Frisch, gut, luxemburgisch
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1994 schlossen sich Cactus und Biogros zusammen, um Bioprodukte in den Regalen des luxemburgischen Supermarkts anzubieten. Eine damals neue und riskante Partnerschaft im Großherzogtum. 30 Jahre später ist klar, dass die Wette erfolgreich aufgegangen ist. Interview mit Vertretern beider Seiten.
Mittwoch, der 9. Oktober. Wir befinden uns in den Räumlichkeiten von Biogros in Munsbach. Hier werden viele der Bioprodukte, die Kund*innen unter anderem in den Cactus-Regalen finden, hergestellt und verpackt.
Aber hier wird kein Plastik verwendet. Nur recycelbare oder kompostierbare Materialien, um qualitativ hochwertige, frische und lokale Produkte zu verpacken. Die Verwendung von möglichst wenig Material für immer mehr Produkte ist ein langjähriges Anliegen beider Parteien. In naher Zukunft werden einige Obst- und Gemüsesorten von Verpackungen aus Zellulosefolien (einem Material auf Holzbasis) auf ressourcenschonende Papierbanderolen umgestellt.
Bei Cactus und Biogros hört die Innovation also nie auf. Ihre Partnerschaft, die in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiert, beweist das. Karin Weber, Geschäftsführerin von Biogros, Véronique Schmitt, Marketingleiterin von Cactus, Ralf Leifgen, Vorstandsvorsitzender der Oikopolis-Gruppe und Geschäftsführer der Biog-Genossenschaft, und Francis Demesse, Leiter der Obst- und Gemüsezentrale bei Cactus, gewährten uns einen Blick hinter die Kulissen ihrer Zusammenarbeit.
Ralf Leifgen, Véronique Schmitt, Karin Weber, Francis Demesse
Lëtzebuerger Journal: Während der Name Cactus in Luxemburg jedem ein Begriff ist, ist dies bei Biogros und Biog nicht unbedingt der Fall. Könnten Sie uns bitte erklären, worum es sich dabei handelt?
Ralf Leifgen: Biogros ist ein Großhandel, der auf biologische Lebensmittel spezialisiert ist. Biog steht sowohl für die Bio-Bauern-Genossenschaft in Luxemburg – die mittlerweile über 30 Landwirte als aktive Mitglieder hat – als auch für eine Marke, die Bio-Produkte anbietet.
Biogros wurde 1992 gegründet. Wie kam es dazu?
Karin Weber: Vielleicht muss man noch weiter zurückgehen. Denn zuerst waren da die Landwirte, die beschlossen, ihre Höfe zugunsten der biologischen Landwirtschaft umzustrukturieren. Aber sie haben schnell gemerkt, dass es nicht ausreicht, einfach nur zu produzieren. Es braucht eine Struktur, die es ermöglicht, diese Produkte auf den Markt zu bringen. Transportmittel, aber auch ausländische Lieferanten, so dass sie ein vollständiges Sortiment anbieten können. So fing es an.
Was bedeutet Biogros aus der Sicht von Cactus?
Véronique Schmitt: Für Cactus ist Biogros ein langjähriger Partner. 30 Jahre! 30 Jahre, durch die wir meiner Meinung nach für unsere Kunden ein Angebot an Bioprodukten entwickelt haben, die ihre Wurzeln in Luxemburg haben. Es handelt sich um lokale Produkte. Sie werden nicht nur hier konsumiert, sondern auch meistens hier produziert, ohne das Land überhaupt zu verlassen. Wir sprechen hier von sehr kurzen Wegen.
Francis Demesse: Es geht sogar noch weiter. Seitdem wir die handwerkliche Küche hinzugefügt haben, produzieren wir auch viele bearbeitete Produkte. Fertiggerichte, die wir als vierte oder fünfte Produktlinie bezeichnen. Salate, Soßen, Dressings, Suppen … Fertiggerichte. All das hat sich also mit der Zeit weiterentwickelt, genau wie unsere Partnerschaft. Ich war nur in 27 von 30 Jahren dabei, aber ich spüre diese sehr enge Zusammenarbeit seit meinem ersten Tag bei Cactus.
Karin Weber: Ich habe erzählt, wie Biogros entstanden ist, aber Cactus ist in seiner Funktion auch ein Pionier. Denn vor 30 Jahren war es nicht selbstverständlich, Bioprodukte in einem Supermarkt anzubieten. Seit fünf bis zehn Jahren ist es das, aber vor 30 Jahren war es überhaupt nicht selbstverständlich. Schon sehr früh war Cactus mit von der Partie und reichte der Bio-Bewegung die Hand.
