Parlamentarische Anfragen und ihre fragilen Normen

Von Misch Pautsch

Verbale Ohrfeige oder nüchterner Austausch: Parlamentarische Anfragen sind einer der wenigen Anlässe, zu denen die Regierung Rede und Antwort stehen muss. Trotzdem basieren sie vor allem auf dem guten Willen aller Beteiligten, sich an die Spielregeln zu halten. Wir haben uns mit Chamberpräsident Fernand Etgen und zwei Oppositionsparteien über diesen Eckstein der Demokratie unterhalten.

Parlamentarische Anfragen sind in Luxemburg eine vergleichsweise gesittete Angelegenheit: Fragen werden von den Abgeordneten gestellt, Antworten von den Minister*innen – oft spät – gegeben, veröffentlicht und an die Presse geschickt. Meist alles nach den Regeln des guten Anstands, findet Chamberpräsident Fernand Etgen (DP), an den alle Anfragen adressiert sind, bevor er sie an die Minister*innen weiterleitet. Nur manchmal findet ein Querschläger den Weg in die Öffentlichkeit, wenn beispielsweise gefragt wird, welche Flüssigkeiten Wasserwerfer spritzen, oder warum Luxemburg weniger Impfstoff eingekauft hat als Deutschland.

Aber, so sagen Myriam Cecchetti der déi lénk und Carole Weiler, Attachée Parlementaire der Piratepartei, das unabdingbare Werkzeug parlamentarischer Kontrolle ist nicht ohne Ecken und Kanten. Denn während die Fragen vom Chamberpräsidenten auf ihre Annehmbarkeit hin überprüft werden, unterliegt der Inhalt der Antworten allein der Laune der Minister*innen.

Von guten Manieren

Es lohnt sich, einen Schlenker ins britische Parlament („House of Commons“) zu machen, um zu verstehen, wie weit ein System, das auf dem guten Willen der Politiker*innen basiert, degradieren kann, wenn Politiker*innen plötzlich entscheiden die Fassade guter Manieren fallen zu lassen.

Viele Leser*innen werden sich an die turbulenten „Prime Minister’s Questions“ (PMQs) im britischen „House of Commons“ während der Brexit-Diskussionen erinnern, die nur mühsam vom charismatischen „Speaker oft the House“ John Bercow in der Spur gehalten wurden. Seine Rolle entspricht mehr oder weniger der des luxemburgischen Chamberpräsidenten: Fragen wurden über ihn vom Parlament an die Regierung vermittelt. Bercows bekannter Kampfschrei „Order!“ ist zwar seit November 2019 verklungen, als er vom zurückhaltenderen Sir Lindsay Hoyle ersetzt wurde, aber der Aufruhr im Unterhaus ist lauter geworden.

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