Liebesbotschaften unserer Großeltern

Von Laura TomassiniLex Kleren

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In der ganzen Welt feiern am 14. Februar Paare Valentinstag. Das Lëtzebuerger Journal hat sich mit sechs Senior*innen unterhalten, um herauszufinden, was es ist, das eine Liebe ewig währen lässt. Das Geheimrezept scheint simpel und ist genauso wie das Leben: Authentisch.

Vältesdag

* auf Luxemburgisch (mit französischen Untertiteln)

Eine Liebe, die ewig warmhält

„Wenn ich im Fernsehen das ganze Leid in der Welt sehe, dann denke ich: ‚Was hattest du Glück im Leben‘. Denn auch wenn ich jetzt alleine bin und meine große Liebe nicht mehr da ist, trage ich sie immer noch im Herzen.“ Am 16. April werden es sieben Jahre, dass Julie Biedas Mann von ihr gehen musste. Sieben Jahre, in denen sie stets an ihren Jos denkt, ihm beim Gassigehen mit Hund Jana Liebeslieder singt und beim Gespräch mit den drei gemeinsamen Kindern in Erinnerungen an ihren Geliebten schwelgt. „Es ist wirklich wahr, eine solche Liebe hält noch warm auch wenn der Mensch nicht mehr da ist“, sagt die 88-Jährige.

63-einhalb Jahre war das Paar aus Düdelingen verheiratet. Ihren Mann kennengelernt hat Julie aber bereits lange vor 1950, und zwar im Kindesalter. „Als ich ihn das erste Mal sah, war ich zehn Jahre alt. Damals hat er mir schon gefallen, da hatte ich ihn schon im Auge“, erinnert sich die Rentnerin schmunzelnd und fügt hinzu: „Nach haut sinn ech ganz ewech, wann ech un en denken.“ Das Funkeln in ihren Augen bei den Erzählungen von ihrem Mann ist noch immer da, denn für Jos und Julie sollte es die große Liebe ihres Lebens werden.

Ein Leben voll Glück

 Mit 18 heiratete Julie ihren vier Jahre älteren Jos, nach genau neun Monaten und sechs Tagen folgte die erste Tochter. „Das war zu der Zeit wichtig, denn wenn man so schnell in anderen Umständen war, dann haben die Nachbarn einem immer auf den Bauch geschaut und bestimmt im Kalender den Tag markiert“, verrät Julie lachend. Während 21 Jahren lebte Julies Vater im selben Haus wie seine Tochter – keine leichte Situation für zwei Menschen, die eigentlich ihre Privatsphäre im Liebesnest genießen wollten. „Wir waren zwei, die immer aneinander hingen. Auch als wir schon älter waren, konnten wir nie nebeneinander sitzen, ohne uns gegenseitig anzufassen, entweder am Arm oder an den Händen, egal wo wir waren.“ Mit viel Zusammenhalt schaffte die Familie dennoch jegliche Hürden: Jos arbeitete teils zwei Elektriker-Schichten um die Schuld des Hauses abzuzahlen und Julie kümmerte sich um die Kinder.

„Nach haut sinn ech ganz ewech, wann ech un en denken.“

Julie Bieda (88)

„Wenn man sich so sehr liebt, dann schafft man alles“, sagt Julie bestimmt. Das Einzige, das die 88-Jährige heute bereut, wenn sie auf dem Friedhof vor Jos‘ Grab steht, ist die Tatsache, dass es ihr selbst stets schwer fiel, seine offenen Liebeserklärungen zu erwidern. Ein wirkliches Geheimnis für die Liebe kennt Julie nicht, außer: „Einfach esou frou mateneen ze sinn. Und wir hatten viele gemeinsame Interessen.“ Ob wandern im Club, Ski-fahren in Österreich oder der gemeinsame Garten: Julie und Jos konnten viele Dinge miteinander teilen und liebten es, sich gegenseitig zu unterstützen. Vor allem aber wurde gefeiert, und das auch richtig. „Donnerstags abends gingen wir immer aus. Mein Mann war in Vereinen und ich war in Vereinen und gen Ende des Abends haben wir uns dann in einer Wirtschaft getroffen und noch einen Patt zusammen getrunken. Danach gingen wir nach Hause, haben eine ‚Schlofdrëpp‘ getrunken, Musik angeschaltet und miteinander getanzt“, erinnert sich die 88-Jährige.

