet. „Da kam niemand mehr sein Auto abstellen. Er hatte weder Steckdose noch Heizung im Container und durfte diesen auch nicht verlassen. Er war den ganzen Tag allein und hatte nichts zu tun. Der Mann hat sich an uns gewandt und wir konnten ihm helfen.“ Warum er dieses Beispiel nennt? „Diese Fälle fließen in die eben genannte Quote mit ein. So wird die Quote erfüllt, weil alles zusammengezählt wird.“
„[Wir brauchen] eine Person auf einer neutralen Position, die von Betroffenen kontaktiert werden kann. Diese soll die nötigen Mittel zur Verfügung haben, um angemessen reagieren und wenn nötig eine Ermittlung durchführen zu können.“
Joël Delvaux
Eine seit langer Zeit geforderte Idee, um betroffenen Arbeitnehmer*innen bei Missständen zur Seite zu stehen, sei ein Posten nach dem Vorbild des Ombudsmanns beziehungsweise der Ombudsfrau. „Eine Person auf einer neutralen Position, die von Betroffenen kontaktiert werden kann. Diese soll die nötigen Mittel zur Verfügung haben, um angemessen reagieren und wenn nötig eine Ermittlung durchführen zu können.“ Warum es diesen Posten noch immer nicht gibt, ist laut Joël Delvaux leicht zu beantworten: „Von Regierungsseite heißt es, dass so etwas nicht gebraucht wird. Wir hätten ja den Ombudsmann (Claudia Monti, d. Red.), das Zentrum für Gleichbehandlung CET, die Menschenrechtskommission. Diese sind jedoch alle in ihren Funktionen eingeschränkt. Bei privaten Strukturen kann der Ombudsmann nicht viel unternehmen. Das CET hat eine Beratungsfunktion, genauso wie die Menschenrechtskommission. Auch wenn beide Institutionen mehr tun wollten, wäre es nicht möglich.“
Lange Wartelisten
Um an seine Aussage ganz zu Beginn anzuknüpfen: Joël Delvaux bevorzugt den regulären Arbeitsmarkt. Für ihn persönlich seien die Werkstätten eine Art Sprungbrett gewesen. „Es gibt aber auch jene, die eigentlich auf dem ersten Arbeitsmarkt gute Chancen hätten. Sie nehmen also einer anderen Person den Platz weg, denn wie wir wissen, sind diese sehr begrenzt.“ Laut Ministerium für Familie, Integration und die Großregion gibt es in Luxemburg aktuell 27 solcher Werkstätten. „Die Wartelisten sind lang und bereits vor der Pandemie haben 300 Plätze gefehlt.“
Mike ist einer von den Menschen, die solch einen Platz bekommen haben. Obwohl er mit seinem Arbeitsplatz sehr zufrieden ist, bevorzugt er es, anonym zu bleiben. Mike hat eine Rechen-, Lese- und Schreibschwäche und war wie Joël Delvaux für seine Ausbildung in der Schweiz, eine Option, die von Freund*innen der Familie vorgeschlagen wurde. „Der Tag, an dem ihm das Diplom überreicht wurde, war ein äußerst wichtiger Moment in seinem Leben“, ergänzt Mikes Mutter. „Wenn er darüber spricht, merke ich noch heute, wie glücklich er ist.“ Umso frustrierter macht es beide, dass sie noch immer für die Anerkennung seines Diploms kämpfen müssen.
Der reguläre Arbeitsmarkt sei für Mike keine sehr schöne Erfahrung gewesen, wie der 24-Jährige berichtet. „Ich wurde gemobbt und rausgeekelt. Es ging so weit, dass ich die ADEM kontaktiert habe.“ Seine Mutter meint dazu: „Mir wurde geraten, eine Beschwerde einzureichen, aber Mike wollte nichts mehr davon hören. Für ihn war es die beste Lösung. Für die Sache an sich wäre es wohl besser gewesen, mehr zu unternehmen.“ Zu diesem Moment habe das Wohlergehen ihres Sohnes an oberster Stelle gestanden.
