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Das Lëtzebuerger Journal feiert bereits seinen zweiten digitalen Geburtstag. Wir haben unseren Platz in der Medienlandschaft gefunden, uns weiterentwickelt und sind bereit für 2023. Das alles wäre ohne die Menschen, die uns ihre Erfahrungen und Sichtweisen schildern, nicht möglich. Zu diesem Anlass hat sich jedes Teammitglied einen Beitrag ausgesucht, dessen Geschichte ihn oder sie in diesem Jahr nicht losgelassen hat.
Als Marlee Dos Reis, Gründerin der Marke Imani, ihren Kopf in Richtung des zehn Quadratmeter großen Studios drehte, in dem sie mitten in der Hauptstraße von Vianden gelebt hat, blieb die Zeit stehen. Emotionaler Flashback: „Ich, die nach der Arbeit nach Hause kommt, und keine Motivation hat. Kein Plan, nichts.“ In dieser Zeit verbrachte Marlee ihre Tage in der Schule in Ettelbrück und ihre Abende mit der Arbeit bei McDonald's in Ingeldorf, bevor sie erst spät zu Hause ankam.
Trotz all der Dinge, die sie geschaffen hat, der Menschen, denen sie geholfen hat, und der Veranstaltungen, die sie organisiert hat, ist es dieses Bild, das mir in Erinnerung geblieben ist. Es ist die erste Anekdote, die ich erzählen würde, wenn man mich fragen würde: „Wer ist Marlee Dos Reis?“ Es ist auch das, was ihre Geschichte nicht zu einer Erfolgsstory unter vielen macht, was sie einzigartig macht. Denn die Wahrheit ist, dass der Wert einer Leistung in dem Weg liegt, den man zurücklegt, um sie zu erreichen. In den guten und den schlechten Zeiten. Jede Minute unseres Lebens hat uns dahin gebracht, wo wir heute sind.
Die Bücher, die mir meine Großeltern vorlasen, wenn ich mich mit meinen fünf Jahren im Morgengrauen in ihr Bett schlich, und die sicherlich meinen Sinn für das Storytelling entwickelt haben. Der Geruch von Hamburgern und karamellisierten Zwiebeln rund um das Fußballstadion, Thema meines ersten Podcasts, mit meinem Papa in Brüssel. Die Artikel, die ich meiner Mutter schrieb und sie aufforderte, sie zu erkennen, wenn ich sie mit anderen veröffentlichten Artikeln zum selben Thema vermischte.
Marlee war fasziniert von den Fotos, die ihr Vater machte. Sie schnitt die Schaufensterpuppen in der 3Suisses ihrer Mutter aus. Sie spielte Bürokratin mit Excel. Die ersten Schritte einer Geschäftsfrau. Aber ihre Geschichte hat mich deshalb so berührt, weil ich mich auch mit ihren Phasen des Selbstzweifels identifizieren konnte. Selbstfindung, Motivationsverlust, Aufgeben wollen – sie hat alles durchgemacht … bevor sie wieder aufgestanden ist und ihre Marke „mit dem Telefon in der einen Hand, dem Hugo in der anderen und vielleicht ein bisschen beschwipst gegründet hat. Eine echte Hollywood-Szene (lacht)“. Man tut, was man kann.
„Wir alle haben etwas, das für uns bestimmt ist. Manchmal dauert es nur etwas länger, es zu finden …“
Heutzutage will jeder schnell sein und alle Schritte überspringen. Das ist menschlich. Als ich mit 24 Jahren das Studium begann, das wirklich zu mir passen sollte – und mich direkt zum Lëtzebuerger Journal führen würde –, hatte ich das Gefühl, dass ich hinterherhinke. Ich verbrachte drei Jahre an der Universität und schlug mich mit Kursen in Mikro- und Makroökonomie herum – eine Wahl, die ich „aus Versehen“ getroffen hatte –, bevor ich stoppte und mich auf das stürzte, was ich wirklich liebe: die Medien. Und der Ort, an dem ich heute bin, ist alle Erwartungen der Welt wert.
Kurz gesagt, wir alle haben etwas, das für uns bestimmt ist. Manchmal dauert es nur etwas länger, es zu finden … Aber wenn man da ist, weiß man es. „Don't sit at tables where you're not welcomed. Don't go where you're not appreciated. Go where you're celebrated. Und wenn es keinen Tisch für dich gibt, dann baue dir deinen eigenen Tisch. Du kannst allein sein, bei Null anfangen und die Leute werden nach und nach kommen“, wie Marlee mir in ihrem amerikanischen Englisch sagte.
Denn je länger der Weg, desto mehr unvergessliche Erfahrungen macht man. Nicht umsonst suchen gute Geschichtenerzähler*innen eher nach Emotionen und Anekdoten als nach Fakten. Man bittet Interviewpartner*innen wegen persönlichen Erfolge um ein Gespräch, aber man stellt ihnen auch Fragen darüber, wie sie dazu gekommen sind. Denn was zählt, ist nicht das Ziel. Es geht um den Weg dorthin.