Ihre Partnerschaft geht auf das Jahr 1994 zurück. Wie kam es zu der Annäherung?
Francis Demesse: Bei Biogros war es Änder Schank, der den ersten Stein ins Rollen brachte. Bei Cactus war es Raymond Dahm, mein Vorgänger, zusammen mit Marco Differding und Henri Jungels. Es gibt eine Anekdote, aber ich weiß nicht, ob sie wahr ist …
Karin Weber: Doch, doch, die Anekdote … (lacht) Damals wusste Biogros, dass es Cactus gab und umgekehrt, aber das waren zwei getrennte Welten. Bio war noch etwas sehr Exotisches. Dann kam es zu einer Begegnung bei einem Radiointerview. Der Erste sagte, dass er gerne mit dem Zweiten zusammenarbeiten würde, aber der Zweite wollte nicht wirklich. Daraufhin sagte der Zweite, dass er eigentlich schon wolle, aber er glaube, dass der Erste nicht wolle. Danach haben sie gesagt: "Komm, wir versuchen es!".
Véronique Schmitt: Und heute ist Bio bei Cactus logisch. Wir wollen für jedes Produkt ein Bio-Sortiment haben, und wir sind froh, dass wir eine starke Marke in Biogros haben, um das umsetzen zu können. Bio ist ein Markt voller Marken, die von überall herkommen. Für uns ist es ein echter Pluspunkt, sagen zu können, dass wir mit Biog eine Marke haben, mit der wir seit 30 Jahren zusammenarbeiten. Wir kennen ihre Herkunft, Verarbeitung und Transportwege, was dem Verbraucher, der diese Werte sucht, absolutes Vertrauen vermittelt.
30 Jahre – das ist eine lange Zeit. Was waren die Höhepunkte Ihrer Zusammenarbeit?
Véronique Schmitt: Was meiner Meinung nach sehr interessant und beeindruckend ist, ist die Art und Weise, wie diese Partnerschaft entstanden ist und wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Die kontinuierliche Entwicklung und der Wille beider Seiten, immer wieder neue Dinge auszuprobieren und von Obst und Gemüse zu einem Sortiment überzugehen, das heute auch Milchprodukte und sogar sogenannte Convenience-Produkte wie Suppen und Desserts oder z. B. Waffeln, umfasst. Heute sind viele Projekte im Gange und wir arbeiten sehr eng mit den Bauern zusammen. Ich persönlich finde das sehr spannend.
Francis Demesse: Das Tolle ist, dass wir mit Kartoffeln und Karotten angefangen haben und heute über 300 Bio-Produkte anbieten – und das Sortiment wächst durch diese intensive Zusammenarbeit von Jahr zu Jahr.
Ralf Leifgen: Aus Sicht der Biobauern war der beste Moment definitiv die Entscheidung, mit Cactus zusammenzuarbeiten, auch wenn vor 30 Jahren nicht alle Bauern davon überzeugt waren. Diese Entscheidung hat den Biobauern enorm viele Möglichkeiten eröffnet. Unsere gesamte Struktur konnte sich entfalten und wachsen. Ich glaube nicht, dass die Bio-Landwirtschaft in Luxemburg ohne Cactus so schnell gewachsen wäre.
Von Kartoffeln und Karotten zu 300 Artikeln in verschiedenen Regalen. Aber kommen die alle aus Luxemburg oder auch aus dem Ausland?
Karin Weber: Das kommt darauf an. Obst und Gemüse ist auch saisonabhängig. Im Sommer haben wir ein großes Angebot. Feingemüse, Salate, Karotten, Kartoffeln… die letzten beiden fast das ganze Jahr über. Danach haben wir auch Partner in der Großregion, Obstplantagen, mit denen wir seit Jahren zusammenarbeiten. Also für alles, was nicht lokal erhältlich ist, suchen wir nach den kürzesten Entfernungen. Im Winter kommt unser Gemüse zum Beispiel aus Spanien, unser Salat aus Frankreich und unsere Zitrusfrüchte aus Italien. Unsere Leitlinie ist es, immer so nah wie möglich zu sein und, wenn möglich, zuerst mit langjährigen und vertrauenswürdigen Partnerproduzenten zu arbeiten.
"Ich glaube nicht, dass die Bio-Landwirtschaft ohne Cactus so schnell gewachsen wäre."
Ralf Leifgen, Vorstandsvorsitzender der Oikopolis-Gruppe und Direktor der Genossenschaft Biog
Wie sieht dann der Weg des Produkts – vom Produzenten bis auf den Teller – konkret aus?