Nun arbeitet Mike seit gut vier Jahren in einer geschützten Werkstatt. „Ich war während drei Jahren Gärtner, ein Jahr Kurier und seit Kurzem arbeite ich bei einem Bauer.“ Er pausiert kurz. „Ich muss sagen, dass ich noch nie so viel Glück hatte. Er ist superfreundlich und das Arbeitsklima ist respektvoll und angenehm.“ Sichtlich stolz erzählt er, dass er bereits in seiner zweiten Woche mit einer größeren Maschine fahren durfte. „Ich bin fest davon ausgegangen, dass ich ein halbes Jahr warten muss, bis ich angelernt werde, aber er hat mir vertraut.“ Genauso erstaunt sei er gewesen, als er bereits zu Anfang mit dem Traktor fahren durfte. „Wenn es mit der Evolution so gut vorangeht, dann sieht es echt gut aus.“ Er kenne es nämlich anders: Ihm wurde nie etwas zugetraut. „Du musstest regelrecht dankbar sein, dass du die Heckenschere benutzen durftest. Als ich noch auf dem regulären Markt tätig war, wurden einige Dinge mit Absicht so kompliziert erklärt, obwohl sie wussten, dass ich es nicht verstehe.“
Ein Arbeitscoach könne den Vorgesetzten helfen, wie sie mit ihren Arbeitnehmern umgehen und sie fördern können – „wenn sie denn über die nötigen Mittel verfügen“, entgegnet Mikes Mutter. „Aber wie so oft wird im Sozialbereich gespart.“ Er sei kein Mensch, der am Fließband arbeiten möchte, sagt der junge Mann von sich. „Ich möchte viel austesten. So bleibe ich fit und bekomme kein Alzheimer“, scherzt er.
„Du musstest regelrecht dankbar sein, dass du die Heckenschere benutzen durftest.“
Mike (Name von der Redaktion geändert), über seine Erfahrung auf dem regulären Arbeitsmarkt
Mike und seine Mutter sprechen beide das Gehaltsproblem an. „Wir warten schon so lange, dass sich endlich etwas tut. Ich lebe mit meinem Gehalt am Limit“, meint Mike. „Wir sind finanziell in einer guten Situation, dass wir ihn so gut unterstützen können“, erklärt seine Mutter. „Wir sind uns bewusst, dass wir unwahrscheinlich privilegiert sind und nicht jede Familie dieses Glück hat. Zudem ist Mike unser einziges Kind. Wenn eine betroffene Person allein dasteht und schauen muss, mit ihrem Gehalt über die Runden zu kommen, ist das ganz schwierig.“ Wie Joël Delvaux prangert sie die Privatisierung der Institutionen an. „Die Funktionsweise ist intransparent. Solche Werkstätten generieren Gelder, aber niemand weiß, was genau damit gemacht wird.“
Das Problem mit dem Gehalt zieht sich wie ein roter Faden durch alle Gespräche. „Werkstätten haben durchaus ihre Daseinsberechtigung“, erklärt Vereinspräsidentin Martine Eischen von Trisomie 21. „In den 80er Jahren haben sich viele Eltern ununterbrochen für ihre Gründung eingesetzt. Für Betroffene gab es davor nichts.“ Doch auch sie prangert die Arbeitsbedingungen an. „Es ist schwer, von dort auf den ‚normalen‘ Arbeitsmarkt zu wechseln, Inklusion steht und fällt mit der entsprechenden Betreuung. Hat jemand eine Art Mentor, der unterstützend zur Seite steht, geht es, aber ist dieser krank oder im Urlaub, funktioniert es nicht.“
Fehlende Aufstiegsmöglichkeiten
Ihre Kollegin Pia Peller wird deutlich: „Sie werden mehr betreut als gefördert. Jeder hat Kompetenzen, aber in der Größenordnung wie es in vielen Werkstätten der Fall ist, kann sich nicht auf die einzelne Person und ihr Können konzentriert werden. Das Angebot ist so begrenzt, deshalb werden Menschen mit verschiedensten Beeinträchtigungen zusammengewürfelt. Sie können also auf Grund der verschiedenen Beeinträchtigungen keine bedürfnisorientierte Ausbildung genießen. Ich möchte nicht sagen, dass dies gewollt ist, aber den Verantwortlichen fehlen die nötigen Mittel.“ Pia Pellers Sohn Ben arbeite seit 20 Jahren in einer entsprechenden Struktur und bekomme weder Aufstiegsmöglichkeiten noch Weiterbildungen in Aussicht gestellt. „In den Werkstätten bekommt man einen Arbeitsvertrag und das war es. Punkt.“
Das Restaurant Madame Witzeg in Beles in der Trainingsphase, die offizielle Eröffnung ist für Januar 2023 geplant
Joël Delvaux prangert die begrenzten Aufstiegsmöglichkeiten an. „Keine Karrieremöglichkeit, keine Evolution, keine Gehaltserhöhung.“ Das Gehalt bleibt also beim nicht-qualifizierten Mindestlohn. „Der Staat finanziert die Gehälter zu 100 Prozent, es gibt jedoch kein Verbot, das besagt, dass eine Struktur nicht mehr bezahlen kann und dies dann übernehmen muss. Vielleicht wird es bereits so gemacht, jedoch kenne ich keine einzige Institution, die es so macht.“
Das Einkommen für Menschen, die in einer geschützten Werkstatt arbeiten, stimmt mit dem Stundensatz des sozialen Mindestlohns für nicht-qualifizierte Arbeitnehmer*innen, multipliziert mit den im Arbeitsvertrag vorgesehenen Arbeitsstunden, überein. Der soziale Mindestlohn beläuft sich auf 2.313,38 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche und bei aktuellem Index (zum 1. April 2022).
