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Tessy Antony de Nassau hat eine außergewöhnliche Biografie. Wir sprechen mit ihr über ihre Zeit beim Militär, über ihre Zeit als Prinzessin sowie über ihre aktuelle Tätigkeit als erfolgreiche Unternehmerin und Philanthropin.
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Wir treffen Tessy Antony de Nassau an einem nebligen Samstagmorgen im achten Stock eines hauptstädtischen Luxushotels. Als wir ankommen, ist sie gerade mit dem Frühstück fertig. Sie hatte sogar ein Gedeck für uns auflegen lassen, aber wir sind leider ausgewiesene Frühstücksmuffel. Für einen Espresso sind wir aber immer zu haben, und den trinken wir in der Panoramabar, wo wir auch das Interview führen.
Einziges Problem: Tessy Antony de Nassau hat einen derart außergewöhnlichen und ausufernden Lebenslauf, dass wir nicht wissen, wo wir anfangen sollen. Fangen wir also am besten mit der Fashion Week in Pirmasens an, auf der die Unternehmerin noch am Vortag mit ihrer Modemarke Human Highness präsent war.
In Luxemburg macht sie nur halt, um mit ihrer Familie zu essen, und auch um mit uns zu sprechen, ehe sie am Nachmittag nach Zürich weiterfährt, wo sie inzwischen mit ihrem neuen Mann und ihren Kindern lebt.
Von dort aus ist es ja auch nur einen besseren Katzensprung zum Weltwirtschaftsforum in Davos, bei dem die 39-Jährige nun schon seit Jahren präsent ist. Dies im Rahmen des Swedish Lunch, bei dem der Fokus allgemein insbesondere auf der Nachhaltigkeit und der Innovation liegen, und bei dem die drängendsten Probleme unserer Zeit diskutiert werden.
"Man soll alles probieren, und wenn es nicht funktioniert, dann hat man an Erfahrung gewonnen. Das ist meine Lebenseinstellung."
Tessy Antony de Nassau, Unternehmerin
Nachhaltigkeit wird auch bei Human Highness großgeschrieben, der Modemarke von Tessy Antony de Nassau, die auch von Anfang an bei der vor sechs Jahren ins Leben gerufenen Luxembourg Fashion Week dabei ist. "Ich ziehe mich gerne gut an, auch mal andere Sachen als die gemein-übliche Mode. Die Mode, die ich mit Human Highness kreiere, das sind Sachen, die man nicht unbedingt in den Geschäften findet. Ich werde mich dieses Jahr auf Leinenkleider spezialisieren. Die sind erschwinglich, sind gut für den Körper, und können sexy und zudem relax sein. Einen Schwerpunkt werde ich in diesem Jahr ebenfalls auf meine neuen Seidenschals legen, wobei bei einem sogar die Gëlle Fra drauf ist. Das ist ein Gruß an mein Land, das mir so viel gegeben hat."
Die Geschäfte würden sehr gut laufen, so die Unternehmerin, jedoch alles online, da Human Highness während der Corona-Pandemie gegründet worden sei. "Ich schaue aber in diesem Jahr, ob ich meine Mode nicht auch in ausgewählten Geschäften verkaufen soll. Die Galeries Lafayette haben bereits angefragt, und in Niederkorn wird in diesem Jahr eine neue Shopping Mall eröffnet. Mal sehen, da ergeben sich so einige Möglichkeiten. Ich mache momentan aber alles allein, so dass das Ganze etwas Zeit braucht. In Luxemburg sind die Leute ja allgemein motiviert und innovativ, so in dem Sinne, 'wir denken über 7.000 Sachen gleichzeitig nach, die man tun könnte', und da bin ich nicht anders."
Nah bei den Leuten
Die berufliche Karriere von Tessy Antony de Nassau hat aber in der Armee angefangen, in die sie, die in der Schule zuvor Buchhaltung gelernt hatte, mit 17 Jahren eingetreten ist. Eher durch Zufall, wie sie sagt. "Das hat sich so ergeben. Meine Schwester war in der Armee, und mein Zwillingsbruder war gerade dabei, auch zu gehen. Als ich dort angefangen haben, da waren wir einige Mädchen, aber ich war die Einzige in meiner Session, die bis zum Schluss durchgehalten hat. Zur KFOR-Mission im Kosovo, für die ich mich freiwillig gemeldet habe, wollte man mich jedoch zuerst nicht mitnehmen, weil sie einer Frau einen derartigen Einsatz nicht zumuten wollten. Als ich dann aber den Lastwagenführerschein gemacht hatte, da mussten sie mich mitnehmen, weil sie zu der Zeit in meiner Gruppe keinen anderen hatten, der so einen Führerschein hatte."
