„Verantwortlich ist das Virus, sonst niemand“

Von Sarah RaparoliLex Kleren

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Wenn andere ihre Arbeit niederlegen, kümmern sie sich weiterhin um ihre Mitmenschen. Dabei erleben sie sowohl schöne als auch belastende Momente. Corona hat ihren Arbeitsalltag komplett umgekrempelt. Vier Personen aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens berichten im Video.

Falls man sich nicht infiziert hatte, war es jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis, hinzu kamen Lockdown, restriktive Maßnahmen und ein neuer Alltag. Jede*r bekam die Auswirkungen der Pandemie zu spüren. Das Personal im Gesundheitssektor wurde vom Ausbruch des Coronavirus‘ vor über einem Jahr genauso überrascht. Ärzt*innen, Pflegekräfte, Psycholog*innen oder Hebammen – das gesamte Personal des Gesundheitswesens – mussten sich umstellen: Zum teils Bekannten kam das gänzlich Unbekannte hinzu.

In Ländern wie Italien hatte sich das Virus anfangs schneller ausgebreitet. Vieles konnte durch die Erfahrungen aus dem Ausland gelernt, gleichgetan oder optimiert werden. Es wurde alles getan, um bei uns solch dramatische Situationen zu verhindern. Infektionen und Todesfälle schossen dennoch in die Höhe und es dauerte nicht lange, bis auch in Luxemburg die Betten überfüllt und die Krankenhäuser an ihre Grenzen stießen: Die Pandemie hat bis heute überall dort, wo Gesundheits- und Pflegepersonal gebraucht wird, ihre Spuren hinterlassen.

Alters- und Pflegeheime, betreute (Wohn-)Strukturen und Psychiatrien mussten den neuen Herausforderungen angepasst werden. Behandlungen wurden angepasst oder unterbrochen, Operationen verschoben, schon bestehende Probleme wie der Mangel an Medikamenten verschärften sich, Patient*innen in jeglichen Strukturen konnten keinen Besuch mehr empfangen. Mediziner*innen, Pflegepersonal – jegliche Akteure der Gesundheitsberufe mussten sich diesen neuen Herausforderungen stellen und versuchen, sie zu meistern.

Abhängig vom Ausland

Hinzu kommt ein weiterer Umstand, der auf sehr vielen der zahlreichen Pressekonferenzen der Regierung immer wieder angesprochen wurde: Luxemburg ist abhängig vom Ausland. Wie Premierminister Xaver Bettel erst letzten Monat erneut betont hatte: „Ohne Grenzgänger werden wir diese Krise nicht überwinden.“ Die Mehrheit der Menschen im Gesundheitswesen kommt von jenseits der Grenzen. Neu ist diese Information nicht, denn schon 2019 hatte eine Studie auf einen in Zukunft möglichen Personalmangel hingewiesen.

Hunderte Professionelle und Organisationen hatten damals teilgenommen. Resultat: 62 Prozent der Gesundheitsbeschäftigten kommen aus dem Ausland. Bis 2034 werden 71 Prozent der Ärzt*innen in Rente gehen, in den restlichen Gesundheitsberufen (u. a. Pflegekräfte) könnten es knapp 6.000 Personen sein. Die einzelnen Berufszweige attraktiver zu gestalten war nur eine der angekündigten Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken und ist schon länger „under construction“.

Letzten September kam der Gesundheitstisch zusammen und befasste sich mit diesem Punkt. Gesundheitsministerin Paulette Lenert sprach von einem „Problem, das dringend angegangen werden muss“. Lenert und Sozialversicherungsminister Romain Schneider erklärten, dass der Bedarf in Luxemburg nicht von luxemburgischem Personal gedeckt werden könne. Hinzu komme, dass viele im Ausland Studierende sich auch später beruflich dort niederlassen würden.

Neue Bachelorstudiengänge

In Zukunft soll sich also zeigen, welche konkreten Ideen von der Arbeitsgruppe des Gesundheitstisches ausgearbeitet und umgesetzt werden können. Rezenter ist die Präsentation der Reformpläne letzte Woche. Die Ausbildung diverser Berufe des Gesundheitssektors wird angepasst. In einer Arbeitsgruppe wurde vor allem der Bereich der Pflege analysiert. Das LTPS („Lycée technique pour professions de santé“) kümmert sich auch in Zukunft um die BTS-Ausbildung „Infirmier en soins généraux“.

Die Spezialisierungen werden jedoch von der Uni Luxemburg übernommen und ab 2022/2023 respektive 2023/2024 angeboten. Ab demselben Schuljahr kommt dann ein dreijähriges Bachelorstudium zum „Infirmier en soins généraux“ hinzu und auch für den „Infirmier spécialisé“ wird das Angebot erweitert. Erst letztes Jahr wurde an der heimischen Uni ein neuer Bachelor in der Medizin eingeführt. Die ersten drei Jahre können seitdem hier im Land gemacht werden, bis dahin wurde nur ein Jahr in Luxemburg angeboten, danach musste man ins Ausland.

Bis diese Ausbesserungen jedoch Früchte tragen und die für die 26 Gesundheitsberufen im Land benötigten Kompetenzen vermitteln, wird noch einige Zeit vergehen. Doch wie sieht die Situation momentan bei den Menschen aus, die in besagten Bereichen aktiv sind und tagtäglich Patient*innen versorgen? Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf die alltägliche Arbeit? Wie ist die Stimmung beim Personal und welche Herausforderungen müssen gemeistert werden? Das erzählen Ihnen vier Personen, die im Gesundheitswesen aktiv sind, selbst.

Im Video zu sehen sind:

die Hebamme Melina Multon,
die Krankenpflegerin Jil Scheuer,
der Intensivmediziner Dr. Jean Reuter
und der Psychologe und Psychotherapeut Dr. Phil. Charles Benoy.

Alltag im Gesundheitswesen

*auf Luxemburgisch mit englischen Untertiteln