Der Weg zur offiziellen Anerkennung einer Beeinträchtigung kann manchmal weit und kompliziert sein. Genau so die Orientierung auf dem Arbeitsmarkt. Dabei ist beides für viele Menschen die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Wir haben mit Betroffenen über ihre Erfahrungen mit der "Bürokratie" gesprochen – und mit den Menschen hinter den Institutionen, die schwere Entscheidungen treffen und komplizierte Gespräche führen müssen.
Die Geschichte von Menschen mit Beeinträchtigungen ist, wie in unserem Podcast 1 cm immer wieder aufgebracht wurde, die Geschichte der Wichtigkeit, wahrgenommen und anerkannt zu werden. Vor allem von anderen Menschen, doch fast immer auch von den öffentlichen Institutionen in Form des "Statut du salarié handicapé" (oft auch einfach "Statut" genannt). Viele von ihnen mussten durch ein bürokratisches Dickicht waten, genau zu einem Zeitpunkt, in dem ohnehin eine enorme Last auf ihren Schultern liegt – körperlich, mental und emotional.
Tamara Schuster, heute Koordinatorin für den Schöffenrat in der Gemeinde Niederanven, wollte vor mehreren Jahren zurück auf den ersten Arbeitsmarkt. Sie erinnert sich noch gut an Tests, die ihr bei der Orientierung helfen sollten, ob sie wirklich eine kognitive Beeinträchtigung habe … obschon die Frage nie im Raum stand. Als Kind wurde bei ihr 2011 ein etwa orangengroßer Tumor im Becken entfernt. Eine Beeinträchtigung an ihrem Bein ist geblieben, doch Auswirkungen auf ihre kognitiven Fähigkeiten hatte dies nie, weder als Kind noch heute. Ihr Premières-Examen hat sie, nach krankheitsbedingter Pause, nachgeholt: "Ich weiß, was ich kann", betont sie. Die Tests bestätigten, was Schuster ohnehin wusste: Sie hat keine kognitive Beeinträchtigung.
Doch warum waren die kognitiven Tests überhaupt nötig, fragt sie sich. Sie hatte mehrere Dossiers mit Einschätzungen von Ärzt*innen vorgelegt, alle bezogen sich, genau wie die Anfrage, auf ihr Bein: "Ich hatte wirklich das Gefühl, dass sie einfach gar nichts angeschaut haben, denn dann hätten sie gewusst, dass ich keine mentale Behinderung habe, dass es nur körperlich ist und dass ich auf den ersten Arbeitsmarkt kommen kann. Aber ich musste trotzdem diese Tests machen. Ich fand das nicht gut, das war richtig abwertend."
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