75 Jahre im Leben des Journal

Von Camille FratiLex KlerenMisch Pautsch Für Originaltext auf Französisch umschalten

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Das lange Leben des Lëtzebuerger Journal, war lange kein ruhiges. Allen Prognosen zum Trotz, überstand die Zeitung mehrere Krisen, bevor sie im Internet ein neues Leben fand.

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Das Lëtzebuerger Journal erreicht im Jahr 2023 das ehrwürdige Alter von 75 Jahren. Zwar wirkt das Medium immer noch jung im Vergleich zu den beiden historischen Tageszeitungen, die schon lange vor seiner Geburt existierten: Das Luxemburger Wort blickt auf 175 Jahre und das Tageblatt auf 110 Jahre zurück. Aber wie diese, hat es die großen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts in der Welt und in der Presse miterlebt und durchlebt, wenn auch mit weniger Mitteln. Ein ehemaliger Journalist des Journal, Nic Dicken, drückte dies in einem Artikel des Kulturmagazins Ons Stad vom Dezember 2014 – die Ausgabe war den Medien gewidmet – sehr treffend aus: "Der Weg des Lëtzebuerger Journal seit dem 5. April 1948 zeigt, dass man auch ohne massive Geld- oder Personalressourcen, sondern mit viel Engagement, Einsatz und Herzblut eine Tageszeitung am Leben erhalten, weiterentwickeln und ständig neu erfinden kann." Übrigens ist die Zeitung das Ergebnis der Vernunftehe zweier Tageszeitungen: der Obermoselzeitung und der D'Unio'n, die mit dem Ziel der wirtschaftlichen Rationalisierung zusammengeführt wurden.

Zwei Verlobte mit unterschiedlichen Hintergründen

  • Die Obermoselzeitung, 1881 in Grevenmacher geboren, "hat liberale Sympathien, ist aber kein Parteiorgan", kommentiert Romain Hilgert, ehemaliger Chefredakteur des Lëtzebuerger Land und Autor des Opus Les journaux au Luxembourg 1704-2004 im Auftrag des Informations- und Pressediensts der Regierung. Damals waren Redaktionen und Druckereien eng miteinander verbunden und die Zeitungen drückten die Positionen derer aus, die sie druckten. So wollte Josef Essel, der Drucker aus Grevenmacher, der die Obermoselzeitung übernahm, aus ihr eine unabhängige, unpolitische Zeitung machen, die auf beiden Seiten der Mosel vertrieben wurde. "Die Obermoselzeitung darf sich nicht an Partei- und Meinungskämpfen beteiligen und umso weniger Reibereien und Meinungsverschiedenheiten austragen, sondern sie wird objektiv und leidenschaftslos informieren sowie alle Extreme vermeiden", heißt es in der ersten Ausgabe.

    Die 1920er und 1930er Jahre waren für die Tageszeitung mit einer Auflage von rund 17.000 Exemplaren eine gute Zeit. Sie berichtete über Weinbau, Landwirtschaft, Industrie und Handel – und einmal pro Woche über Politik. Da die Besatzer die Zeitung für zu anti-nazistisch hielten, wurde sie 1940 verboten und ihr Direktor, Paul Faber, verhaftet. Nach einigen Tagen wurde die Zeitung vom Dienst aus Deutschland wieder herausgegeben und zwischen 1942 und 1945 wegen mangelnder Leserschaft eingestellt.

  • Die Unio'n war ihrerseits ein reines Produkt des luxemburgischen Widerstands – sie war das Organ der Unio'n, einer politischen Organisation, die von einer Gruppe von Widerstandskämpfer*innen gegründet worden war, die bei der Befreiung einen Teil der Macht übernommen hatten und auch nach der Rückkehr der Regierung aus dem Exil eine Rolle spielen wollten. Die Zeitung konzentrierte sich auf die Themen, die nach dem Krieg in Mode waren: die Neugestaltung des öffentlichen Lebens, die Pflege der Sprache und die Denunziation von Kollaborateur*innen. Ihr Motto: "Letzeburg de Letzeburger!" (Luxemburg den Luxemburgern) und "Ech déngen der Hémecht!" (Ich diene dem Vaterland), die Jean l'Aveugle zugeschrieben wurden.

