Obwohl es für Abgeordnete heute einfacher sein sollte, eigene Gesetzesvorschläge zu machen, behandelt das Parlament hauptsächlich Entwürfe der Regierung. Dahinter steckt allerdings nicht nur eine Frage von Ressourcen. Eine Analyse.
Für ein Interview zu diesem Thema scheint Alex Bodry prädestiniert zu sein. Als langjähriger Minister und Abgeordneter (und heute Mitglied des Staatsrats) hat er den demokratischen Apparat aus allen Blickwinkeln kennengelernt. Zudem ist der Jurist ohnehin an institutionellen Themen und Gesetzgebungsprozessen interessiert. Der Zufall will es, dass sich Bodry schon einmal analytisch mit dem Initiativrecht des Parlaments befasst hat. Ins Interview, für das wir kurzerhand das Büro der LSAP-Fraktionsvorsitzenden kapern, hat er den Sammelband L'initiative de loi* mitgebracht.
Zwei Jahre nach seiner 1839 erlangten Unabhängigkeit wagt Luxemburg seine ersten parlamentarischen Gehversuche. Mit der "assemblée des Etats" gewährt die Verfassung von 1841 eine Art parlamentarische Versammlung mit eingeschränkten Befugnissen. Das Recht, Gesetzestexte zu formulieren, liegt allein beim Monarchen. Erst mit der Verfassung von 1848 und der Einführung einer konstitutionellen Monarchie ändern sich die Dinge. Artikel 47 und 48 besagten: "Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König Großherzog und durch die Kammer ausgeübt" und "Das Recht der Initiative steht jedem der beiden Zweige der gesetzgebenden Gewalt zu."
Doch auch wenn das parlamentarische Initiativrecht (das Recht, Gesetzesentwürfe ins Parlament einzubringen, siehe Infobox) im Großherzogtum eine lange Tradition hat, so war seine Ausübung doch über Jahrzehnte mit Hürden behaftet. Das zeigt ein Blick ins Chamberreglement aus dem Jahr 1872. Vorausschicken muss man, dass das Parlament damals in drei gleichgroße Sektionen aufgeteilt war. Die Mitglieder der Vorläufer der heute bekannten Kommissionen wurden ausgelost. Erst 1965 organisierte sich das Hohe Haus um in die heute bekannten thematisch spezialisierten und dauerhaften Ausschüsse für Arbeit, Familie oder Wirtschaft.
Zunächst musste also eine dieser Sektionen das Anliegen eines Abgeordneten unterstützen, bevor sein Autor den Text in öffentlicher Sitzung vorstellen konnte. Damit eine Diskussion zustande kommen konnte, mussten "mindestens fünf Abgeordnete den Vorschlag unterstützen", eine weitere Hürde also. Daraufhin fragte der Präsident die Abgeordneten, ob sie den Gesetzesvorschlag zurückbehalten oder vertagen bzw. der Ansicht seien, dass keine Beratung erforderlich sei. Zusätzlich sah die Geschäftsordnung des Parlaments über Jahrzehnte vor, dass Gesetzesvorschläge "nicht gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoßen dürfen". Eine Bestimmung, die erst 2009 gestrichen wurde.
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