Ehrenamt am Limit: Wo Freiwilligkeit endet und Arbeit beginnt
Von Laura Tomassini, Misch Pautsch, Lex Kleren
Ehrenamtliches Engagement ist das Rückgrat vieler gesellschaftlicher Strukturen, denn ohne Freiwillige wird es vielerorts leer. In rezenten Jahren rückt dabei immer wieder die Frage ins Zentrum, wo die Grenzen zwischen Freiwilligenarbeit und professioneller Tätigkeit verlaufen sollten. Drei Freiwillige berichten von ihren persönlichen Erfahrungen und davon, wie sich das Ehrenamt verändert hat.
Es ist ein polyvalentes Thema mit vielen Facetten und dementsprechend vielen Perspektiven, so in etwa resümiert Liam Bremer das Gespräch zur Professionalisierung im Ehrenamt. Im Mittelpunkt der Debatte, die viele Freiwillige in Luxemburg beschäftigt, steht die Frage nach Grenzen, nach dem "bis wo?" und "ab wann?". Bis zu welchem Punkt kann man von Freiwilligenarbeit sprechen und ab wann sollte diese nicht länger unbezahlt, sondern gegen eine entsprechende Vergütung ausgeübt werden?
Der aktuelle Präsident des Luxemburger Jugendrats (CGJL) ist selbst langjähriger Freiwilliger, war bereits im Gymnasium ehrenamtlich aktiv, als EU-Jugenddelegierter für Luxemburg unterwegs und vertritt derzeit die Anliegen der über 30 CGJL-Mitgliedsorganisationen. In seiner Rolle trägt Liam eine gewisse Verantwortung, einerseits gegenüber dem Staat, mit dem eine Konvention besteht, vor allem aber gegenüber der zahlreichen Jugendlichen, die der Jugendrat repräsentiert. Keine leichte Aufgabe als berufstätiger Ökonom, der eigentlich in Frankfurt arbeitet. "Ich bin Gott sei Dank ein Workaholic und in meiner Arbeitsweise relativ flexibel. Je mehr Zeit ich neben meinem Job habe, umso mehr Zeit bleibt fürs Ehrenamt", sagt der 26-Jährige.
Im Teufelskreis
Wie viel man wirklich in seine Freiwilligenaktivität investiert, realisiert man erst, wenn man schon hineingerutscht ist; die Belohnung ist das Wissen, sich für etwas eingesetzt zu haben, so Liams Devise. Eigentlich, denn immer öfter erklingen Stimmen, die nach Grenzen fordern, respektive einer anderen Form von "Vergütung". Geändert habe in rezenten Jahren nämlich nicht nur die gesetzlichen Anforderungen an Strukturen, die größtenteils von Freiwilligen getragen werden, sondern auch die Freiwilligenarbeit selbst, stellt der Jugendrat-Präsident fest: "Der klassische Fall, dass jemand ein Leben lang in einem Verein aktiv ist, wird immer seltener. Dies führt dazu, dass die Verantwortung und Rollen auf weniger Schultern verteilt werden, was einerseits natürlich negative Auswirkungen auf Einzelpersonen haben kann, andererseits aber auch bedeutet, dass Organisationen, um überhaupt noch funktionieren zu können, eine gewisse Professionalisierung bedürfen. Mehr Professionelle bedeutet aber auch mehr administrative Komplexität und der Bedarf nach noch mehr Professionellen."
Einfach ausgedrückt: Dort, wo Arbeit gegen Geld ausgeführt wird, sind "strings attached"; es gibt Bedingungen, Vorgänge werden komplizierter und noch weniger Menschen haben Lust, sich in ihrer Freizeit – denn an ehrenamtlichen Helfer*innen kommt dennoch niemand vorbei – für etwas zu engagieren. Quasi der Tod der Freiwilligkeit. "Viele Organisationen funktionieren deshalb auf hybride Weise, so auch Jugendorganisationen: der Verwaltungsrat ist 'youth-led', also mit jungen Freiwilligen besetzt, aber es gibt auch fest angestelltes Personal, das die Arbeit begleitet und den Ehrenamtlichen Workload abnimmt, damit diese sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können", erklärt der 26-Jährige, der Bezahlung, respektive Professionalisierung als "zu einfache Lösung für ein komplexes Problem" bezeichnet.
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