Es besteht die Möglichkeit, dass eine Werkstatt zusätzliche Leistungen zahlen kann. Falls nicht anders, gesetzlich oder aufgrund einer vertraglichen Bestimmung, festgelegt, beläuft sich die Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche. In diese Arbeitszeit können die Dauer des Arbeitswegs und der soziopädagogischen und therapeutischen Aktivitäten, die während des Aufenthalts in der Werkstatt stattfinden, fallen. Zusätzlich können auch von der verantwortlichen Werkstatt organisierte Berufspraktika während dieser Zeit durchgeführt werden. Jede*r Arbeitnehmer*in in einer Werkstatt hat Anspruch auf sechs zusätzliche Urlaubstage. Einer Person, der es aufgrund der Schwere ihrer Behinderung nicht möglich ist, zu arbeiten, kann ein entsprechendes Einkommen beantragen (RPGH), das vom Nationalen Solidaritätsfonds (FNS) ausgezahlt wird. Das Einkommen entspricht der Höhe des garantierten Mindesteinkommens (REVIS).
Selbstverständlich sei er sich auch der Vorteile geschützter Werkstätten bewusst. „Während der Arbeitszeit sind einige Dinge garantiert: Physiotherapie, medizinische Betreuung, Ergotherapie und so weiter. Ich selbst muss das in meiner Freizeit organisieren.“ Das soll inexistente Karrierechancen und ein stets gleichbleibendes Gehalt jedoch nicht rechtfertigen.
„Menschen, die in einer Werkstatt arbeiten, machen nicht selten ihr ganzes Leben dasselbe. Wir möchten ihnen eine Perspektive bieten und gute Arbeit belohnen.“
Pia Peller von Trisomie 21 über das Restaurant Madame Witzeg
Martine Eischen und Pia Peller von Trisomie 21 möchten die Werkstätten auf keinen Fall allesamt verteufeln. „Die Eltern haben lange Zeit dafür gekämpft und viele sind nicht bereit, oder nicht mehr in der Lage, diesen Kampf jetzt noch einmal aufzunehmen“, meint Martine Eischen. „Es ist verständlich, denn die Belastung ist auch so schon groß – Arbeit, Familie, Behinderung des Kindes.“ In einer solchen Situation sei es schön, den Weg zu gehen, der bereits besteht.
Sie und ihre Kollegin sind dennoch überzeugt, dass die Bedingungen alles andere als ideal sind. Dies möchten sie seit geraumer Zeit ändert: Seit einigen Jahren planen sie das Restaurant Madame Witzeg in Beles. „Ohne die Hilfe des ehemaligen Bürgermeisters Georges Engel und der aktuellen Bürgermeisterin Simone Asselborn-Bintz wäre dieses Projekt wohl nicht möglich gewesen“, meint Martine Eischen. Seit dem 15. Oktober ist das Restaurant ganz offiziell eine Werkstatt zur beruflichen Eingliederung. Aktuell läuft eine Testphase, die offizielle Eröffnung soll im Januar sein. „Eigentlich wollten wir schon lange so weit sein, aber dann kam Corona und durch den Krieg in der Ukraine haben sich verschiedene Materiallieferungen verzögert.“ Das Restaurant soll das Potenzial von Menschen mit Trisomie 21 fördern und den Übergang zum ersten Arbeitsmarkt ermöglichen. „Wir möchten allen Menschen zeigen, dass sie sich in der Gesellschaft behaupten können.“
Die Eingliederung soll durch Partnerschaften mit anderen Unternehmen vereinfacht werden. „Es wird individuell geschaut, wie weit jemand ist, denn die Arbeit in der Restauration ist nicht ohne!“, meint Martine Eischen. „Wir zwingen niemanden, diesen Weg zu gehen, aber wir haben sicher einige Mitglieder, die genau dafür bereit sind.“ Potenziellen Kandidat*innen können also in anderen Restaurants auf dem ersten Arbeitsmarkt eingestellt werden. Das Ganze funktioniere auch andersherum: Das Partnerrestaurant schickt das eigene Personal ins Madame Witzeg, um zu sehen, wie das etwas andere Restaurant und seine Mitarbeiter*innen funktionieren. „Menschen, die in einer Werkstatt arbeiten, machen nicht selten ihr ganzes Leben dasselbe. Wir möchten ihnen eine Perspektive bieten und gute Arbeit belohnen“, erklärt Pia Peller.