Auch im Traumhaus, das sich das Paar nach über 40-Jahren „Mariage“ kaufte, war stets Leben in der Bude: „Wir haben schon Freunde eingeladen und gefeiert, da hatten wir nur einen Keller!“ Noch heute stößt die Rentnerin mit ihrem Mann beim Gläschen Wein oder der Flasche Bier am Abend an und singt ihm beim Spaziergang ein Liebeslied, so wie er es stets zu tun pflegte, wenn er zur Spätschicht die Treppe herunterkam. „Ich streite aber auch manchmal mit ihm“, verrät Julie. In den Gesprächen mit ihren Kindern sei ihr Mann noch immer lebendig und sie bedanke sich jeden Tag für das Leben, das sie mit ihrem Jos führen durfte: „Manchmal begegne ich Menschen, die nie zufrieden oder glücklich sind. Im Deutschen gibt es dafür so ein schönes Wort: Ein vergeudetes Leben. Und ich hatte genau das Gegenteil.“

Verliebt in der „Uelzechtstrooss“

Etwas verschmitzt blickt Maria Grober-Paciotti während des Interviews rüber zu ihrer Tochter. „Olga, hëllef mir!“, meint sie lachend. Seit Januar lebt die 100-Jährige bei ihrer Tochter in Mersch, davor nannte sie Esch für lange Jahre ihre Heimat. Es ist auch in der Minettemetropole wo Marias Liebesgeschichte vor 86 Jahren begann. „Ich hatte damals eine Stelle bei Leuten dort und habe immer für sie Einkäufe erledigt“, erinnert sich Maria. Ihr Mann war ebenfalls oft gesehener Gast in der Stadt im Süden, als er die junge Dame in der rue de l’Alzette erblickte, war es schnell um ihn geschehen. „Er hat die Uelzechtstrooss nie mehr verlassen“, sagt Maria mit Schmunzeln in den Wangen.

Bis das Paar sich jedoch offiziell liierte, dauerte es noch eine Weile, 1938 aber verkündeten Maria und Jean-Pierre ihre Vermählung. „Ich war damals 18 und mein Mann 23“, so die 100-Jährige. Aus der Liebe folgte nach zwei Jahren das erste von zwei Kindern, die Maria heute noch viel Freude bereiten, auch wenn ihr Partner nicht mehr da ist. „Ich habe ja viel Ersatz“, meint Maria lächelnd und fügt hinzu: „Ich darf meine Zeit nicht verplempern ohne, dass ich meine Kinder so viel wie möglich sehe.“

„Wenn etwas zu sagen war, dann haben wir es gesagt, er genauso gut wie ich.“

Maria Grober (100)

Eine Tochter und ein Sohn, sowie vier Enkel und acht Urenkel – das ist die Bilanz, die Maria nach 100 Jahren zieht. Ihre Ehe hielt bis zu Jean-Pierres Tod 1993 und war geziert von Ebenbürtigkeit. „Wir waren auf Augenhöhe, einer wie der andere. Et ass gutt gaangen an et huet dermoossen harmonéiert“, sagt Maria. Wie ein Haushalt mitsamt Familie gut geführt wird, lernte die gebürtige Italienerin bereits früh am Vorbild der Grobers: „Sie waren zu sechs Kinder und hatten alle untereinander eine sehr gute Beziehung. Ich habe das wirklich in meine Ehe mitbekommen, dass ihre so gut funktioniert hat.“

Streiten um die Liebe zu wahren

Auch während des Krieges lebte Maria mit der Familie ihres Mannes: Am 10. Mai 1940 wurden die Luxemburger nach Frankreich evakuiert. „Wir verbrachten drei oder vier Monate dort und waren ziemlich unter den ersten, die wieder nach Hause kamen“, erinnert sich Maria. Doch nach über 60 Jahren Ehe sind es auch die kleinen Streitigkeiten, die der Rentnerin im Kopf geblieben sind. „Wenn es sein musste, dann haben wir auch mal gestritten. Vielleicht nicht sehr oft, aber wenn etwas zu sagen war, dann haben wir es gesagt, er genauso gut wie ich.“ Es sei mitunter auch diese Art der Kommunikation, die dazu führe, dass eine Liebe so lange hält, wie die ihre.