    Die Wochenzeitung, die unter dem Namen Tageszeitung der Resistenz - Volkszeitung für ein demokratisches Luxemburg zur Tageszeitung wurde, wurde in der Anfangszeit sogar auf Luxemburgisch verfasst, was das Verfassen der Artikel – Nachrichten aus dem Ausland mussten übersetzt werden – und auch den Satz erschwerte. Die deutsche Sprache gewinnt dann 1947 wieder die Oberhand. Vor allem aber braucht die Unio'n eine Druckerei und neuen Schwung. "Nach den ersten euphorischen Monaten der Befreiung hatte sich das Interesse an der Unio'n verflüchtigt", kommentiert Hilgert. Die liberalen Widerstandskämpfer*innen, die sich im Groupement patriotique et démocratique (Vorläufer der DP) zusammengeschlossen hatten – "eine neue Partei, um vergessen zu machen, dass sich mehrere Mitglieder der alten liberalen Partei der souveränistischen Partei angeschlossen hatten, die der Besatzungsmacht nahestand", so Hilgert – wollten ein solideres Organ, um ihre Ideen zu unterstützen und zu verbreiten. An ihrer Spitze: Lucien Dury, Widerstandskämpfer, Abgeordneter und Vorsitzender des Groupement, der die Chefredaktion der neuen Tageszeitung übernehmen wird.

Die beiden Zeitungen fanden also gemeinsame Interessen – eine eigene Druckerei und die Hoffnung, ihre jeweiligen Leserschaften zu addieren – und gründeten die Imprimerie de l'Est in Grevenmacher. Die Redakteure der Unio'n schließen sich der Obermoselzeitung an, deren Nummerierung das Lëtzebuerger Journal fortsetzt. "67 Jahre lang kam die Obermoselzeitung in die Häuser, sie war der Freund des Mannes und der Frau, des Sohnes und der Tochter", heißt es in dem Brief an die Leser*innen am letzten Erscheinungstag der Obermoselzeitung am 3. April 1948. "Sie hatte jedem etwas zu sagen, jede Ausgabe brachte eine Fülle von Unterhaltungsthemen, berichtete über die Geschehnisse in der großen Welt und über alle Ereignisse in der kleinen Heimat. Aber eines gab es in unserer Zeitung noch nicht: Artikel, deren Inhalt mit der Parteipolitik abgestimmt war. Mit dem nächsten Montag findet in dieser Hinsicht eine Änderung statt."

"[Das Lëtzebuerger Journal] ist eine luxemburgische Tageszeitung, die für das Wohl aller Kinder dises (!) Landes eintreten will, genau wie die beiden Ahnen es gewohnt waren."

Erklärung des Lëtzebuerger Journal bei seinem Erscheinen

Die Unio'n ihrerseits beruhigt ihre Leser*innen: "Wir werden wie bisher die Zeitung aller guten Luxemburger sein, besonders jener, die in den Jahren der Besetzung durch ihre Resistenz der Heimat treu gedient haben."

Der Name Lëtzebuerger Journal ist nicht zufällig gewählt: Er ist die luxemburgische Übersetzung der Luxemburger Zeitung, der großen liberalen Tageszeitung, die zwischen 1868 und 1941 die Presse beherrschte. "Sie war das Sprachrohr der Stahlindustrie, der wichtigsten Industrie des Landes – und das ist auch ein bisschen der Grund für ihren Niedergang", erklärt Hilgert. "Sie war in den 1930er Jahren verpönt, denn da die Stahlindustrie viel mit Deutschland arbeitete, unterstützte sie die Handelspolitik mit Nazi-Deutschland." Daher überlebte sie den Zweiten Weltkrieg nicht und "es war unmöglich, sie nach der Befreiung neu zu gründen".

In seiner ersten Ausgabe stellte sich das Journal als "eine luxemburgische Tageszeitung, die für das Wohl aller Kinder dieses Landes arbeiten will, genau wie es seine beiden Vorfahren gewohnt waren", mit dem Motto "Vaterland und Demokratie" vor.

Der neue Pressetitel wird von seinen Konkurrenten kühl aufgenommen. "68 Jahre und fünf Jahre ergeben zusammen einen Tag", ironisiert das Tageblatt in einem kurzen Text, der zwischen den Sozialwahlen bei den Ponts et Chaussées und den Unruhen in Palästina eingeschoben ist. Weiterhin verspottet es die Erwähnung des Journal bei der DP: "Unsere Zuneigung gilt allen, die auf demokratischer Grundlage die Staatsgeschäfte lenken wollen." Für das Tageblatt handelt es sich um "Menschen mit weitem Herzen, engem Horizont und kurzen Beinen. Wer zu viel küsst, umarmt schlecht". Das Luxemburger Wort, das ein Jahrhundert zuvor entstanden ist und vom Erzbistum geleitet wird, kommentiert seinerseits: "Die einzige unabhängige Zeitung des Landes kippt ihrerseits in die politische Arena. […] Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass es in einer so entscheidenden Zeit wie der unsrigen weder einem verantwortlichen Individuum noch einer Zeitung möglich ist, auf Dauer politisch neutral zu sein."