"Leute, die in Luxemburg in der Öffentlichkeit stehen, haben mit Neid zu kämpfen."
Tessy Antony de Nassau
Zu diesem Zeitpunkt war Tessy Antony de Nassau erst 18 Jahre alt. "Die Mission war superinteressant. Ich habe viele Leute kennengelernt, aber natürlich auch Sachen gesehen, die nicht so schön waren. Vor allem aber wurde mir bewusst, dass wir Frauen so einige Qualitäten haben, die in Kriegsgebieten gebraucht werden. Auch wegen der Frauen und der Kinder, die dort leben. Weil das Letzte, was diese Frauen und Kinder sehen wollen, das ist ein Mann, denn viele Sachen, die ihnen passiert sind, die kommen von Männern. Als die Frauen mich gesehen haben, waren sie wirklich froh, und das haben sie mir auch gesagt. Nicht zuletzt wegen dieser Erfahrungen setze ich mich immer noch für Frauen ein."
Wie Tessy Antony de Nassau unterstreicht, sei sie immer ein Mensch gewesen, der, wenn er etwas angefangen habe, das auch gerne fertig gemacht habe. "All diese Möglichkeiten, die ich bekommen habe, das sehe ich als Privileg. Man soll alles probieren, und wenn es nicht funktioniert, dann hat man an Erfahrung gewonnen. Das ist meine Lebenseinstellung."
Für die Armee arbeite sie hin und wieder immer noch. Unter anderem, um mehr Frauen für die Armee zu interessieren, auch in der Schweiz und in Großbritannien, wo ihre Söhne Gabriel und Noah im Internat sind, und wo sie immer noch ein Haus hat.
"Gabriel hat seinen Führerschein ebenfalls im Militär gemacht, das ist so eine Tradition in der Familie. Er hat dort auch die Mechanik gelernt, so wie ich damals ebenfalls. Das hat mir viel geholfen. Wenn irgendwas mit dem Auto ist, dann kann man sich selbst helfen."
Tessy Antony de Nassau hat übrigens noch drei Geschwister, einen älteren Bruder, eine ältere Schwester sowie einen Zwillingsbruder. "Mein älterer Bruder hatte ebenfalls einen Zwillingsbruder, aber der ist leider kurz nach der Geburt gestorben."
In diesem Zusammenhang erwähnt sie, dass auf Wikipedia viele Sachen stehen würden, die richtig seien, aber auch viele Sachen, die nicht richtig seien. "Bei uns Frauen ist auf Wikipedia ja vieles auf unser Privatleben ausgerichtet. Man kann hier zum Beispiel einen riesigen Abschnitt über meine Scheidung lesen. Wir Frauen werden sowieso immer gerne in Schubladen gesteckt."
Wir kommen natürlich trotzdem nicht umhin, die frühere Prinzessin auf genau das anzusprechen, nämlich auf ihr Privatleben und ihre Ehe mit Prinz Louis, dem dritten Sohn von Großherzog Henri und Maria Teresa, mit dem sie zwei Söhne hat, Prinz Gabriel und Prinz Noah.
"Das mit Louis war Liebe auf den ersten Blick. Er hat seinen Führerschein auch in der Armee gemacht, und es war damals an mir, seine Sehkraft in einem Augentest zu kontrollieren. Das war in Luxemburg, da war ich schon aus dem Kosovo zurück. Wir haben uns direkt supergut verstanden. Wir haben fünf Stunden pro Tag telefoniert und haben uns sogar Faxe geschickt, da gab es noch kein WhatsApp. So ging das los."
Dass Tessy Antony de Nassau wegen ihrer Liebe zu Prinz Louis auch angefeindet wurde, ist ein offenes Geheimnis. "Es war nicht immer einfach, aber so ist das nun mal: Leute, die in Luxemburg in der Öffentlichkeit stehen, haben mit Neid zu kämpfen, und nicht nur die Frauen. Wenn man nah bei den Leuten ist, was ich bin und was ich auch sein will, dann macht man sich verletzlich. Dann glauben die Menschen, sie könnten Grenzen überschreiten, und dann nehmen sie sich mehr heraus, als wenn man reservierter ist, aber ich denke mir, dass verschiedene Leute es einfach nicht besser wissen. Die Regenbogenblätter lese ich gar nicht. Für so was habe ich wegen meiner Kinder und meiner Arbeit sowieso keine Zeit."
"Ich glaube Gabriel und Noah haben einen speziellen Platz in den Herzen der Luxemburger. Es sind moderne Prinzen, die ihr Land und ihre Familien lieben."
