Opgepikt - Schneeschippen im Schnee

By Pascal Steinwachs Article only available in German

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Bis vor kurzem kam es quasi täglich, nun kommt es nur noch wöchentlich, dafür aber umso heftiger: das „Opgepikt“, jetzt im praktischen XXL-Format.

Wochenende

Kinners, wie die Zeit vergeht. Schon wieder ist eine Woche ins Land gezogen, und wir sitzen immer noch zu Hause und träumen von besseren bzw. älteren Zeiten, als wir noch ohne AHA-Regeln und infolgedessen auch ohne das blöde Maskendings rumlaufen durften, mit dem nicht einmal das Surfen in Biarritz Spaß machen würde, würden wir denn Surfen und würden nach Biarritz fahren, was wir natürlich nicht tun, da wir ja keine Gesetze unterschreiben müssen und das „Bleift doheem!“-Motto von BlauRotGrün sowieso verinnerlicht haben.

Zu Hause geblieben ist am letzten Wochenende jedenfalls auch LSAP-Kammervize Mars di Bartolomeo, der sich, nachdem er seinen Abgeordnet*innen-Kolleg*innen als Dauerberichterstatter kurz vor dem Start ins Wochenende mal wieder die neueste Version des Corona-Gesetzes schmackhaft machen musste, am Sonntag nicht etwa, so wie Otto Normalluxemburger, beim Schlittenfahren in Gréiwels entspannte, sondern beim Do-it-yourself-Nudeln-Fabrizieren in seiner Düdelinger Klause. Entsprechende Bilder – Nudelholz inklusive – gab es auf der di Bartolomeo’schen Facebook-Seite zu bewundern, und die sahen derart lecker aus, dass einem das Wasser im Mund, pardon, in der Maske zusammenlief.

Lukullisch unterwegs war dieser Tage aber auch wieder CSV/LSAP/SdP-Ikone Astrid Lulling, die ihre (bestimmt immer noch zahlreichen) Anhänger*innen auf ihrer Facebook-Seite diesmal in einem spritzigen Video über einen „ formidablen Corona-Killer“ aufklärt, der zwar, genau wie alle anderen Impfstoffe auch, am besten im Kühlschrank aufbewahrt werden soll, allerdings nicht gespritzt, sondern getrunken wird, handelt es sich hierbei doch um einen gleichnamigen Luxemburger Crémant, den man – „am besten nach 18.00 Uhr und nicht mehr als einen halben Liter“ – regelmäßig trinken soll, so die frühere Bienenkönigin, die weiß wovon sie spricht, konnte sie sich doch in den vergangenen neun Jahrzehnten eine gewisse Expertise antrinken. Prost, Gesundheit!

Montag

Endlich wieder Montag! Endlich sind die Geschäfte wieder auf! Endlich wieder Zeit zum Zeitungs- bzw.Was-auch-immer-Lesen! Das arg geschrumpfte „Wort“ gehört zwar nicht mehr dem Erzbistum, ist aber immer noch genauso jesuitisch unterwegs. So veröffentlichte das Blatt wahrscheinlich nur deshalb einen Artikel über die „Eskapaden“ des holländischen Königshauses („ihr größter Ausrutscher war wohl, als sie Mitte Oktober mitten im niederländischen Corona-Lockdown, als die Haager Regierung alle Bürger zum Zuhausebleiben aufforderte, zum Urlaub nach Griechenland flogen“), weil es sich nicht traute, die arg unter Beschuss stehenden Großherzogs direkt zu kritisieren, die das mit dem „Bleift doheem!“ ja bekanntlich ebenfalls nicht so ernst genommen haben. Dabei haben sich die niederländischen Königs sogar in einem Video entschuldigt und fuhren wieder nach Hause – Großherzogs jedoch nicht…

Veröffentlicht wurde am Montag aber auch der Sonderbericht des Rechnungshofs über den Verkauf von Grundstücken in staatlichen Wirtschaftszonen, aus dem hervorgeht, dass der frühere LSAP-Vizepremier Etienne Schneider nicht nur bei seinen Weltraumplänen und bei seinem Militärsatellitenprojekt gehörig auf die Pauke gehauen hat, sondern auch beim Grundstückskauf für eine Joghurtfabrik eine höchst eigensinnige Vorgehensweise an den Tag gelegt hat. Die Vorsitzende der parlamentarischen Budgetkontrollkommission, Frau Adehm (nicht zu verwechseln mit ihrem CSV-Parteikollegen Gilles Roth), ist auf jedem Fall entsetzt und spricht von einem „Skandal“ („das ist ein Skandal“), habe sich Schneider doch „nicht an gängige Prozeduren gehalten“. Gnadenlos brutal ist zwei Tage später aber auch der entsprechende „Wort“-Kommentar: „Der ehemalige Wirtschaftsminister Etienne Schneider hat Mist gebaut und die LSAP ist außerstande, Schneiders Fehler öffentlich einzugestehen“. Mist – und wir zitieren hier einen früheren SPD-Chef – ist aber vor allem auch die Opposition, und aus dieser will die Adehm’sche Truppe bekanntlich endlich heraus.