Die Stimme der Liberalen

Das junge Journal hatte bereits in den ersten Monaten seines Bestehens mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Im Jahr 1949 wurden seine Büros in Luxemburg und Esch-sur-Alzette geschlossen. Es etablierte sich als Parteiorgan und veröffentlichte Protokolle der Sektionsversammlungen des Groupement démocratique und Verlautbarungen der Partei. Im Juni 1948 gab die DP-Fraktion in der Chamber im Journal ihren Beschluss bekannt, die Erweiterung der Regierungsmehrheit zu unterstützen. In den Leitartikeln des Chefredakteurs Camille Linden, der selbst Mitglied der DP war, wurden die anderen Parteien und ihre Zeitungen verunglimpft. So schrieb er am Vorabend der Parlamentswahlen von 1951: "Die Luxemburger haben die Wahl zwischen Liberalismus und Sozialismus, der ein erster Schritt zur Wiedereinführung der Sklaverei ist."

Als leidenschaftlicher Mensch "durfte er unter keinem Vorwand gestört werden", erinnert sich die ehemalige Journalistin Liliane Thorn-Petit in ihrem Zeugnis, das sie anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Journal 1998 veröffentlichte. Und die Verteidigung der DP wurde von den Journalist*innen auf den politischen Seiten erwartet. "In der Abgeordnetenkammer musste man die Redebeiträge der Abgeordneten notieren, vor allem natürlich der liberalen Partei, da die Kollegen der christlich-sozialen und der sozialistischen Partei demonstrativ den Stift fallen ließen, sobald nicht ihre Abgeordneten die Tribüne besetzten."

 

Ende der 1950er Jahre hatte die Zeitung 4.000 Abonnenten – nicht genug nach Ansicht der DP, die sich Sorgen um die Wahlen 1959 machte. Die Partei organisiert den ersten Relaunch der Tageszeitung und setzt den ehemaligen Widerstandskämpfer Henri Koch-Kent, der kein Parteimitglied war, in der Geschäftsführung ein. Obwohl er die Idee hatte, die Leserschaft des Journal und damit das Publikum der DP zu vergrößern, gelang ihm dies nicht, zweifellos aus Mangel an Mitteln.

In den 1960er Jahren tauchten erneut ernsthafte finanzielle Probleme für das Lëtzebuerger Journal auf. Der Unternehmer Jean Peusch hatte die Aktien der Familie Faber übernommen und beschloss, das Journal in Luxemburg drucken zu lassen. Der Verleger kaufte das Grundstück einer ehemaligen Garage in der Rue Adolphe Fischer und richtete dort die brandneue Imprimerie Centrale ein. Auch die Redaktion zog von Grevenmacher nach Luxemburg. Ein doppelter Umzug, der das Journal praktisch umbrachte. "Das Journal hatte den Eindruck, dass die Imprimerie Centrale ihm viel zu hohe Druckkosten in Rechnung stellte", kommentiert Hilgert. "Das hat das Journal ruiniert." Nicht zu vergessen die Aktien der Druckerei, die das Journal eigentlich zurückerhalten sollte, die aber auf mysteriöse Weise in den folgenden Bilanzen verschwanden. Und auch die Leserschaft zog nicht mit, da sie sich nicht mehr mit einer Zeitung identifizierte, die weit weg von der Mosel gedruckt wurde.

"[Nach dem Fall Wolter] richtete sich ein ganzes juristisches Arsenal gegen das Journal und insbesondere gegen Rob Roemen."

Claude Karger, ehemaliger Chefredakteur des Journals

Im Februar 1964 stellte das Journal sein Erscheinen ein. 38 Tage lang produzierten die Journalist*innen eine Phantomzeitung, schrieben weiter, nur um zu sehen, dass ihre Artikel jeden Abend in den Müll geworfen wurden. Doch aus dieser existenziellen Krise erwächst ein Bewusstsein: Nicht nur die Abonnentinnen und Abonnenten und die Mitglieder der DP protestieren, sondern das Schweigen des Journal wird auch in der breiteren Zivilgesellschaft bemerkt und beklagt. "Dies hatte unerwartete Folgen, die wir in diesem Ausmaß nicht erhofft hatten", bezeugte Lucien Dury 1995 in der Bachelorarbeit einer Journalismusstudentin an der Freien Universität Brüssel. "Plötzlich wurde uns das Problem bewusst, dass wir nicht einfach auf das Journal verzichten konnten." Der Journalist Jos Anen einigt sich mit der Druckerei und denkt sich eine weitere Einnahmequelle aus, die die Finanzen des Journal entlasten wird: die gesetzlichen Anzeigen von Unternehmen.