Tessy Antony de Nassau
Ihren Tag beginnt die 39-Jährige frühmorgens mit einem Fitnesstraining. "Danach habe ich keine Zeit mehr. Ich muss zuerst nach mir schauen, sonst funktioniert alles andere nicht. Ich mache auch deshalb Sport, weil ich im Militär einen schweren Unfall hatte. Ich habe mich fünf Mal mit dem Hummer überschlagen, was zu Rückenproblemen führte. Wenn ich Sport mache, dann fühle ich mich besser und habe keine Schmerzen."
Tessy Antony de Nassau ist eigenen Angaben zufolge hierzulande auch schon einige Male gefragt worden, ob sie sich politisch engagieren wolle. "Das hat mich immer interessiert, und es ist auch nichts, was ich in Zukunft ausschließen würde, aber im Moment ist das nicht möglich – auch weil ich nicht hier wohne. Ich bezahle meine Steuern in der Schweiz und in England. Man weiß aber nie, was die Zukunft bringt. Mein Vater war ja auch in der Politik. Er war für die LSAP im Differdinger Gemeinderat und hat sich immer für die Menschen eingesetzt. Deshalb bin ich auch, wie ich bin, nah bei den Leuten, um diesen nach Möglichkeit zu helfen, wobei ich, wenn ich einem helfe, das meistens abseits der Öffentlichkeit tue."
In diesem Zusammenhang erwähnt sie, dass sie sieben Jahre lang als Traumapsychologin beim GSP (Groupe de Support Psychologique) tätig war. "Ich war bei Unfällen dabei, wenn einer gestorben ist. Diese Aufgabe habe ich in einem zweijährigen Kursus bei der Protection Civile (der heutige CGDIS) gelernt, und mit einem Examen abgeschlossen."
"Ich vermisse Luxemburg jeden Tag"
Tessy Antony de Nassau hat auch einen Bachelor in internationalen Beziehungen. Ihre diesbezügliche These befasst sich mit dem Aufstieg des Nationalismus, und hier insbesondere mit der rechtsextremen Partei Goldene Morgenröte in Griechenland. Für ihre Masterthese über den biologischen Terrorismus arbeitete sie derweil unter anderem am Luxembourg Institut of Health. Sie ist indes immer noch dabei, ihr Doktorat in Alternativmedizin fertigzustellen.
"Wir haben auch in den USA gelebt, wo ich Medizin studiert habe. In Florida habe ich innerhalb von drei Monaten meine High School nachgeholt, ehe ich einen GED-Test gemacht habe, um auf die Universität gehen zu können. Das war krass, auch weil die Kinder noch klein waren, aber ich habe es geschafft, und darauf bin ich immer noch stolz."
Wir fragen Tessy Antony de Nassau dann auch noch, ob sie denn manchmal Luxemburg vermisse, da sie ja in Zürich lebe. "Ich vermisse Luxemburg jeden Tag, bin aber, wenn es sich nur einrichten lässt, ein- bis zweimal im Monat in meiner Heimat. Ich komme immer mit dem Auto. Mit einem Kleinkind ist das einfacher, und dann habe ich ja auch noch einen Hund. Mit dem Auto bin ich auch in Luxemburg flexibler. Meine Großmutter wohnt im Norden, und ich bin sehr eng mit meiner Familie verbunden."
"Ich glaube, dass ich glücklich bin, und zwar in der Hinsicht, dass ich immer zufrieden bin mit dem, was ich gerade habe."
Tessy Antony de Nassau
Tessy Antony de Nassau kommt aber auch deshalb des Öfteren nach Luxemburg, weil sie hier in einigen Verwaltungsräten ist, so unter anderem im Verwaltungsrat der Elisabeth-Stiftung sei, die im sozialen Bereich tätig ist. "Das ist für mich so was wie das Rückgrat von Luxemburg. Ich bin ganz stolz darauf, hier dabei sein zu dürfen. Das ist eine superwichtige Organisation."
Zudem hatte sie eine Sendung auf RTL Télé Lëtzebuerg, in der sie Menschen interviewte, die sich für unser Land einsetzen." Ich nannte sie die unsichtbaren Helden, über die man sonst nichts oder nur wenig hört, Leute, die unsere Gesellschaft zusammenhalten."
Zur großherzoglichen Familie hat die frühere Prinzessin, die nach ihrer Scheidung ihren Titel verlor, freilich immer noch Kontakt. "Für meine Söhne Gabriel und Noah ist es wichtig zu wissen, dass ich da bin und mich auch gut mit ihrem Vater verstehe. Das ist ja auch normal. Kinder wollen, wann immer möglich, sehen, dass die Eltern sich verstehen und sich gegenseitig respektieren. Ich glaube Gabriel und Noah haben einen speziellen Platz in den Herzen der Luxemburger, auch weil sie das Volk repräsentieren, durch mich und durch meine Familie. Es sind moderne Prinzen, die ihr Land und ihre Familien lieben."
