Vielfalt statt Vorurteile - Wie soziale Faktoren Wahrnehmung prägen

Von Andy Schammo

Diesen Artikel hören

Wie beeinflusst die soziale und kulturelle Position die eigene Wahrnehmung und Interaktion mit der Welt? Wie Positionalität eigene Entscheidungen und Beziehungen prägt und warum es wichtig ist, sich dessen bewusst zu sein.

Wéi sozial Facteuren eis Perceptioun prägen

Um die Bedeutung der Positionalität in der Antidiskriminierung zu verstehen, müssen wir uns zunächst den Ursprüngen dieses Begriffs und seiner epistemologischen Grundlagen zuwenden. Der Begriff der Positionalität wurde ursprünglich in den Geistes- und Sozialwissenschaften entwickelt und fand insbesondere in den feministischen und postkolonialen Theorien Anwendung. Das Konzept ist tief in den Annahmen verwurzelt, dass Wissen situativ ist und dass verschiedene Gruppen unterschiedliche "Standpunkte" oder "Positionen" haben, die ihre Perspektiven und Erfahrungen prägen.

Unsere Positionalität, so das Verständnis, ist eine Konstellation von sozialen und persönlichen Faktoren, die unsere Sicht auf die Welt und unseren Platz in ihr bestimmen. Diese Faktoren können unser Geschlecht, unsere ethnische Herkunft, unsere sozioökonomische Situation, unsere Bildung und viele andere Aspekte umfassen. Jeder dieser Faktoren trägt zur Konstruktion unseres einzigartigen "Standpunktes" bei und bestimmt, wie wir die Welt interpretieren und wie wir von ihr interpretiert werden.

Im Kontext der Antidiskriminierung spielt die Positionalität eine entscheidende Rolle. Sie erlaubt uns, den Ort, an dem wir uns befinden, zu verstehen und zu erkennen, wie dieser Ort unsere Perspektive auf Gleichheit und Ungleichheit prägt. Dieses Verständnis kann uns dabei helfen, Diskriminierung in all ihren Formen effektiver zu bekämpfen.

Nimm beispielsweise deine eigene Positionalität. Wo stehst du? Gehörst du zu einer privilegierten Gruppe oder einer marginalisierten? Ist dir bewusst, welche Vorrechte dir aufgrund deiner Position zugutekommen? Oder erlebst du täglich Hindernisse und Herausforderungen, die andere nicht zu meistern haben? Dein Bewusstsein für diese Positionalität und deine Bereitschaft, sie zu hinterfragen, sind der erste Schritt auf dem Weg zur Antidiskriminierung.

"Positionalität ermutigt uns, unsere Perspektive zu wechseln, uns in andere hineinzuversetzen und ihre Erfahrungen anzuerkennen."

Positionalität erlaubt uns jedoch nicht nur, unsere eigene Position zu erkennen und zu hinterfragen. Sie fordert uns auch auf, die Positionen anderer zu betrachten und zu würdigen. Sie ermutigt uns, unsere Perspektive zu wechseln, uns in andere hineinzuversetzen und ihre Erfahrungen anzuerkennen. Dieser Perspektivwechsel ist der zweite Schritt auf dem Weg zur Antidiskriminierung. Es erlaubt uns, Vorurteile abzubauen, Empathie zu fördern und Brücken der Verständigung zu bauen.

Positionalität bedeutet nicht nur, die Welt aus der Perspektive eines anderen zu betrachten, sondern auch zu verstehen, dass die Erfahrungen anderer Menschen genauso valide und wichtig sind wie unsere eigenen. Es bedeutet, die vielen verschiedenen Arten von Diskriminierung anzuerkennen, die Menschen aufgrund ihrer Positionalität erleben können, und die strukturellen Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, die diese Diskriminierung verursachen.

Positionalität ist daher mehr als nur ein Konzept oder ein akademischer Begriff. Sie ist ein Werkzeug, das uns dabei hilft, die komplexe Realität der Diskriminierung zu verstehen und effektive Strategien zu entwickeln, um sie zu bekämpfen. Sie ist ein Leitfaden, der uns auf unserem Weg zur Gleichstellung begleitet und uns dabei unterstützt, eine inklusivere und gerechtere Gesellschaft zu schaffen. Mit anderen Worten: Positionalität ist nicht nur ein Weg, um die Welt zu verstehen, sondern auch, um sie zu verändern.

Es liegt in unserer Verantwortung, uns kontinuierlich mit unseren eigenen Vorurteilen, Privilegien und Handlungen auseinanderzusetzen. Auch wenn Reflexion alleine nicht ausreicht, so ist sie ein wichtiger Baustein, um Positionalität als Tool zu nutzen, um antidiskriminierend zu agieren. So möchte ich auch dieses Mal mit einigen Denkanstößen abschließen.

Hinterfragen die eigenen Privilegien: Nimm dir Zeit, um deine eigenen Privilegien zu erkennen und zu reflektieren. Frage dich, welche Vorteile du aufgrund deiner sozialen Position genießt und wie sich das auf deine Wahrnehmungen, Handlungen und Chancen auswirkt.

Auseinandersetzung mit kritischer Literatur und Medien: Informiere dich über kritische Theorien und Literatur, die sich mit sozialer Gerechtigkeit, Diskriminierung und Machtverhältnissen auseinandersetzen. Lese Bücher, Artikel und schaue Filme oder Dokumentationen, die verschiedene Perspektiven und Positionen beleuchten.

Reflektiere deine Handlungen: Nimm dir regelmäßig Zeit, um deine eigenen Handlungen und Entscheidungen zu überdenken. Frage dich, wie deine Positionalität deine Interaktionen mit anderen beeinflusst und ob du möglicherweise unbewusste Vorurteile oder diskriminierende Verhaltensweisen zeigst.