Dienstag

Heraus will aber auch der Randale-Wikinger: Nicht aus der Opposition, sondern – wer würde das nicht wollen – aus dem Knast. Zu allem Übel hat der Büffelmann (nicht zu verwechseln mit einem Hornochsen), der wegen seiner Kapitolerstürmung in U-Haft verfrachtet wurde, nämlich nun schon seit einigen Tagen keinen Happen mehr zu sich genommen, weil es im Kittchen kein Bioessen gibt (!). Hierzu erklärte die Mutter des QAnon-Schamanen dann auch gegenüber einem US-Sender, dass ihr Sohnemann „sehr krank“ werden würde, wenn er sich nicht von biologisch angebauten Lebensmitteln ernähre. Und so was trägt Hörner auf dem Kopf – und warm duschen tut er bestimmt auch.

Aus ganz anderem Schrot und Korn ist da natürlich Auslandsminister Jean Asselborn (LSAP), soll dieser es doch, nur weil er den scheidenden POTUS in einem Interview ehrlicherweise als „Verbrecher“ und „politischen Brandstifter“ bezeichnet hatte, im Alleingang fertiggebracht haben, dass sein US-amerikanischer Amts-„Kollege“ Mike Pompeo einen Abstecher nach Luxemburg absagte, den er im Rahmen seiner letzten Dienstreise nach Brüssel geplant haben soll, von dem außer Pompeo selbst aber anscheinend keiner etwas wusste – und in Luxemburg schon gar nicht. Sowieso darf man/frau sich fragen, was zur Hölle Pompeo ausgerechnet in Luxemburg gesucht hätte, wo es momentan nicht emal etwas Ordentliches zu futtern gibt.

Die internationale Presse war jedenfalls echauffiert bis in die Haarspitzen: „Asselborn, die Legende“ (EU-Korrespondent des „El Mundo“), „Jeder in Europa weiß, dass er sich nicht mit Asselborn anlegen soll“ (Berlin-Korrespondent von „The Economist“), und „auch andere  prestigereiche Medien griffen die Heldentat von Jean Asselborn auf. Volltreffer“, wie die „Mediahuis“-Zeitung aus den Gaspericher Wiesen tags darauf die weltweite Begeisterung zusammenfasste, wobei sich der Brüsseler „Wort“-Korrespondent jedoch ärgerte, dass unser „Chefdiplomat und seine Regierung“ sehr still seien, wenn es „um Putins Russland oder Xi Jingpings China“ gehe; ja, die „luxemburgische Regierung zeige sich immer wieder sehr freundlich diesen zwei Autokratien gegenüber“. Frechheit!

Da loben wir uns doch die angesehene US-Zeitschrift „The Atlantic“, die immer noch von Asselborn begeistert ist, nachdem sie mit ihm gesprochen und dieser sich für sein Englisch entschuldigt hatte („i have to speak Luxembourgish in the morning, read the papers in German, talk to diplomats in French and now to you in English. It’s a lot“): „Lucky are the foreign ministers of very small, very consensus-driven countries, for those who play their cards right sometimes get to hold office for many years. One of the luckiest card players out there is Jean Asselborn, the amusing polyglot”.

Seinen Besuch in Brüssel hat Mike Pompeo, wo er schon mal dabei war, übrigens ebenfalls abgesagt, wollte dort doch anscheinend keiner mehr mit ihm sprechen – nicht einmal Nato-Generalsekretär Stoltenberg, der höchstwahrscheinlich einen nicht aufzuschiebenden Zahnarztbesuch als Ausrede ins Feld führte.

Mittwoch

Derweil sich die Tageszeitungen immer noch mit der Asselborn/Pompeo-Chose befassten, äußerten sich, getreu dem Motto „Hurra, wir leben noch”, in der Wochenpresse, und zwar in der „Revue“, mit Carole Dieschbourg und Claude Turmes gleich zwei prominente Grüne*innen (der „Télécran“ schwelgt seinerseits, „nach dem Trip ist vor dem Trip“, in Erinnerungen an einen Fernwanderweg auf Korsika) zur – was auch sonst – Klimapolitik, diesbezüglich die Umweltministerin laut Überschrift der Meinung ist, dass uns „die Zeit“ davonlaufe („Uns läuft die Zeit davon“), derweil der Energieminister – das passt – von „Rückenwind“ spricht („Wir haben Rückenwind“).