Tessy Antony de Nassau, die sich für zahlreiche soziale Projekte engagiert, ist seit 2016 als Botschafterin für UNAIDS unterwegs und wurde im letzten Jahr wegen ihres philanthropischen Engagements mit dem Sino Peace Prize auf den Philippinen gewürdigt, nachdem sie zuvor bereits Leader of the Year der Leadership Academy in Luxemburg und Women of the Decade des Women Economic Forum in London wurde.
Mit ihren Theodor & Grace-Büchern (Theodor heißt ihr 2021 geborener Sohn) ist sie inzwischen zudem eine erfolgreiche Kinderbuchautorin. "Die Idee zu den Büchern ist mir bereits gekommen, als ich mit Gabriel schwanger war. Ich wollte ihm etwas schenken, so dass er immer weiß, dass er Luxemburger ist. Er wurde ja seinerzeit in der Schweiz geboren. Noah wurde dann in Luxemburg geboren. Ich hatte dieses Projekt also ständig im Kopf, aber erst Jahre später realisiert. Als Theodor auf die Welt kam, habe ich mir gesagt, wenn Du es jetzt nicht machst, dann machst Du es nie, und dann ist es auch nicht mehr authentisch."
Ihr Buch Theodor & Grace entdecken Zürich ist jetzt in den Geburtsstationen der größten Krankenhäuser in Zürich zu finden. "Das ist ein schönes Geschenk für junge Familien, weil man viel über die Stadt lernt, wo das Kind geboren wird. Ich hoffe, dass ich meine Bücher auch in Luxemburg in die Spitäler bringen kann. Das wäre superschön. Dann könnte ich ein Stück Luxemburg mit den Neugeborenen und deren Familien teilen."
Ihr jüngster Sohn Theodor sei Schweizer, aber auch Luxemburger. "Ich will, dass er weiß, dass Luxemburger zu sein auch seine Identität ist. Mit Theodor rede ich zu Hause übrigens nur Luxemburgisch, mit meinen beiden anderen Söhnen ebenfalls", und man merkt ihr an, wie unglaublich stolz sie auf ihre drei Söhne ist.
Wir fragen dann auch, wie sie auf Theodor gekommen sei, was ja eher ein altmodischer Name sei. Der Name gehe auf den Großvater ihres Mannes Frank Floessel zurück, nämlich Theodor Wasserrab, der Universitätsprofessor an der Universität Aachen und ein bekannter Forscher in Sachen Stromrichtertechnik gewesen sei. "Mein Mann, der Deutscher ist und in der Schweiz eingebürgert wurde, stand seinem Großvater sehr nahe."
Tessy Antony de Nassau ist auch sehr aktiv auf Social Media. "Das macht mir Spaß. So kann ich mich mit den Leuten verbinden. Ich erhalte dort viele Nachrichten von Luxemburgern, die mich auf diesen Kanälen um Rat oder um Hilfe fragen."
Letzte Frage: Und was müsste in Luxemburg besser gemacht werden?
"Das müssen sie die Politiker fragen. Deren Aufgabe ist es, sich für unser Land einzusetzen, so wie auch die großherzogliche Familie. Leider haben wir in Luxemburg aber auch viel Armut und Obdachlosigkeit. Das ist ein großes Problem. Es gibt in Luxemburg ebenfalls Working Poor. Das dürfte in einem so reichen Land nicht vorkommen. Ich habe in der Vergangenheit übrigens viel mit der Stëmm vun der Strooss zusammengearbeitet."
Zum Schluss wollen wir dann auch noch von ihr wissen, ob sie glücklich sei und ob sie das Gefühl habe, angekommen zu sein.
"Ich glaube, dass ich glücklich bin, und zwar in der Hinsicht, dass ich immer zufrieden bin mit dem, was ich gerade habe. Angekommen bin ich aber sicher nicht. Ich bin erst 39 Jahre und werde in diesem Jahr 40. Ich bin also noch viel zu jung, um zu behaupten, ich sei angekommen. Mal sehen, was die Zukunft noch alles bringt. Man ist glücklich, wenn man sich selbst glücklich macht. Man kann nicht von anderen Leuten erwarten, dass diese einen glücklich machen. Das funktioniert nicht."
Da hat sie natürlich recht. Tessy Antony de Nassau ist jedenfalls eine richtige Powerfrau, und dazu noch supersympathisch und blitzgescheit. Man darf gespannt sein, was sie in den nächsten Jahren noch so alles machen wird …