Editorial - Next Generation

Von Pascal Steinwachs

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Mit dem Thronwechsel von Henri zu Guillaume hat Luxemburg ein neues Kapitel in seiner Geschichte aufgeschlagen. Während das Großherzogtum im In- und Ausland gerade mediale Aufmerksamkeit wie selten zuvor erhält, stellt sich für viele die Frage, welche Rolle die Monarchie heute noch spielt – zwischen Symbolkraft, Nation Branding und politischer Neutralität.

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Wer als Luxemburger*in (oder als hierzulande wohnhafter oder arbeitender Mensch) die vergangenen Tage nicht gerade auf dem Mond oder im sonstigen Ausland verbracht hat, der wurde derart mit Artikeln, Reportagen, Dokumentationen, Fotos und Livetickern über die großherzogliche Familie und den Thronwechsel zugeschüttet, dass manch eine*r angesichts des medialen Overkills vielleicht sogar kurz darüber nachgedacht haben dürfte, ob die Einführung einer Republik nicht vielleicht doch die bessere Option wäre. 

Die Neuwahl einer Präsidentin oder eines Präsidenten hätte nämlich mit Sicherheit keine derartige Informationsüberflutung mit sich gebracht wie ein Thronwechsel. Wäre Luxemburg allerdings eine Republik, dann wäre es nur ein weiterer Zwergstaat unter vielen - mit einem Staatsoberhaupt, der in der Regel ja ein*e verdiente*r, aber oftmals auch farblose*r Politiker*in ist, so wie das in vielen Ländern der Fall ist.

Als weltweit einziges Großherzogtum ist Luxemburg hingegen etwas ganz Besonderes. Es mag Leute geben, die den Großherzog als besseren Grüßaugust bezeichnen, aber damit liegen sie definitiv falsch. Ein Großherzog gibt dem Land ein Gesicht, bestenfalls sogar eine Identität, und wer die jubelnden Massen gesehen hat, darunter sehr, sehr viele junge Leute, die dem neuen Großherzog am Tag des Thronwechsels (und auch danach) zujubelten, der dürfte uns recht geben. 

So dürfte fast jede*r den König von England oder Holland kennen, aber nur die wenigsten dürften wissen, wer gerade Präsident von Irland oder Bulgarien ist - und wir paraphrasieren hier Vizepremier Xavier Bettel, der sich in einer rezenten Dokumentation so ähnlich ausgedrückt hat. 

"Für ein kleines Land wie Luxemburg gibt es keine besseren Botschafter als die großherzogliche Familie."

Für ein kleines Land wie Luxemburg gibt es keine besseren Botschafter als die großherzogliche Familie, wobei das mit dem Türöffner bei Wirtschaftsmissionen tatsächlich stimmt. Für einen Großherzog oder einen Erbgroßherzog stehen die Türen immer offen. Das ist Nation Branding par excellence: Gut für die Wirtschaft, und gut für das Image des Landes, das im Ausland ja oftmals immer noch mit einem reinen Steuerparadies gleichgesetzt wird.

Da Thronfolger Prinz Charles erst fünf Jahre alt ist, die Wirtschaftsmissionen in der Regel aber vom Erbgroßherzog absolviert werden, muss Großherzog Guillaume die diesbezüglichen Reisen in den nächsten Jahren eben selbst übernehmen, und ja: auch der Stuhl des Erbgroßherzogs im Staatsrat wird für lange Zeit vakant bleiben.

Dass der neue Großherzog in seiner Antrittsrede noch einmal extra darauf pochte, seine politische Neutralität zu unterstreichen, ist zu begrüßen, wie auch seine Ansage, sich als Brückenbauer einbringen zu wollen. Das klingt zwar arg nach Plattitüde, doch einem Mann wie Guillaume nimmt man das tatsächlich ab.