"Das war ein bisschen das Geheimnis des Journal: Es umfasste drei oder vier Seiten mit Bekanntmachungen von obskuren Gesellschaften", rutscht Hilgert heraus. "Eigentlich verlangt das Gesetz, dass die Bekanntmachungen von Hauptversammlungen von Gesellschaften oder auch deren Kapitalerhöhungen in mehreren Presseorganen veröffentlicht werden. Irgendwann entdeckte das Journal, dass es die Preise unterbieten konnte, weil seine Auflage geringer war. Die Unternehmen schalteten ihre Anzeigen bei ihm, weil es billiger war." Ein Trick, der dem Journal "einen Neuanfang" bescherte, wie es bei seiner Rückkehr in die Briefkästen am 24. März 1964 verkündete – was im Lëtzebuerger Land Skepsis hervorrief: "Das Journal hat seinen zaghaften Wiedereintritt in die Welt der luxemburgischen Presse vollzogen. Hat es wieder Kraft und Stärke erlangt, oder handelt es sich nur um ein provisorisches und künstliches Überleben, die recht nahe Zukunft wird es uns lehren." Das Journal ist wieder auf Kurs, aber es sind vor allem die Presseförderung, die 1976 von der DP-LSAP-Regierung eingeführt wurde, um die Konkurrenten des hegemonialen Wort zu unterstützen, und die Zunahme von Werbeanzeigen, die das Blatt über Wasser halten.

In den 1970er Jahren wechselte die Aktionärsstruktur des Journal zur DP. Bis dahin hatten die Druckereien den größten Teil des Aktienkapitals besessen. Die Aktien der Familie Peusch wurden an den gemeinnützigen Verein Centre d'études Eugène Schaus verkauft, der ausschließlich aus DP-Mitgliedern bestand. Die Partei hat also die Hand über die Verwaltung des Journal und auch den Willen, unter dem Vorsitz von Paul Beghin zu handeln – was bei seinem Vorgänger Gaston Thorn nicht der Fall war.

Auf der Suche nach einer größeren Leserschaft berief die Leitung des Journal mit Jean Nicolas einen neuen Chefredakteur ein, der Auslandskorrespondent*innen einstellte – was den Finanzen der Zeitung nicht guttat – und versuchte, die redaktionelle Linie des Journal in Richtung Scoops und Sensationalismus (Zutaten für seine spätere Publikation) zu lenken. Nach zwei Jahren wurde er entlassen, weil er parallel zu seiner Tätigkeit beim Journal eine Regionalzeitung ins Leben gerufen hatte.

Ende der 1970er Jahre warfen die Finanzen des Journals erneut einen Schatten auf sein Fortbestehen. Henri Grethen, der zum geschäftsführenden Direktor der Editions Lëtzebuerger Journal ernannt wurde, setzte eine strikte Finanzverwaltung durch, um das Schiff vor dem Sinken zu bewahren. Er verzichtet auch auf die Montagsausgabe, die in den luxemburgischen Medien wichtig war, da sie die Nachrichten des Wochenendes und insbesondere die Sportergebnisse veröffentlichte. Grund dafür war die Änderung des Zeitplans der Post. Diese verlegte die Abholung der Zeitungen für die Verteilung um zwei Stunden nach vorne, wodurch die Druckerei gezwungen gewesen wäre, nicht am Montagmorgen, sondern am Sonntagabend zu arbeiten, wobei die Überstunden für die Arbeiter*innen doppelt bezahlt wurden. Diese zusätzlichen Kosten konnte sich die Zeitung nicht leisten – auch auf die Gefahr hin, noch mehr Leser*innen zu verlieren und Spott zu ernten (Jean-Claude Juncker machte sich bei seinen wöchentlichen Briefings über "die Zeitung, die montags nicht erscheint" lustig).

