Editorial - Waldspaziergang statt Sozialdialog

Von Pascal Steinwachs

Im Vorfeld der größten Sozialproteste seit Jahren zeigt sich Premier Frieden betont gelassen – zu gelassen, wie viele finden. Mit seinem demonstrativen Desinteresse gießt er weiter Öl ins Feuer im Konflikt zwischen Regierung und Sozialpartnern.

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Wir wissen nicht, wie gut der Premierminister in der Nacht vor der Großkundgebung gegen die Regierungspolitik schlafen wird, aber so cool, wie er sich nach außen hin gibt ("es ist ein Samstag und es ist gut möglich, dass ich an dem Tag spazieren gehe, denn ich bin ein großer Naturliebhaber", so Luc Frieden auf dem letzten Pressebriefing auf eine entsprechende Journalist*innenfrage, was er am 28. Juni denn tue), so cool ist er mit Sicherheit nicht.

Mit seiner Spazierengehen-Bemerkung hat er natürlich weiter Öl ins sowieso schon heftig lodernde Feuer der Gewerkschaften gegossen. Ob bewusst oder unbewusst, sei mal dahingestellt, aber wenn es unbewusst war, dann hat er definitiv kein politisches Gespür, was ihm einst auch von CSV-Übervater Jean-Claude Juncker bescheinigt wurde. Letzterer soll dem damaligen Finanzminister Frieden ja seinerzeit vor versammelter Minister*innenrunde prophezeit haben, nie etwas von Politik zu verstehen.

Dass der Präsident des Arbeitgeber*innenverbands, Michel Reckinger, die Menschen diese Woche in einem Radiointerview dazu aufrief, nicht an der Großdemo teilzunehmen und stattdessen mit Luc Frieden im Wald spazieren zu gehen, dürfte ebenfalls nicht gerade zu einer Versachlichung der Diskussion führen. Im Gegenteil: Mit seiner Aussage dürfte der UEL-Präsident dafür gesorgt haben, und die zahlreichen Reaktionen auf Social Media auf den Reckinger-Auftritt sprechen eine klare Sprache, dass die Menschen "Jetzt erst recht!" sagen, und am Samstag nun endgültig bei der Kundgebung in der Hauptstadt dabei sind.

Einen Vorgeschmack auf die große Demo der Gewerkschaftsfront aus OGBL und LCGB, für die ebenfalls die Bankengewerkschaft Aleba, zahlreiche Nichtregierungsorganisationen sowie das Gros der Oppositionsparteien ihre Mitglieder mobilisiert haben, gab es am Mittwoch, als die Staatsbeamtengewerkschaft CGFP, unterstützt von der Gewerkschaft des Gemeindepersonals FGFC sowie der christlichen Eisenbahnergewerkschaft Syprolux, zu einer ersten Warndemo des öffentlichen Dienstes gegen die Rentenreform aufrief, an der rund 300 Menschen vor der Chamber teilnahmen.

Wie viele Menschen jetzt am Samstag dabei sein werden, dürfte natürlich das weitere Vorgehen der Regierung beeinflussen, wird sich Luc Frieden nach seinem vorgeblichen Waldspaziergang doch genau anschauen, wie viele Leute an diesem Tag tatsächlich auf die Straße gehen.

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