Als Spielverderber*innen zeigten sich indes déi jonk gréng, die zeitgleich zum Amtseid des neuen Großherzogs eine geharnischte Mitteilung verschickten, in der sie sich über die Steuergeldverschwendung echauffierten, derweil ihre älteren Parteikolleg*innen in der Abgeordnetenkammer dem neuen großherzoglichen Paar begeistert applaudierten, aber das machten mit Ausnahme der beiden déi-Lénk-Abgeordneten, die demonstrativ mürrisch dreinschauten, sowieso alle.

Mit Guillaume dürften die meisten Luxemburger*innen zwar bereits ihren dritten Großherzog erleben, doch für viele dürfte es die erste Stabübergabe sein, die sie bewusst erleben.

Die Hoffnungen sind dann auch groß, dass Guillaume und seine Frau Stéphanie, die next Generation der luxemburgischen Royals, für einen neuen Wind am manchmal doch arg verstaubten großherzoglichen Hof sorgen, ohne aber natürlich zu modern und zu offen zu werden, ansonsten die Monarchie zu banal werden würde, und wer braucht dann noch einen Monarchen?

Als Henri vor 25 Jahren als Großherzog antrat, waren die Hoffnungen ebenfalls groß. Zumindest anfangs hat er sie auch erfüllt: Charismatisch, sympathisch und um einiges volksnaher als sein Vater Jean, aber dann weigerte er sich 2008 - wegen Gewissensbedenken - das vom Parlament rechtmäßig verabschiedete Euthanasiegesetz zu unterschreiben, was zur Staatskrise führte.

Für Negativschlagzeilen sorgten ebenfalls der geplante Verkauf des Familienschmucks und die geplante Veräußerung eines Teils des Gréngewald.

Für einen handfesten Skandal sorgte ihrerseits Maria Teresa, die Frau des Großherzogs, als sie anderthalb Jahre nach dem Thronwechsel von 2000 die Chefredakteur*innen der Luxemburger Medien zusammentrommelte, um sich vor denen über ihre böse Schwiegermutter Joséphine-Charlotte zu beklagen, die ihr als Bürgerliche das Leben zur Hölle mache. Du Jamais-vu!

In den Jahren danach gab es dann immer wieder Mobbing-Vorwürfe gegen die Frau des Großherzogs, was für ein drehendes Personalkarussell am Hof sorgte. Der sogenannte Waringo-Bericht, benannt nach dem Sonderbeauftragten Jeannot Waringo, nahm sich auf Initiative des damaligen Premierministers Xavier Bettel all dieser Missstände, Kündigungen und Entlassungen an, was zur Schaffung der Maison du Grand-Duc führte, in der die Geschäfte des Staatsoberhaupts erstmals richtig verwaltet werden.

Im Dokumentarfilm "Histoire d’un règne: 25 ans au service du Luxembourg", der zum Nationalfeiertag in der Philharmonie gezeigt wurde, taucht Xavier Bettel, der immerhin zehn Jahre lang Regierungschef war, dann auch gar nicht auf, was deutlich macht, dass Henri und Maria Teresa ziemlich nachtragend sind.

Peinlich aber auch, dass letztere zum Schluss ihrer Regentschaft zuerst zugesagte Interviews mit der einheimischen Presse quasi in letzter Minute absagten, um sich anschließend aber gegenüber internationalen Glamourmedien lautstark zu beklagen, dass sie sich in all den Jahren wie im goldenen Käfig gefühlt hätten.

Henri dürfte demnach ein riesiger Stein vom Herzen gefallen sein, ist er nach seiner Abdankung doch nun frei wie ein Vogel. 

Dem supersympathischen neuen Großherzog und seiner Frau wünschen wir an dieser Stelle natürlich nur das Allerbeste, vor allem aber, dass seine Regentschaft nicht so endet wie diejenige seines Vaters.

Der König ist tot, es lebe der … ähm: Der Großherzog dankt ab, es lebe der Großherzog!