Ralf Leifgen: Nehmen wir als Beispiel die Kartoffeln. Die Kollegen von Biogros holen diese bei den Produzenten ab. Die Landwirte haben im Laufe der Jahre sehr viel in Ihre Lagerräume investiert, um fast das ganze Jahr über luxemburgische Kartoffeln mit einer hohen Qualität liefern zu können. Inzwischen haben sie diese Möglichkeit, was in der Vergangenheit nicht der Fall war. Die bei den Landwirten gelagerten Kartoffeln werden kontinuierlich über das Jahr von Biogros abgeholt und zur Verpackung in die Halle von Biogros nach Munsbach gebracht. Von hier aus gehen sie dann zu Cactus.
Francis Demesse: Wir nehmen sie in Empfang und kümmern uns um den Vertrieb. Wenn wir als Beispiel die Salate im Sommer nehmen, werden sie morgens geschnitten, kommen im Laufe des Vormittags oder gegen Mittag bei Biogros an und werden noch am selben Tag verpackt. Abends werden sie bei Cactus angeliefert und am nächsten Tag sind sie in den Regalen. Weniger als 24 Stunden, nachdem sie geschnitten wurden. Das ist bei vielen Produkten der Fall.
Véronique Schmitt: Dann erfreuen diese Kartoffeln und Salate unsere Kunden. Im Juli haben wir eine Umfrage unter unseren Kunden, aber auch unter Leuten, die keine Kunden sind, durchgeführt. Das Feedback war eindeutig: "Wenn ich nach Geschmack suche und etwas Frisches will, gehe ich zu Cactus" Frische Produkte, die schmecken, gut sind und von hier kommen, sind etwas, das uns sehr am Herzen liegt.
Es wird viel über Obst und Gemüse gesprochen, aber es ist nicht nur das?
Ralf Leifgen: In den Betrieben der Oikopolis-Gruppe und der Biog Genossenschaft produzieren wir auch Getreide, Mehl, Eier, sowie Milchprodukte wie Käse, Frischmilch, Joghurt, Sahne… Es ist Milch von sieben Bio-Bauern hier in Luxemburg. Die Biog Genossenschaft betreibt auch zwei eigene Hofkäserein auf dem Schanckhaff in Hupperdange und dem Kasshaff in Rollingen bei Mersch. Dort werden Weichkäse vom Typ Camembert – Klenge Mëllen – und vom Typ Munster – Klenge Sténkert –, Hartkäse vom Typ Gouda – Eisleker Kéis – und andere Käsesorten hergestellt. Alle aus der Milch der beiden Betriebe aus silagefreier Fütterung, das garantiert die hohe Qualität. Wenn der Käse gereift ist, kommt er zu uns nach Munsbach, wo die Hartkäse in Scheiben oder Würfel geschnitten und verpackt werden.
Wir haben über Verpackungen gesprochen. Das ist ein Punkt, für den Bio oft kritisiert wird. Warum wird Bio verpackt und wie kann man das einschränken?
Francis Demesse: Tatsache ist, dass man Bio-Produkte von konventionellen Produkten unterscheiden können muss – und die Verpackung ist ein Mittel, um dies zu tun. Bei Cactus liegen biologische und konventionelle Produkte sehr nahe beieinander. Es ist wichtig, dass sie erkennbar sind, damit sie nicht vermischt werden.
Véronique Schmitt: Ich mag es, die Dinge auf den Kopf zu stellen, um sie in die richtige Perspektive zu rücken. Man muss kommunizieren und dem Kunden zeigen können, was bio ist und was nicht. Nun stellen Sie sich vor, wir würden konventionelle Produkte verpacken. Das Volumen an konventionellen Produkten ist immer noch viel größer.
Francis Demesse: Das ist ein Thema, über das man diskutieren kann. Ich sehe es auch so, dass das verpackte Produkt geschützt ist. Geschützt vor den Kunden, die sie berühren könnten, aber sie bleiben auch länger frisch.
Karin Weber: Diese Verpackungen werden auch nicht aus Plastik hergestellt. Schon seit langer Zeit, auch vor den strengen Regeln, die wir seit letztem Jahr haben, versuchen wir, so wenig Material wie möglich zu verwenden, und zwar Material, das recycelbar und kompostierbar ist. Das bedeutet, dass wir hauptsächlich mit Papier arbeiten, in Form von Schalen oder Banderolen. Wenn wir mit Folie verpacken, handelt es sich ebenfalls nicht um Kunststoff, sondern um Zellulose. Das ist ein Material auf Holzbasis. Wir können es vollständig kompostieren.
