„Die Justiz ist weder geheim noch verschwiegen”
Von Camille Frati, Lex Kleren Für Originaltext auf Französisch umschaltenJean-Claude Wiwinius wird Anfang Juli als Präsident des Obersten Gerichtshofs zurücktreten. Interne Reformen, Spannungen mit einigen Abgeordneten, Pandemie: keine einfachen fünf Jahre an der Spitze der Justiz.
In Anzug und Krawatte, wie es seine Funktion erfordert, empfängt uns der Präsident des Obersten Gerichtshofs (der Kassationshof und das Berufungsgericht vereint) und des Verfassungsgerichts in seinem Eckbüro im Justizviertel, mit Blick auf den Innenhof und den Grund. Ein ruhiger Mann, darauf bedacht in seiner Rolle zu bleiben, ohne dabei einen gewissen Humor zu verlieren und zurückhaltend, wie es für das Oberhaupt in einem äußerst zivilisierten und formellen juristischen Umfeld angemessen ist.
Lëtzebuerger Journal: Wie bewerten Sie Ihre fünf Jahre an der Spitze der Judikative?
Jean-Claude Wiwinius: Bis auf ein paar graue Haare, ziehe ich auf persönlicher Ebene eine einwandfreie Bilanz. Ich muss sagen, dass ich das Glück hatte, eine Reihe sehr interessanter Menschen zu treffen, seien es politische und diplomatische Führungskräfte oder Mitglieder des Staatsrates, was mir große Freude bereitet hat. Auch auf die Unterstützung meiner Kollegen und Kolleginnen am Kassationsgerichtshof konnte ich zählen, dank derer ich trotz meiner Auslandsreisen weiter im Amt bleiben konnte.
Aus meiner Sicht fällt die Bilanz auf professioneller Ebene positiv aus. Vor einem Jahr hätte ich Ihnen mit sehr positiv geantwortet – aber durch die Pandemie musste ich mich in den letzten vierzehn Monaten hauptsächlich mit der Gesundheitskrise in Bezug auf den Gerichtshof befassen.
Vor fünf Jahren wollten Sie „die Transparenz der Justiz verbessern”. Ist Ihnen das gelungen?
Ja, ich glaube, das ist mir gelungen. Ich habe eine große Anzahl von Interviews für Print- und Rundfunkmedien gegeben, was die Justiz ein wenig sichtbarer gemacht hat. Natürlich herrscht immer noch eine gewisse Diskretion, aber sie ist weder verdeckt noch verschwiegen. Ich habe auch eine Reihe von Vorträgen über das Gerichtswesen gehalten. Und dann ist da noch der Pressedienst, an dessen Aufbau ich beteiligt war, meiner Meinung nach eine „Success Story”. Dadurch werden zahlreiche Besichtigungen im Justizviertel ermöglicht – wegen der Pandemie leider quasi auf Null reduziert.
Schließlich bedeutet Transparenz der Justiz auch Transparenz bei Gerichtsentscheidungen und Rechtsprechung. Wichtig ist, dass unsere Entscheidungen zunehmend zugänglich sind: Im Oktober 2019 haben wir mehr als 43.000 Gerichtsentscheidungen oder Auszüge davon online gestellt, die für Prozessbeteiligte zugänglich sind.
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