Das wilde Leben begann für die Hausfrau allerdings erst in den späteren Jahren ihres Lebens, denn für viel Tamtam fehlte dem Paar lange Zeit das Geld. „Das Leben war trotzdem schön. Man kann auch glücklich sein, wenn man etwas bescheiden lebt“, so Maria. Das wahre Geheimnis hinterm Liebesglück verrät die Rentnerin allerdings erst ganz am Ende des Gespräches: „Man muss auch mal nachgeben und wenn etwas schief läuft, dann muss man es halt wieder gerade biegen.“

Alt werden in Zweisamkeit

„Anny, zeig ihnen das Foto von dir. Das auf dem du so schön bist.“ Mit Griff nach hinten in den Schrank greift Anny Marie Erpelding nach dem Bild, das ihr Mann auch nach all der Zeit immer noch gerne präsentiert. Am 20. Oktober werden es 52 Jahre, dass das Paar verheiratet ist. „1966 haben wir uns kennengelernt, so lange sind wir auch zusammen, und 1969 haben wir geheiratet“, erklärt Jean Leon. Die Geschichte der beiden fängt etwas ungewöhnlich an, war Anny eigentlich die Frau eines Kollegen. „Und wie das dann eben geht, war es irgendwann umgedreht und ich war ihr Mann“, meint der Ex-Feuerwehrmann verschmitzt.

Für den 79-Jährigen war es von Anfang an die große Liebe, und auch heute noch ist seine Frau sein Ein und Alles. „Sie hilft mir viel, ich kann mir ja nicht mal mehr ein Glas Wasser einschenken. Das tut sie dann“, so Jean Leon. Seit vier Jahren lebt das Paar in der CIPA-Residenz „Op der Waassertrap“ in Sassenheim, Jean Leon sitzt mittlerweile aus gesundheitlichen Gründen im Rollstuhl. „Da wir zu zweit sind, haben wir aber kein Problem, die Zeit umzukriegen.“

Gerne blicken Jean Leon und Anny jedoch auch auf die Zeiten zurück, in denen Zuhause noch Action herrschte. „Als wir das erste Mal zusammen gewohnt haben, mussten wir Möbel von links und rechts ausleihen. Ein Sessel von hier, ein anderes Stück von da, alles Second Hand. Das war im alten Sprëtzenhaus in Esch.“ Mit Briketten und Kochmaschine wurden damals noch die Zimmer geheizt, in denen ebenfalls Musiklehrer und -schüler ihre Noten übten.

„Ech hunn der scho vill komme gelooss, mee dofir sinn ech frou, dass et esou gaangen ass a mir et gepackt hu bis heihinner.“

Jean Leon Erpelding (79)

„Ich war stets viel unterwegs und bin auch öfters mal später nach Hause gekommen. Manchmal habe ich einen ‚Patt‘ mit Freunden getrunken und sie anschließend zum Essen zu uns nach Hause eingeladen. Dann war es allerdings schon eine Stunde später, als vereinbart und meine Frau hat trotzdem für alle gekocht. Meine Freunde meinten dann zu mir: ‚Mäi léiwe Jong, et geet dir gutt. Bei mär wier et näischt méi ginn!‘“ Mit Stolz erzählt Jean Leon von den Kochkünsten seiner Frau, deren Tür stets für jedermann offen stand. Sie selbst war in unterschiedlichen Betrieben tätig: erst als Putzkraft in einer Bäckerei, dann beim Tageblatt und später als Angestellte bei der Post, um die Briefe zu sortieren.

