Die Eltern von Sternenkindern: Vom Gesetz alleingelassen

Von Laura TomassiniLex Kleren

Diesen Artikel hören

Im Sommer traf Laura Tomassini zwei Mütter sowie einen Vater, die alle drei jeweils zwei Kinder verloren haben. Für die Eltern von sogenannten Sternenkindern existiert in Luxemburg kein spezifischer Trauerurlaub, denn das Thema ist noch immer ein Tabu. Interviews wie diese lassen auch langjährige Journalist*innen nicht kalt, denn sie zeigen, wie Rigidität im System häufig jene straft, die eh schon am Boden sind.

Es sind keine leichten Gespräche, denn anders als bei zahlreichen journalistischen Themen geht es nicht um "hard facts", präsentiert durch Expert*innen, sondern um das Erlebte und die ganze Trauer, Verzweiflung und Wut, die durch dieses in den Worten mitschwingen. Am 1. Mai wurde ich über Instagram von einer jungen Mutter – jünger als ich – kontaktiert, die Hilfe durch die Medien suchte und mir ihre Geschichte anvertrauen wollte. Der dritte Satz: "Unsere beiden Zwillingssöhne sind vor ein paar Monaten verstorben." Eine Woche später saß mir ein Paar gegenüber, das mir gleichzeitig nüchtern ein Dossier gefüllt mit Briefen und Mails von und an die CNS erklärte, während es abwechselnd immer wieder in Tränen ausbrach und fast nicht weiterreden konnte.

Krisztina Laszlo und ihr Partner Stéphane wollten vom Tod ihrer beiden Söhne erzählen, der eine, Raphaël, noch während der Schwangerschaft verstorben, der andere, Gabriel Stéphane, nur drei Tage nach seiner frühzeitigen Geburt. Vor allem aber wollten die Eltern, die es nun nicht sein dürfen, von der Ungerechtigkeit erzählen, die ihnen seit Beginn des Jahres widerfährt. Krisztina wurde nämlich von der Gesundheitskasse in einen unbezahlten Mutterschaftsurlaub gesetzt, sprich erhielt keine Mutterschaftsleistungen, dieser blockierte aber zusätzlich ihren Krankheitsurlaub. Die Details sind zu komplex, um sie in einem Jahresrückblick zu erklären, nur so viel: Wie Krisztina und Stéphane geht es ebenfalls anderen Paaren, für die in Luxemburg kein legales "Versteesdemech" existiert.

Perinatale Trauer ist und bleibt ein Tabu. Ein Sonderurlaub für Fehl- und Totgeburten wird zwar im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung erwähnt, von einem konkreten Gesetzesentwurf sind wir aber noch Meilen entfernt. Auch Laetitia, Mutter der Sternenkinder Gaïa und Gianni, sah sich den Regeln der CNS hilflos ausgeliefert, als sie beide Kinder im selben Jahr verlor. Sterben Babys nämlich im Mutterleib, hängt es davon ab, ob dies "spät genug" oder "zu früh" geschieht – im zweiten Fall gibt es weder ein Recht auf Mutterschaftsurlaub, noch auf Zeit für Trauer. Was bleibt, ist ein Krankenschein, ausgestellt vom*von der Gynäkolog*in oder einem*r Psycholog*in. Für Väter wird es kompliziert.

"Sterben Babys nämlich im Mutterleib, hängt es davon ab, ob dies 'spät genug' oder 'zu früh' geschieht – im zweiten Fall gibt es weder ein Recht auf Mutterschaftsurlaub, noch auf Zeit für Trauer."

Dass eine Gesellschaft nur mit Gesetzen und Regeln funktioniert, darüber wollen auch die Eltern von Sternenkindern nicht diskutieren. Dass Gesetze und Regeln aber etwas mehr Raum für Ausnahmen und Empathie bieten könnten, befürworten nicht nur Betroffene, sondern ebenfalls Hebammen, Sozialarbeiter*innen und Anwält*innen, die im Artikel zu Wort kamen. Während sie alle und ich uns nämlich nach der Veröffentlichung des Textes wieder unserem Alltag widmen können, bleibt für Krisztina, Laetitia und Stéphane nur die Leere, die der Tod ihrer Kinder hinterlassen hat. Eine Leere, die umso mehr schmerzt, wenn sie nicht mit Zeit für Erinnerung an die wenigen gemeinsamen Momente gefüllt werden kann, sondern mit Papierkram und dem Frust gegenüber Verwaltungen, die sich nicht mal zu ihrer Situation äußern wollten.

Normalerweise bin ich eine Befürworterin positiver Rückblicke, um das Jahr mit einem Wonnegefühl zu beenden. Dieses Jahr aber sind nicht die vielen angenehmen Interviews und leicht zu tippenden Artikel in Erinnerung geblieben, sondern die Mütter und Väter, die sich nun nur bedingt auf die Feiertage freuen, weil unter ihrem Weihnachtsbaum mindestens zwei geliebte Menschen fehlen.

© privat