Der Strafvollzug als ewige Baustelle

Von Christian Block

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Der Jahreswechsel ist eine passende Gelegenheit, auf das Jahr zurückzublicken, das hinter uns liegt. Für das Journal-Team bedeutet das: zurückschauen auf mehr als 600 veröffentlichte Artikel und Podcasts sowie mindestens dreimal so viele geführte Interviews. Jedes Teammitglied hat den Beitrag ausgewählt, der ihn oder sie im Jahr 2023 am meisten geprägt hat.

Wo die Idee herkam, das lässt sich rückblickend nicht mehr so einfach sagen. Nur so viel, dass wir uns als Redaktion Anfang des Jahres Gedanken darüber gemacht haben, wie wir die Gemeindewahlen 2023 redaktionell begleiten könnten, ohne den bei elektoralen Terminen bekannten und notwendigen, aber auch unoriginellen Formaten nachzuahmen.

So ergab sich, zum vorläufigen Ende einer Serie von Beiträgen über das Gefängniswesen, ein Artikel über die Praxis des Wahlrechtsentzugs. Ein Thema, das im Spezifischen wie im Allgemeinen (der Strafvollzug insgesamt) nur wenig mediale und damit verbunden auch wenig politische Beachtung findet. Die von der Kollegin Camille Frati gnädigerweise tolerierte Wilderei im Bereich der Justiz förderte nach Einschätzung des Autors dieser Zeilen zum Teil neue, zumindest aber bemerkenswerte Erkenntnisse zutage.

So erwies sich beispielsweise der automatische und lebenslange Verlust des Wahlrechts bei Haftstrafen von mehr als zehn Jahren, ohne Differenzierung zwischen aktivem Wahlrecht (das Recht, zu wählen) und passivem (das Recht, sich als Kandidat*in bei einer Wahl aufzustellen), im internationalen Vergleich als ein nicht unproblematisches Charakteristikum des Großherzogtums (mit Einschränkungen, für die auf den vollständigen Artikel hingewiesen sei). Es stellt sich die Frage, ob die Bestimmungen des luxemburgischen Strafgesetzbuches wirklich im Geiste des vom Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sind, der den "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" als eine Kernvoraussetzung für Einschränkungen von Grundrechten angemahnt hat. Auch die nichtautomatische Rehabilitierung einer Person nach ihrer Freilassung ist im Geiste der Strafvollzugsreform von 2018 und dem von ihr erklärten Primat der sozialen Rehabilitierung fragwürdig.

"Die Vision einer gesellschaftlichen Wiedereingliederung […] wird durch den Freiheitsentzug und seine Folgen gleich mehrfach torpediert."

Denn der Wahlrechtsentzug ist eines von vielen Beispielen für die klaffende Wunde zwischen dem (vermeintlichen?) politischen Anspruch und der Realität: Die Vision einer gesellschaftlichen Wiedereingliederung, die Wunschvorstellung von geläuterten Kriminellen, die auf den rechten Weg zurückfinden, wird durch den Freiheitsentzug und seine Folgen – Wohnungsverlust, beeinträchtigter Kontakt zur Familie, die geringe Entlohnung für Gefängnisarbeit ohne Einzahlungen in die Rentenkasse, möglicher Kontakt zu Drogen im Gefängnis, Fehlen von Perspektiven bei Haftentlassung – gleich mehrfach torpediert. In den Worten des Vorsitzenden des Vereins eran, eraus an elo?: "Verurteilte werden auch nach einer Gefängnisstrafe […] an den Rand der Gesellschaft gedrückt, aber wir hätten gerne, dass jeder Mensch resozialisiert werden soll. Darin sehe ich einen schwerwiegenden Widerspruch."

Vor diesem Hintergrund wird der Strafvollzug auch in Zukunft jede Menge Stoff liefern. Die neue Regierung hat in ihrem Koalitionsabkommen a priori zwar ein paar gutklingende, wenngleich zeitlich unverbindliche Ideen formuliert. Doch Papier ist bekanntlich geduldig. Im Strafvollzug sowieso.