Über das Abschalten der Maschinen bei Partner*in, Elternteil oder Kind zu bestimmen, ist eine der schwersten Entscheidungen, die ein Mensch treffen muss. Kathy musste vor fast drei Jahren dadurch. Das Lëtzebuerger Journal sprach mit ihr und einer Trauerbegleiterin.
Sie ist nervös. Es sei das erste Mal, dass sie so offen über den Tod ihrer Mutter und die damit verbundenen Folgen spricht, erzählt Nina vor unserem Interview. Nina ist eine gute Freundin von Kathy. Letztere hat vor dem geplanten Gespräch gefragt, ob Nina sie begleiten kann. Als kleine Unterstützung. Nach einer herzlichen Begrüßung setzen wir uns auf eine Bank in unmittelbarer Nähe zur Mosel. Die Sonne scheint und der Boden ist mit rot-braunen Blättern übersäht. Der Einzug des Herbsts ist nicht zu übersehen. „Wo fange ich an …“, entgegnet Kathy. Die 33-Jährige überlegt kurz. Ihre Hände sind ineinander gelegt. Sie schaut in den Himmel. „Meine Mutter wurde mit der Hüfte operiert …“, beginnt sie ihre Geschichte. Als sie diesen ersten Satz über die Lippen gebracht hat, scheint das Eis gebrochen.
Durch ihren erhöhten Blutdruck habe ihre Mutter zur Kontrolle über Nacht im Krankenhaus bleiben müssen. „Am nächsten Morgen hat ihre beste Freundin angerufen. Meiner Mutter gehe es nicht gut“, sagte Kathy. „Ich habe mir nicht viel dabei gedacht, begab mich trotzdem ins Krankenhaus.“ Zu diesem Zeitpunkt habe Kathy noch nicht gewusst, dass ihre Mutter bereits im Koma lag. „Ich wusste auch nicht, dass ein Aneurysma (Erweiterung eines Blutgefäßes, d. Red.) über Nacht geplatzt war und ihre Überlebenschancen bei null stehen.“
Überwältigt
Im Krankenhaus angekommen habe sie warten müssen. „Meine Familie, mit der ich seit 15 Jahren keinen Kontakt hatte, war auch anwesend. Das war sehr viel auf einmal – Familie, Intensivstation, meine Mutter.“ Trotzdem hoffe man doch, dass die Situation nicht so schlimm ist, wie es sich anfühlt, erklärt Kathy rückblickend. Irgendwann habe das Personal sie zu ihrer Mutter gelassen. „… und dann wurde ich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt“. Es fällt ihr schwer, das, was sie dort vor sich sah, zu beschreiben. „Überall Schläuche. Ein ständiges Piepsen. Der Kopf meiner Mutter, der total deformiert war, weil die Ärzte den Druck nicht mehr ablassen konnten.“ Dieses Chaos an Eindrücken habe sie überwältigt.
Der Arzt habe ihr erklärt, dass er sich, nachdem er das geplatzte Aneurysma entdeckt hatte, gegen eine Operation entschieden hat. „Meine Mutter wäre zu 100 Prozent zu einem Pflegefall geworden. Das wollte ich nicht und ich weiß genau, dass meine Mutter das auch nicht wollte. Sie war so ein lebensfroher Mensch, deshalb bin ich froh, dass sich der Arzt gegen eine OP entschieden hat.“ Der Mediziner habe Kathy auch mitgeteilt, dass ihre Mutter die nächsten Tage im Koma liegen würde und ihre Chancen auf Besserung „gering“ seien. „Aber dieses ‚Gering‘ habe ich nicht gehört. Ich wollte es nicht wahrhaben. Ich dachte mir nur: ‚Quatsch, sie wird wieder aufwachen.‘ Wir waren noch am Dienstag zuvor in unserem Stammlokal in Clausen. ‚Das kann nicht sein‘, habe ich mir gedacht.“
Kathy habe bis spät abends am Bett ihrer Mutter gesessen, ihr aus ihrem Buch vorgelesen, Musik von Elvis Presley laufen lassen. „Was man so macht, weil man glaubt, dass es das einzig Richtige ist, was man in solch einer Situation tun kann. Dass meine Mutter dadurch zurückkommt.“ Irgendwann habe ihr das Personal geraten, nach Hause zu gehen. Nach langem Hin und Her habe Kathy zugestimmt.
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