Luxemburg ist einer von nur drei EU-Staaten, in dem noch kein Gesetzesentwurf vorliegt, um die EU-Direktive 2019/1937 zum Whistleblower-Schutz umzusetzen. Deadline: 17.12.2021. Die Minimal-Standard-Richtlinien der EU liegen dagegen seit fast zwei Jahren vor. Kann sich ausgerechnet Luxemburg, das immer wieder in „Leaks“-Affären erwähnt wird und nach der eine benannt wurde, diese Verspätung erlauben?
Die Wichtigkeit von Whistleblower*innen wird immer deutlicher – Menschen, die individuelles oder systematisches Fehlverhalten in Organisationen an Autoritäten oder die Presse weitergeben, um diesem ein Ende zu setzen. Das tun sie meist auf Kosten ihrer eigenen Sicherheit und fast immer zum Preis ihres bisherigen Lebens, wie das Exil Edward Snowdens nach seinem Bericht über die Praktiken der NSA (National Security Agency) zeigt. Dabei sind Whistleblower*innen laut der Association of Certified Fraud Examiners (ACFE) für die Ermittlung gegen Betrug zentral: 43 Prozent der Fälle werden durch Hinweise von Individuen entdeckt.
Wohl genau darum fürchten sich viele Whistleblower*innen vor Rache. Frances Haugen, die unethische bis mutmaßlich illegale Praktiken von Facebook offengelegt hat, berichtete am 8. November vor dem Europäischen Parlament, wie sie potenzielle Vergeltung ihres ehemaligen Arbeitgebers gegen das Allgemeinwohl abwägen musste: „Ich weiß, dass sie [Facebook] mir furchtbare Dinge antun könnten. Sie könnten meinen Namen durch den Dreck ziehen. Sie könnten Troll-Armeen finanzieren. Sie könnten mich verklagen. Sie könnten mir so viele Dinge antun. Aber die Millionen Leben, die auf dem Spiel stehen wiegen schwerer als diese Gefahren.“
„Fast jeder von uns kennt jemanden, der ‚etwas weiß‘, aber nichts dagegen tut“, sagt Dimitrios Kafteranis, Assistenzprofessor im „Centre for Financial and Corporate Integrity“ an der Coventry Universität. „Dabei sind ihre Berichte so wichtig, groß und klein“, fährt er fort: „Es war sehr frustrierend zu erfahren, dass zum Beispiel Ärzte in China früh wussten, dass sich ein neues Virus verbreitet. Aber sie wurden zum Schweigen gezwungen. Stell dir vor, sie hätten sofort frei reden können. Aber es gibt keine konkrete internationale Gesetzgebung, die Menschen in einer solchen Situation vor Vergeltung schützt.“
Kurze Wege
Darum beobachtet er mit Argusaugen die Entwicklung der Europäischen Direktive 2019/1937 zum „Schutz von Personen, die Verstöße gegen EU-Gesetze melden“. Sie schreibt direkte, sichere und anonyme Meldewege in allen Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiter*innen und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohner*innen vor, nicht nur für Angestellte, sondern auch für alle, die im Umfeld arbeiten, unter anderem Lieferant*innen, Bekannte der Informant*innen, Praktikant*innen, oder Journalist*innen. Sieben Tage nach der Meldung muss den Informanten*innen laut der Direktive bestätigt werden, dass ihre Information angekommen ist – Feedback über eventuelle Konsequenzen müssen spätestens drei Monate später folgen. Sollten die Informant*innen Informationen haben, die von öffentlichem Interesse sind, oder ihre Hinweise intern nicht gehört werden, müssen sie über Wege verfügen, diese Informationen sicher an die Öffentlichkeit zu tragen.
Du willst mehr? Hol dir den Zugang.
-
Jahresabo185,00 €/Jahr
-
Monatsabo18,50 €/Monat
-
Zukunftsabo für Abonnent*innen im Alter von unter 26 Jahren120,00 €/Jahr
Du hast bereits ein Konto?
Einloggen