Francis Demesse: Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir nicht verpacken, um einfach zu verpacken. Wir verpacken, um zu kommunizieren und dem Kunden Sicherheit zu geben.
"Bio ist zwar teurer, aber es ist Geld, das in die lokale Wirtschaft fließt."
Véronique Schmitt, Marketingleiterin von Cactus
Auch der Preis der Produkte sorgt für Gesprächsstoff … Realität oder Klischee?
Ralf Leifgen: Realität, aber es gibt einen Grund dafür. Biobauern dürfen keine chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel verwenden. Sie halten stattdessen ihre Pflanzen zum Beispiel durch mechanische Maßnahmen oder eine weite Fruchtfolge frei von Unkraut und Schädlingen. Teilweise wird das Unkrautjäten noch per Hand erledigt. Die Düngung erfolgt mit Wirtschaftsdüngern und Stickstoff wird über den Anbau von Leguminosen in die Fruchtfolge gebracht. Diese umweltschonende Methode ist ein sehr arbeits- und zeitintensiver Prozess. Das hat seinen Preis; einen Opportunitätskostenpreis und einen Geldpreis. Und trotzdem der Ertrag geringer als bei konventioneller Landwirtschaft. Es ist also logisch, dass die Produkte der Biobauern gegenüber den konventionellen Produkten hochpreisiger sind. Sonst kann er nicht existieren.
Karin Weber: Es gibt auch noch andere Aspekte, die spezifisch für Luxemburg sind. Wenn der Kunde lokale Produktion und lokale Produkte will, muss er sich der Pachtpreise bewusst sein, die die Erzeuger in Luxemburg zahlen. Sie sind viel höher als in anderen Ländern. Dasselbe gilt für die Lohnstruktur. Wir machen hier viele Dinge, die wir auch im Ausland machen könnten. Aber es ist auch wichtig, Arbeitsplätze für die Menschen zu schaffen, die hier leben.
Véronique Schmitt: Das ist ein wichtiger Punkt, ja. Natürlich haben wir bei Cactus Produkte, die von überall herkommen. Aber was nicht zu unterschätzen ist, ist auch die wirtschaftliche Kraft, die wir in das System der lokalen Produktion einbringen. Bio ist zwar teurer, aber es ist Geld, das in die lokale Wirtschaft fließt.
Von 1994 bis heute hat sich viel getan. Was hält die Zukunft für die Partnerschaft zwischen Cactus und Biogros bereit?
Karin Weber: Ein Punkt, der uns sehr am Herzen liegt, ist, junge Bauern der nächsten Generation zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, große Dinge zu tun. Wir haben Kinder von Partnerfarmern, die die Familienproduktion übernehmen. Sie haben neue Ideen und wollen innovativ sein. Zurzeit haben wir ein sehr schönes Projekt von einer Tochter einer unserer Landwirte, die hier in Luxemburg zusammen mit einer anderen jungen Landwirtin ihre eigenen Eier produziert. Seit Anfang Oktober ist Eist Ee in den Cactus-Regalen zu finden.
Francis Demesse: Die Zukunft sind die nächsten 30 Jahre. Und in 30 Jahren werden wir oder unsere Nachfolger wieder an diesem Tisch sitzen. Wir können nicht wissen, was morgen sein wird, aber wir können es uns vorstellen. Mehr gemeinsame Projekte, eine noch engere Zusammenarbeit. So stelle ich es mir vor. Handeln und daran glauben.
Karin Weber: Wir haben über die neue Generation von Landwirten gesprochen, aber auch die Verbraucher von morgen sind sehr wichtig. Sie haben andere Erwartungen an ihre Ernährung. Sie ernähren sich anders. Es geht um Vegetarismus, Veganismus, Proteine, Laktose und vieles mehr. Wir wollen ihnen ein Angebot machen. Früher hatte das Fertigprodukt ein schlechtes Image. Heute spricht man von "Clean Convenience": die Möglichkeit, ein Endprodukt, ein Gericht, zu bekommen, das qualitativ hochwertig, gesund und frisch ist.
Ralf Leifgen: Wir wollen diesem Trend folgen und unsere Marke Biog modernisieren, auch im Hinblick auf das Design. Wir wollen, dass die Produkte ansprechender aussehen und Lust auf mehr machen.
Véronique Shmitt: Hier kommt wieder einmal das Nëmmen dat Bescht voll zum Tragen.