Ein Unterschied, der gepflegt werden muss

Trotz der anhaltenden finanziellen Schwierigkeiten erlebte das Journal in den 1980er Jahren einen Aufschwung unter der Leitung von Rob Roemen, der seit 1975 als Journalist tätig war und 1985 zum Chefredakteur befördert wurde. Er brachte Ordnung in die Seiten des Blattes und führte übersichtlichere Rubriken ein. Das Journal wird selbstbewusster und gibt 1983 die Nummerierung der Obermoselzeitung auf, um zu ihrer Entstehung im Jahr 1948 zu stehen. Im 35. Jahr ihres Bestehens wird die Zeitung kostenlos in Tausende von Briefkästen verteilt, damit möglichst viele Menschen die Früchte ihres Relaunchs entdecken können. So werden mehrere Monate lang einmal pro Woche 43.000 Exemplare gedruckt – eine Rekordauflage für die bescheidene Tageszeitung.

"Seit Jahren haben sich die Redaktion und die Mitarbeiter bemüht, die Qualität dieser Zeitung zu steigern", sagt Rob Roemen in seinem Leitartikel vom 8. November 1983. "Wir glauben, dass uns dies besser gelungen ist, als wir selbst zu hoffen gewagt hatten. Der zweite Schritt sieht die Erweiterung des Leserkreises vor, ein Schritt, der jetzt eingeleitet wird." Das Journal beansprucht nun, sich von anderen Zeitungen zu unterscheiden – vor allem in Bezug auf die Themen, die behandelt werden. "Das Lëtzebuerger Journal wird nach und nach zu einer unverzichtbaren Zeitung für Menschen, die auch über solche Dinge informiert werden wollen, die für andere tabu sind", schreibt Roemen noch 1985, als das Luxemburger Wort die sehr konservative Gesellschaftsauffassung seines Aktionärs, des Erzbischofsturms, vertrat.

Romain Hilgert

Rob Roemen, ein glühender Verfechter und Speerspitze der DP in seinen Leitartikeln, veröffentlichte auch einige donnernde Scoops: 1984 enthüllte er die geheimen Protokolle der Koalitionsverhandlungen zwischen CSV und LSAP. "Rob Roemen war von jungen, motivierten Journalisten umgeben. Die DP war gerade aus der Regierung ausgeschieden, und das Journal hatte noch Verbindungen in die Verwaltungen", kommentiert Hilgert. "Manchmal führten Informationen dazu, dass das Journal konsultiert wurde." Es war auch die Zeit, in der Rob Roemen und seine Journalist*innen ihre eigene Untersuchung über den Bommeleëer durchführten. Die Zentraldruckerei erhält daraufhin Drohungen und fordert sie auf, ihre Untersuchung einzustellen. 1990 sorgte das Journal erneut für Schlagzeilen, als es die Aussage des Ehemanns einer Anhängerin der sogenannten Sekte des Engels Albert veröffentlichte, die von einem Arzt angeführt wurde, der empfahl, Blut und Gemüse in Mahlzeiten zu mischen. Letzterem wird vom Ärztekollegium die Lizenz entzogen. Der Fall war dem Journalisten Roger Glaesener drei Prozesse wert, von denen er nur einen gewann.

Man muss dazu sagen, dass sich die Justiz zu dieser Zeit mehr als einmal mit den Artikeln des Journal befasst. Die Gesetzgebung schützt Journalist*innen und ihre Quellen so gut wie gar nicht. So kommt es, dass das Journal während der Wolter-Affäre mehrfach durchsucht wird. Rob Roemen hatte nämlich von einer Steuerstrafe erfahren, die die Verwaltung für direkte Steuern gegen den CSV-Minister Michel Wolter in seiner Funktion als Vorsitzender des Tennisclubs Bascharage verhängt hatte. "Die Affäre kam kurz vor den Wahlen auf", erinnert sich Claude Karger, der Journalist (1996 bis 2000) und später Chefredakteur (2005-2020) war. "In der Folge richtete sich ein ganzes juristisches Arsenal gegen das Journal und insbesondere gegen Rob Roemen. Es gab Hausdurchsuchungen, um herauszufinden, wer die Informationen an das Journal weitergegeben hatte. Der Fall wurde zum Meilenstein, denn er landete vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und Luxemburg wurde im Jahre 2003 verurteilt, weil es gegen die Pressefreiheit und das Recht der Presse, die Identität ihrer Informanten nicht preiszugeben, verstoßen hatte. Dieses Urteil führte zu einer deutlichen Stärkung des Schutzes von Informanten."

"Das Journal war so etwas wie eine Schule für Journalisten."

