Der lange Weg raus aus dem Frauenhaus

Von Sarah RaparoliLex Kleren

Nicht nur die Wartelisten für einen Platz in einem Frauenhaus sind zu lang. Auch das Finden einer eigenen Wohnung grenzt in manchen Fällen an ein Wunder, wie betroffene Frauen und unterschiedliche Heim-Verantwortliche berichten.

Beim Betreten der Wohnung in einem Mehrfamilienhaus im Süden des Landes riecht es nach frischzubereitetem Essen. "Ich habe Fleisch im Ofen", entgegnet uns Emilia (Name von der Redaktion geändert) mit einem schüchternen Lächeln. Nach einem kleinen Rundgang der Wohnung – Küche, Badezimmer, drei Schlafzimmer – setzten wir uns gemeinsam mit der Sozialarbeiterin, die auf Bitte von Emilia ebenfalls am Gespräch teilnimmt, an den großen Tisch im Wohnzimmer.

Emilia sei seit 2009 in Luxemburg, erzählt sie. Sie kommt aus einem Land in der Gegend vom Kap Verde. Irgendwann hätten die Probleme in ihrer Ehe begonnen, überhandzunehmen. Was genau passiert ist, möchte sie nicht erzählen, wohl, weil es sie zu sehr retraumatisieren würde. Mehrere Male sei die Polizei gerufen worden, mehrere Male habe ihre Familie sie wieder zum Bleiben überredet. "Irgendwann hatte ich meinen ganzen Mut zusammengenommen und eine Sozialarbeiterin kontaktiert." Nachdem Emilia die Listen der Frauenhäuser erhält, kommt sie auf die Wartelisten. Während der Zeit muss sie mit ihren Kindern bei ihrem Mann bleiben. Im August 2019 ist es endlich so weit. "Ich habe nur einen Koffer gepackt, ganz diskret, sodass mein Mann nichts mitbekommen hat. Ich habe die Kinder nicht in die Schule gebracht. Ich sagte, sie wären krank."

Abschied nehmen

Sie verbringt über zwei Jahre im Frauenhaus. "Es war hart, aber besser", meint sie rückblickend. "Dort hatte ich es gut. Ich konnte abschalten und vergessen. Ich habe neue Freundinnen gefunden und hatte meine Mütter um mich." "Mütter", so nennt Emilia die Sozialarbeiterinnen der Maison Paula Bové – auch jene, die mit am Tisch sitzt. Es ist nicht zu übersehen, wie vertraut sie einander sind. Später lädt Emilia sie sogar ein, um zum Mittagessen zu bleiben. Die Sozialarbeiterin bestätigt, dass Emilia während ihrer Zeit im Frauenhaus viel geweint habe. "Ich habe mich oft verloren gefühlt", meint die dreifache Mutter selbst. Tränen laufen ihr übers Gesicht, auch ihre "Mutter" kann nicht anders und weint mit.

Für Emilia waren die letzten Momente im Frauenhaus sehr schwer. Als der Lieferwagen, in dem sie ihre Habseligkeiten verfrachtet, an besagtem Tag vorfährt, habe sie "so viel geweint". Ihre Augen füllen sich erneut mit Tränen, ihre Wangen werden feucht. Sie spricht von "etlichen Emotionen", die sie in diesem Moment überfallen hätten. Das Frauenhaus habe ihr nach ihren schlimmen Erlebnissen wieder Hoffnung gegeben, während Monaten war es für sie ein sicherer Ort. "Im Heim habe ich so viel gelernt. Wir waren wie Schwestern. Wenn es jemandem nicht gut ging, war man füreinander da und hat versucht, sich gegenseitig aufzubauen." Obwohl es für Emilia schwer war, auf Wiedersehen zu sagen, sei es ihr großer Traum gewesen, in die eigenen vier Wände zu ziehen.

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