Die Interviews selbst haben wir leider nicht gelesen, gingen wir doch unserer Einladung zur Impfung nach, die sich, so was aber auch, im Nachhinein jedoch als „technischer Fehler“ herausstellte. Schade, wir hatten dem Piks schon so entgegengefiebert.

Die beiden anderen Grüne*innen-Minister*innen Samantha Tanson und Henri Kox (Fränz Bausch fuhr wahrscheinlich gerade mit der Tram) stellten ihrerseits das neue Polizei-Fichier-Gesetz vor, das – auweia – sogar den Rechtsstaat respektieren soll. So sollen die Beamten in Zukunft – unerhört! – nur noch Zugriff auf diejenigen Informationen bekommen, die sie auch wirklich für ihre Arbeit brauchen. Dafür enthält die neue Gesetzgebung aber eine neue Passage, die, so wird sich jedenfalls auf Twitter verlustiert, stark an „Minority Report“ erinnere: „les personnes à l’égard desquelles il existe des motifs sérieux de croire qu’elles sont sur le point de commettre une infraction pénale (…)“. Willkommen in der Zukunft.

Und CSV-Twitterkönig Laurent Mosar, der im Gegensatz zu Donald Trump immer noch tweeten darf, ärgerte sich mal wieder über die Grünen: „Das Machtbewusstsein der Grünen wird nur noch von ihrer Leidenschaft für alle möglichen Verbote übertroffen“.

Donnerstag

Hört dieser Winter denn nie auf! Schon wieder wurde unser Land von einer „weißen Hölle“ heimgesucht, die derart höllisch war, dass wir aus Sicherheitsgründen zu Hause in unserem Zuhause blieben und dort den ganzen vermaledeiten Tag Frank Zappa hörten: „Don’t eat the yellow snow“.

Dort vernahmen wir auch die Hiobsboschaft, dass es in diesem Jahr in den „Solden“ keine verkaufsoffenen Sonntage geben wird, dies weil die Gesundheit der Bürger geschützt und die Ausbreitung von Covid-19 gestoppt werden soll, wie das Mittelstandsministerium mitteilte. Dabei hatte es vor Weihnachten noch geheißen, dass die Sonntagsöffnung dazu beitrage, die Kunden auf einen zusätzlichen Tag zu verteilen, wodurch sich wiederum die Kundendichte in den Geschäften verringere. Verstehe einer die Welt.

Derweil unsere Zeitung, äh… unser Digitaldings am Donnerstag ein arg feches Interview mit CSV-Präsident Frank Engel veröffentlichte, das parteiintern bestimmt für viel Freude gesorgt hat, brachte „paperjam.lu“ einen Artikel über die Engel-Gegenspielerin Martine Hansen, die hier („à 55 ans, elle s’accorde cinq séances de sport par semaine: course à pied, vélo et, parfois, salle de fitness“) als „Marathon Woman“ präsentiert wird, die bereits zehn Marathons gelaufen und immer noch am Laufen ist: „Si vous passez par la Corniche ou Clausen, vous croiserez peut-être Martine Hansen en train de courir au coeur de la capitale“, so dass, wer die resolute CSV-Fraktionschefin nicht mag, zukünftig am besten die Corniche und Clausen meiden sollte.

Dem „Marathon Girl“ bleibt nun nur noch zu wünschen, dass ihr das Schicksal des „Marathon Man“ aus dem gleichnamigen Film erspart bleibt und sie nicht zum Zahnarzt muss…

Freitag

Luxemburg hat indes weiterhin mit der „weißen Hölle“ zu kämpfen, die immer noch nicht verschwunden ist und nicht nur für apokalyptische Zustände im Verkehr sorgte (trotz der hohen SUV- und Allradantriebdichte sind die Eingeborenen, wie auch die Grenzgänger, anscheinend unfähig, ihre Karossen einigermaßen ordentlich zu benutzen), sondern auch auf Facebook/Instagram zu einem wahren Tsunami an Schneebildern führte, hat seit Donnerstagmorgen doch jeder, aber auch wirklich jeder irgend ein Schneebild – Spazieren im Schnee, Sonnenaufgänge im Schnee, Sonnenuntergänge im Schnee, Verkehrsunfälle im Schnee, Gärten im Schnee, Schneeschippen im Schnee, Kinder im Schnee, Enkelkinder im Schnee, Haustiere im Schnee, Schneemänner im Schnee, Schnee im Schnee – gepostet. Jetzt ist aber gut…

Außer Schnee existiert aber leider auch noch so etwas wie Corona, was nun dazu geführt hat, dass unser Nachbarland Frankreich ab sofort wieder alles dicht macht und alle Franzos*innen ab 18.00 Uhr nicht mehr rausdürfen, derweil unsere deutschen Nachbarn sogar einen Lockdown bis Ostern planen und den öffentlichen Transport lahmlegen wollen. Nur Luxemburg scheint eine Insel zu sein. Toll!

Bis nächste Woche…