Romain Hilgert, ehemaliger Chefredakteur des Lëtzebuerger Land

Die Zeitung strebt in den 1980er Jahren danach, mehr als nur ein Parteiorgan zu sein. "Eine Zeitung kann nicht bestehen, wenn sie nur ein Presseorgan der Partei ist", meint Rob Roemen, der mit einer tief verwurzelten Tradition bricht: Wenn er über die DP schreibt, schreibt er nicht mehr "wir", sondern "die DP". Zur gleichen Zeit überarbeitet die DP ihre Satzung: Das Abonnement der Parteizeitung ist nicht mehr obligatorisch, sondern wird empfohlen. Die DP bleibt jedoch an den Schalthebeln der Macht. "Dem Lëtzebuerger Journal war es bisher immer gegönnt, an der Spitze seines Verwaltungsrates große Persönlichkeiten aus dem politischen und wirtschaftlichen Leben zu haben", betonte Gusty Graas 2008 in einem Artikel zum 60-jährigen Bestehen des Journal ("Standbein der liberalen Presse: 60 Jahre Lëtzebuerger Journal - ein historischer Abriss"). Es folgten Lucien Dury, Émile Hamilius, Gaston Thorn, Paul Beghin, Robert Wiget, Carlo Meintz, aber auch Colette Flesch, Henri Grethen, Finanzminister zwischen 1999 und 2004, Norbert Becker, ehemaliger Topmanager von Arthur Andersen und EY, Kik Schneider…

Eine Nähe, die jedoch nicht immer mit Affinität gleichzusetzen war. "Das politische Interesse am liberalen Blatt war schon immer größer beim Gegner als bei den eigenen Anhängern", stellte Rob Roemen in seinem Buch Aus Liebe zur Freiheit - 150 Jahre Liberalismus in Luxemburg fest. "Die Liberalen behandelten – als einzige politische Kraft – "ihre" Tagszeitung stets stiefmütterlich, ein in der Politik sehr seltenes und vor allem sehr unverständliches Phänomen." Romain Hilgert berichtet übrigens von einer grausamen Anekdote: "Die DP begann sehr schnell, das Journal zu verachten, weil es nicht mithalten konnte. Als er Premierminister war, brüstete sich Gaston Thorn damit, seiner Sekretärin zu sagen, dass sie das Lëtzebuerger Journal nicht auf sein Pult legen müsse."

Auch die anderen Medien haben das Journal immer etwas herablassend behandelt, "die Zeitung, die groß sein möchte", wie Elisabeth Haas, eine Journalismusstudentin der ULB, die ihre Bachelorarbeit dem Journal gewidmet hat, es nannte. Dennoch war das Journal eine gute Schule für die Journalist*innen, die mehr oder weniger lange dort arbeiteten. Eine Tageszeitung zu acht oder neun Personen herauszubringen, bei der jeder mit anpackt und mehrere Seiten betreut, bringt gute Fachleute hervor, während junge Journalist*innen in größeren Redaktionen oft nur wenig Verantwortung übernehmen. "Das Journal war so etwas wie eine Journalistenschule", bestätigt Hilgert. "Viele haben dort angefangen und sind relativ schnell zu anderen Titeln gewechselt. Sie wurden Journalisten oder sogar bekannte Politiker – und diese schämten sich ein wenig dafür, dass sie bei der Zeitung der Demokratischen Partei angefangen hatten." Karger ergänzt: "Es gab auch einen großen Unterschied zwischen den Gehältern beim Journal und z. B. beim Wort. In der Geschichte des Journals sind viele Schreiberlinge später beim Wort oder Tageblatt gelandet, weil sie dort mehr geboten haben."

So kam es, dass Robert Goebbels, der spätere Wirtschaftsminister, durch die Redaktion des Tageblatts ging. Er erinnert sich gerne daran, wie er 1998 auf den Seiten zum 50-jährigen Jubiläum der Zeitung schrieb: "Ich wollte ein Praktikum beim Tageblatt machen, aber es gab keine Stelle. Daraufhin habe ich mein Praktikum bei Willy Muller und Guy Binsfeld absolviert. Ich war so begeistert, dass ich auf der Schreibmaschine die Vertipper vervielfachte und sie nach mir wieder drüberlesen mussten, um zu korrigieren. Eine Woche nach meiner Einstellung beschwerte sich Paul Elvinger bei Jos Anen: 'Was für einen Kommunisten haben Sie denn da eingestellt?' Aber weder beim Journal noch beim Tageblatt wurde ich jemals nach meiner Parteizugehörigkeit gefragt. Ich weiß aus Erfahrung, dass selbst die Redaktionen politischer Zeitungen oft unabhängiger sind, als es den Politikern der gleichen Couleur lieb ist."

