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Die beiden Petitionen rundum queere Themen an Schulen sorgten für hitzige Diskussionen im luxemburgischen Parlament. Mit Desinformationen und alten Vorurteilen wird Stimmung gemacht – doch es gibt auch ein starkes Zeichen der Solidarität.
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"Wie sie wissen, gibt es nur zwei Geschlechter." Es ist der erste Satz, den der Co-Autor der Petition Steve Schmitz am Dienstagmorgen ins Mikrofon des Parlaments spricht. Schmitz ist ehemaliges ADR-Mitglied und verließ die Partei vor den Chamberwahlen 2023, nachdem er der Partei vorgeworfen hatte, von der Wahlliste im Nordbezirk ausgeschlossen worden zu sein. Er gründete daraufhin mit anderen Ex-ADR-Mitgliedern die Biergerpartei Lëtzebuerg, deren Präsident er heute ist. Das Selbstbewusstsein, mit dem er in seinen Interventionen im Parlament mehr als eine Falschinformation vor allen anwesenden Abgebordneten preisgeben wird, ist beachtlich. Doch es überrascht nicht wirklich. Nur eine Woche zuvor sagte der mächtigste Mann der Welt, der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, in seiner Amtsantrittsrede die gleichen Worte vor der ganzen Welt. Sie sind salonfähig geworden. Ob sie stimmen oder nicht, ist egal.
Die Geschlechterfrage
Marc Gerges, der die Gegenpetition eingereicht hatte, fragte sich zu Beginn seiner Intervention, wie es sich wohl für Menschen anfühlen muss, die sich als queer identifizieren, wenn eine Petition eingereicht wird, die die eigene Existenz leugnet. Beim Verfolgen der Diskussion im Parlament habe ich mich gefragt, wie es sich anfühlen muss, queer zu sein und die getätigten Aussagen in der Abgeordnetenkammer zu hören. Suizidstatistiken sprechen für sich. Der internationale Forschungsstand belegt, dass queere Jugendliche sich ohnehin schon weltweit vier- bis sechsmal häufiger versuchen, das Leben zu nehmen, als andere.
Steve Schmitz zitierte das letzte Editorial des Journal zur Petition, in dem ich geschrieben habe, dass "der Akt an sich, diese Petition zu unterschreiben, sehr wohl homophob und transfeindlich ist, ob man sich dessen bewusst ist, oder nicht". Schmitz lehnte das vehement ab. Er sei keines von beiden, schließlich habe er im Freundeskreis und der Familie selbst "solche Leute", wie er queere Menschen wiederholt bezeichnete. Das klingt verdächtig nach dem klassischen Argument: "Ich bin kein Rassist, ich habe einen schwarzen Freund." Warum das so nicht funktioniert, erklärt Andy Schammo in seiner Videochronik.
Zum Ende der Diskussion hin erreicht Steve Schmitz’ Argumentation ihren Höhepunkt. "Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendwelche Leute so angegriffen worden wären, dass irgendetwas Schlimmes passiert wäre", sagt er. Im Hintergrund wird die Unruhe deutlich hörbar und die Abgeordneten schütteln zum Teil den Kopf. "Es kann nicht sein, dass die Bösen die Heteros sind." Marc Baum (déi Lénk) bezeichnet diese Aussagen wenig später als "unerträglich", insbesondere 80 Jahre und einen Tag nach der Befreiung von Auschwitz. Zehntausende Männer wurden unter dem NS-Regime aufgrund ihrer Sexualität in Konzentrationslagern inhaftiert. Sie mussten meist einen Rosa Winkel auf ihrer Häftlingskleidung tragen, der sie nach dem Klassifizierungssystem als homosexuell kennzeichnete.
"Die Mehrheit der luxemburgischen Abgeordneten finden, dass queere Themen zu unserer Gesellschaft und deshalb auch in die Schule gehören."
Schmitz argumentierte ebenfalls, dass Freddie Mercury und Sir Elton John ein Beispiel aus der Geschichte wären, das zeigt, dass queere Menschen schon immer akzeptiert wurden und dass sie nie diskriminiert wurden. "Das hat es nie gegeben." Dem würde Sir Elton John mit Sicherheit widersprechen. In einem Interview mit Variety sagte er: "Wenn du unglücklich zuhause bist, geh. Lass dich von niemandem wegen deiner Homosexualität oder deiner Sexualität quälen."
Francine Closener, die Präsidentin der Petitionskommission, entgegnete Schmitz ihrerseits: "Sie haben viele Behauptungen in den Raum gestellt und nicht wirklich auf Fragen geantwortet. Vill Meenung, wéineg Anung." Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.
Doch es gibt auch eine positive Seite dieser Debatte: Die Abgeordneten haben sich klar positioniert. Bis auf die Vertreter der ADR herrscht parteiübergreifender Konsens: Die Mehrheit der luxemburgischen Abgeordneten finden, dass queere Themen zu unserer Gesellschaft und deshalb auch in die Schule gehören, und dass niemand aufgrund seiner sexuellen Orientierung aus unserer Gesellschaft ausgeschlossen werden darf. Mehr als 10.000 Menschen haben die Gegenpetition unterschrieben, die genau das aussagt. Ich wünsche all den Menschen – ob queer oder ally (also Personen, die sich aktiv für die Rechte und Sichtbarkeit einer marginalisierten Gruppe einsetzen, ohne selbst Teil dieser Gruppe zu sein) – das Selbstbewusstsein eines Steve Schmitz, wenn es darum geht, die Menschenrechte und Werte wie Respekt, Akzeptanz und Gleichberechtigung in diesen Zeiten zu verteidigen.