Insgesamt seien bisher zwei Personen mit Statut im Restaurant eingestellt, im Januar kommen noch zwei weitere Personen hinzu. Maximal könnten zwölf beschäftigt werden. „Anfangs war die Begeisterung groß, aber Menschen, die vor fünf Jahren dabei waren, haben mittlerweile etwas anderes gefunden. Es werden jedoch noch andere hinzustoßen, die sich jetzt bei uns gemeldet haben.“ Auch Pia Pellers Sohn stehe bereits in den Startlöchern. „Ben soll ein Praktikum machen. Wenn es ihm jedoch nicht gefällt, muss er nicht bleiben. Das ist das Wichtigste: Wir respektieren die Wünsche von allen. Falls es Ben also nicht gefällt, geht er zurück in die Werkstatt, in der er aktuell arbeitet. Das wurde mit den Verantwortlichen so besprochen.“
Projekt seit einigen Jahren in Planung
Das Restaurant sei nur der Anfang. Martine Eischen plane eine große, lokale Gemeinschaft. „Es sollen Wohnungen entstehen, sodass wir alles zentralisieren können.“ Arbeit im Team habe oberste Priorität. „Alle Beteiligten sollen das gleiche Mitspracherecht haben.“ Auch für Joel Delvaux müsse für jede*n klar sein: Alle Menschen sollen mitreden dürfen, auch in geschützten Werkstätten. So gebe es abgesehen von den rezenten Bemühungen der Fondation Kräizbierg weitere gute Beispiele wie die Ligue HMC. „Sie sind ein ganz gutes Vorbild für Integration. Bei den Sozialwahlen können Menschen mit Statut auf die Listen, um gewählt zu werden. Sie sind also in den Delegationen vertreten.“
Aufklärung und Sensibilisierung müsse sich auch direkt an Arbeitgeber*innen auf dem ersten Arbeitsmarkt richten, erklärt er und befürwortet die Idee des Arbeitscoachs von Mikes Mutter. Es gebe viele, die helfen und unterstützen möchten, aber bei den diversen administrativen Schritten nicht wissen, was zu tun ist. „Genauso wissen viele nicht, wo sie passende Arbeitnehmer finden.“ Ob die Politik ihren Teil beisteuert, dazu ist Joël Delvaux geteilter Meinung. Auf der einen Seite würden viele Versprechungen gemacht, die nicht (immer) eingehalten werden. Auf der anderen Seite gebe es jedoch keine einzige Partei, die sich noch nicht mit der Thematik befasst hat. „Das sind man in parlamentarischen Anfragen oder bei den Kandidaten während der Wahlen. In den Parteigremien der DP, CSV, déi Lénk, LSAP und der Piraten sind Menschen mit Behinderung vertreten. Geht es jedoch um die Koalitionsgründung, geht vieles aus den Wahlprogrammen unter.“ Wir sind gespannt, ob die Umsetzung in den nächsten Legislaturen besser gelingt. Immerhin haben die Politiker*innen nächstes Jahr für dieses Vorhaben sogar gleich zwei Chancen.
Weiterführende Webseiten
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Nationaler Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
mfamigr.gouvernement.lu -
Leitfaden von Info-Handicap
modesdemploi.lu -
Zusätzliche Informationen über Arbeit und Einkommen
mfamigr.gouvernement.lu -
Einkommen RSH beantragen
guichet.public.lu -
Informationen zu Inklusionsassistent*innen
adem.public.lu -
OGBL/DTH möchte Rolle der Inklusionsassistent*innen fördern (auf Französisch)
www.ogbl.lu