Andere Persönlichkeiten haben das Journal durchlaufen, wie Guy Binsfeld, Gründer des gleichnamigen Verlagshauses, der 1964 die 38 Tage der Geisterzeitung erlebte, oder Willy Muller, Pol Wirtz, Lucien Thiel, später Präsident der Vereinigung der Banken und Bankiers in Luxemburg (ABBL), Michel Raus, ein bekannter Kulturjournalist, der zu RTL Radio ging, in jüngerer Zeit Arne Langner, der schließlich den Journalismus verließ und in die Kommunikation von ArcelorMittal wechselte, Annette Welsch, die jetzt beim Wort ist.

Im Vorfeld des Internets

Die 1990er Jahre markieren für das Journal wie auch für seine Konkurrenten das Ende der Hegemonie der Printmedien, der Papierpresse, auch wenn nur wenige von ihnen hinter den sogenannten "neuen Medien" die digitale Revolution kommen sehen, die ihre Werbeeinnahmen austrocknen wird. Henri Grethen stellt einen jungen Luxemburger ein, der gerade aus Paris zurückgekehrt ist, wo er Journalismus studiert, für luxemburgische Tageszeitungen gearbeitet und sich vor allem mit der Entstehung des Internets befasst hat. Es handelt sich um Claude Karger, der fast zehn Jahre später die Nachfolge von Rob Roemen antreten wird. Das Journal setzt jedoch nicht sofort auf das Internet – natürlich aus Mangel an Mitteln, aber auch aus Unwissenheit über die Rolle, die das Internet später spielen sollte. "In den 2000er Jahren galt eine Website für Zeitungen als nice to have, dort machten sie Werbung für ihre Artikel, die in gedruckter Form erschienen waren", erinnert sich Karger. "Alle fingen an, im Internet richtig Gas zu geben, ohne sich zu fragen, wie viel Geld sie dafür bekommen würden. Erst in den 2010er Jahren wuchs das Bewusstsein und es wurden eigene Redaktionen für die Websites eingerichtet."

2001 zog die Redaktion in die Nähe der Imprimerie Centrale an der Ecke Rue Adolphe Fischer und Rue de Strasbourg um, wo sie bis 2020 blieb. Sie hat bis 2006 das Sekretariat des DP als Untermieter. In diesem Jahr gönnt sich das Journal ein Update, eine Änderung des Layouts und ein neues computergestütztes Layoutsystem. Der Schwerpunkt wurde auf die Lesbarkeit der Informationen gelegt. Alle zwei Monate wird ein Exemplar an 135.000 Haushalte im ganzen Land verschickt.

Fünf Jahre später versuchte das Journal, gezwungen durch die Ereignisse, einen tieferen Aufschwung. "Die Zentraldruckerei druckte nur das Journal und das Land, das war nicht mehr rentabel, und sie beschloss, den Rotationsdruck einzustellen", erinnert sich Hilgert. Als die Druckerei feststellen musste, dass sie in eine neue Rotation investieren musste – insbesondere, um Farbseiten in der gesamten Zeitung anbieten zu können –, zog sie es vor, das Handtuch zu werfen. Daraufhin ging die Zeitung eine industrielle Partnerschaft mit Editpress ein, dem Verlag von Tageblatt und Quotidien. Die beiden Verlage teilten sich daraufhin die Druckerei von Sommet in Esch-sur-Alzette.

Das Journal nutzt diesen Neuanfang, um sich ein neues Erscheinungsbild zu geben. Die blaue Farbe der DP ist verschwunden, der Titel des Journal erscheint nun in Schwarz. Claude Karger sagt es schwarz auf weiß: Das Journal ist kein Parteiorgan mehr. Auch wenn ihn bei der Pressekonferenz ein Mitglied der DP, Marc Hansen, geschäftsführender Direktor der Éditions Lëtzebuerger Journal, begleitet. "Wir hatten eine Reihe von Marktanalysen in Auftrag gegeben und haben das Journal auf dieser Grundlage neu ausgerichtet", kommentiert Karger. "Es gab eine gewisse Entwicklung, um von der Vorstellung wegzukommen, dass das Journal das offizielle Organ der DP ist. Andere Überlegungen spielten eine Rolle, wie die Sprachen oder die Präsenz im Internet." In einem Interview in der – inzwischen verschwundenen – Zeitung Le Jeudi erklärte der Chefredakteur, er wolle sich "bemühen, junge Leute und Nicht-Luxemburger zu erreichen". Ziel ist es, eine Leserschaft zu verführen, die auf dem Markt kaum vertreten ist.