Den Hochzeitstag nicht vergessen

Dass ihr Mann nicht immer pünktlich war, stört die 86-Jährige heute kaum mehr. „Das ist doch nicht schlimm. Ich bin froh, dass ich ihn habe, er ist ein guter Kerl“, meint Anny beim zärtlichen Strich über Jean Leons Haare. Als es für das Paar nach ein paar Jahren in die Wohnung über dem Polizeibüro der Kanalstraße ging, fanden auch hier zahlreiche Gäste den Weg ins Heim der Erpeldings. „Wenn Cassius Clay, also Muhammad Ali geboxt hat, dann haben die Polizisten gesagt: ‚Jang, um 16.00 Uhr kommen wir hoch das Match schauen!‘. Dann haben wir etwas zusammen getrunken und wenn mal jemand ein Loch im Hemd hatte oder ein Knopf angenäht werden musste, hat Anny das stets getan“, sagt Jean Leon.

Weshalb seine Frau ihn nicht schon längst aufs Schiff geschickt hat, weiß der 79-Jährige nicht, nur dass er ihr unheimlich dankbar ist für alles, was sie für ihn tut. „Ech hunn der scho vill komme gelooss, mee dofir sinn ech frou, dass et esou gaangen ass a mir et gepackt hu bis heihinner.“

Jeder für sich, aber immer zusammen

Zwei EU-Länder: Italien und Luxemburg, das ist ein guter Mix. Genauso beschreiben sich Jeanny und Rene Wagener. Im Mai werden es 68 Jahre, dass das Paar verheiratet ist. Was nach all der Zeit geblieben ist: Ihr Humor. Als Rene offenbart, dass es beim zweiten Tango schon um ihn geschehen war, kontert Jeanny prompt: „Ah nein, entschuldige, das ging nicht so schnell – du hast zuerst noch mit meiner Schwester getanzt!“ Mit viel Lachen erzählt das Paar seine Geschichten, denn Rene und Jeanny haben schon viel erlebt.

Mit 24 heiratete der Escher die fünf Jahre jüngere Differdingerin mit italienischen Wurzeln, damals jedoch vor allem, da Renes Leben vom Schicksal gezeichnet war. Seine Mutter verstarb bei einem Unfall, als er sieben war, sein Bruder fiel mit 19 in Russland, kürzere Zeit später musste auch sein Vater von ihm gehen. „Mit 24 stand ich quasi ganz alleine im Leben“, so Rene. Ein Zuhause fand er bei Jeanny, die ihm nicht nur täglich seine Suppe kochte, sondern ihm ebenfalls nach neun Monaten bereits eine Tochter schenkte.

„Wéi soen se: All Dëppe fënnt säin Deckel a mir hunn eise fonnt.“

Jeanny Wagener (87)

Trotz traditioneller Rollenverteilung – Rene arbeitete als Anstreicher, während Jeanny sich um Haushalt und Kind kümmerte – verband das Paar zahlreiche gemeinsame Erlebnisse außerhalb der eigenen vier Wände. „Mir hunn all Fuesbal geklappt am ganze Land“, verrät Rene. Und wenn ein weiblicher „Fuesbok“ den charmanten Escher dann zum Tanz einlud, wusste Jeanny gekonnt ihr Revier zu markieren.

Jeder Tag ein neuer Start

Dass Jeanny und Rene ein eingespieltes Team sind, zeigen heute vor allem die Neckereien, die sich der 91-Jährige und die 87-Jährige in ihrer Wohnung im dritten Stockwerk „Op der Hoart“ gegenseitig leisten. „Sie sehen ja, noch heute rücken wir zusammen. Da ist ja aber noch ein bisschen Liebe da“, meint Rene und Jeanny antwortet: „Das sagt er, jemand der ihn nicht kennt könnte ihm glatt glauben!“ Wenn es dann doch mal eine größere Diskussion zwischen den beiden gibt, haben die Wageners eine goldene Regel: „Wenn wir ins Bett gehen und Gute Nacht sagen, ist am anderen Tag wieder alles vergessen.“

Mit den nötigen Freiheiten habe die Ehe schon immer gut geklappt, das auch noch nach über 60 Jahren. „Das Schönste bei uns ist, dass wir noch immer zusammen sind“, meint Rene. Beide wüssten zwar, wo die Tür ist und würden sich auch schon mal ins Zimmer nebenan verkriechen, ohne den anderen leben wollen würde jedoch keiner von ihnen. „Ich bin an dich gewöhnt und du bist an mich gewöhnt. Wéi soen se: All Dëppe fënnt säin Deckel a mir hunn eise fonnt.“