"Eine Zeitung kann nicht bestehen, wenn sie nur ein Presseorgan der Partei ist."

Rob Roemen, Chefredakteur des Journal von 1986 bis 2005

Für Romain Hilgert war die Distanzierung von der DP ein Fehler. "Das war eine Lüge und ein katastrophaler Misserfolg. Das Journal wollte nicht mehr die Zeitung der Partei sein, weil es eine Klientel außerhalb der Partei finden wollte, was verständlich ist. Aber es war ein grundlegender Fehler, vor allem, da im Großherzogtum die Zeitungen hauptsächlich über Abonnements verkauft werden. Die durchschnittliche luxemburgische Familie abonniert eine Zeitung, nicht zwei oder drei. Für viele war es das Wort oder im Süden das Tageblatt. Das Journal war die zweite Zeitung der liberalen Familien. Sobald es nicht mehr das Organ der Partei war, sagten sich diese Familien, dass sie es nicht mehr unterstützen müssen."

Für Claude Karger hat sich der Relaunch jedoch gelohnt: "Wir haben unsere Wette gewonnen, indem wir neue Leser gewonnen haben." Das Journal, das wieder montags erschien und ab 2005 seine Seitenzahl erhöhte, sah seine Finanzen durch die Presseförderung aufgebläht.. Von 529.000 Euro im Jahr 2011 steigt die Presseförderung bis 2020 auf über 974.000 Euro. Doch die ersten Hochrechnungen der von der Gambia-Koalition ausgearbeiteten Reform der Presseförderung verdüstern den Horizont: Neben dem Quotidien ist das Journal das einzige Medium, das von dem neuen Mechanismus bestraft werden soll, der zur Vereinfachung nicht mehr auf die Anzahl der Zeilen, sondern auf die Anzahl der professionellen Journalist*innen ausgerichtet ist. Und 2020 kommt mit der Gesundheitskrise der Todesstoß: "Alles wurde wochenlang eingefroren: die offiziellen Anzeigen, die Werbebudgets der Inserenten, sogar die Anzeigen der Gemeinden", erinnert sich Karger. "Zum Glück hat die Regierung eine besondere Pressehilfe gezahlt."

Claude Karger

Im Juni 2020 kündigen die Verantwortlichen des Lëtzebuerger Journal das Ende der Tageszeitung als Papierzeitung und den Beginn einer neuen, ausschließlich digitalen Existenz an. "Unsere Zeitung hat schon seit längerem grundlegende Überlegungen zu ihrer Zukunft angestellt", geben Kik Schneider, Vorsitzender des Verwaltungsrats der Editions Lëtzebuerger Journal, und Claude Karger an. "Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass sich die Gewohnheiten ihrer Leserschaft, aber auch die Werbestrategien der Unternehmen ändern. Die Digitalisierung nimmt in diesen Gewohnheiten und Strategien einen immer größeren Anteil ein. Gleichzeitig wird die Produktion und Verbreitung einer gedruckten Tageszeitung immer teurer. Die Covid-19-Krise hat diese grundlegenden Trends noch einmal unterstrichen." Ein radikaler Wandel, der mit einer tiefgreifenden Veränderung innerhalb der Redaktion einhergeht – eine intern schmerzhafte Episode, die extern Kritik hervorrief.

Neues Medium, neue redaktionelle Linie: Das Lëtzebuerger Journal, das Sie seit fast drei Jahren kennen, hat sich die Mittel gegeben, um das gleiche Ziel zu verfolgen, das seine Vorgänger*innen anstrebten, indem es Themen anbietet, die seine Konkurrenten nicht oder kaum behandeln, dokumentierte Artikel, einen Journalismus, der sich vom Alltäglichen und den Mikroereignissen der heißen Nachrichten entfernt, um die grundlegenden Tendenzen und die realen Probleme des heutigen Lebens in einer konstruktiven Perspektive zu erforschen. Seit 2020 ist die Erwähnung des Journal endgültig aus der Satzung der DP verschwunden und ihre Administratoren, obwohl sie mehrheitlich DPler sind, haben keinen Einfluss auf die Arbeit der Journalist*innen.

Amüsant daran ist, dass diese digitale Wende ein Echo auf einen Artikel in der 50-Jahre-Beilage ist, in dem versucht wurde, sich die Zukunft vorzustellen, und der wie folgt begann: "Morgen werden Sie Ihr Lëtzebuerger Journal nicht mehr durchblättern". Und tatsächlich blättern Sie es nicht mehr durch, sondern scrollen seit drei Jahren auf einem Bildschirm dadurch.