Von Lug und Trug

Von Laura TomassiniMisch Pautsch

Im ersten Teil der Reportage über Multi-Level-Marketing-Firmen, kurz MLM, wurde bereits klar: Bei den Versprechungen international aktiver Unternehmen trügt oft der Schein. Während die Vertreter*innen sich nach dem großen Gewinn sehnen, vertuschen die CEOs ihre kriminelle Vergangenheit.

Neben der im vorigen Teil erwähnten Firma Juice Plus+ musste auch das in Los Angeles basierte und in Europa aktive MLM-Unternehmen Herbalife Nutrition bereits wegen unlauteren Verkaufsmethoden in die Tasche greifen, dies bei einem von der amerikanischen Federal Trade Commission, kurz FTC, eingeleiteten Prozess vor rund sechs Jahren. Die Firma wurde zur Entschädigung von fast 350.000 Opfern des illegalen Pyramidenschemas durch rund 200 Millionen US-Dollar, einer integralen Restrukturierung der Vertriebsmethoden, sowie der Überwachung durch einen unabhängigen Compliance-Prüfer verurteilt. Sechs Jahre später wirbt Herbalife damit, zu den vom Forbes Magazin ausgewählten „America’s Best Employers For Diversity 2022“ zu gehören – um genau zu sein auf Platz 311.

Während die Firma ihre Strategie zumindest nach außen hin geändert zu haben scheint, bleiben zahlreiche MLM-Überwachungsplattformen skeptisch, denn immer noch verbreiten sich im Internet Bilder von organisierten Luxus-Reisen für Vertreter*innen und Versprechungen zum erfolgreichen Leben als Selbstständige*r. Die Idee vom passiven Einkommen zieht an, vor allem junge Aufsteigende, die im regulären Gesellschaftssystem ihre freie Entfaltung als eingeschränkt empfinden. Dies nutzt neben Herbalife auch die IM Mastery Academy: „Wie würdest du dich fühlen, wenn du mehr Kontrolle über dein Leben hättest?“ lautet so etwa der Spruch, der einen beim Besuch der offiziellen Webseite vorab begrüßt. Lachende Gesichter, stark klingende Alliterationen wie „educate“, „empower“ und „enrich“ versprechen die „Zufriedenheit von Innen“ – natürlich durch monetären Gewinn von außen.

Nur für Mitglieder

Klickt man allerdings auf den Beitritts-Button, erscheint die Frage, ob man durch eine andere Person vermittelt wurde. Ohne Zustimmung in Form des Usernames des*der betroffenen Vertreter*in: Kein Zugang. Das Login eröffnet sich nur bereits aktiven Kund*innen und sogenannten IBOs, also „Independent Business Owners“, den Vertreter*innen des Systems. Ein System, das seine Fassade im Forex-Trading aufbaut, bei näherem Hinschauen jedoch offenbart, dass hier eine digitale Form der Vetternwirtschaft betrieben wird – „Teambuilding“, wie es im Network Marketing Jargon heißt, oder anders gesagt: Der kontinuierlichen Rekrutierung neuer Vertreter*innen, die die Grundsteine der Pyramide weiterlegen.

Das Startpaket für die Newcomer im Business ist mit dem Namen „Elite“ versehen, im Package namens ECX wird von exklusiven Reise- und Lifestyle-Rabatten geschwärmt – stets in Begleitung des Zahnpasta-Lächelns von Firmengründer und CEO Chris „The Panda“ Terry und seiner mitwirkenden Frau Isis de la Torre Terry.  Der selbsternannte Philanthrop stammt eigentlich aus dem Baugewerbe, dogmatisiert jedoch bereits seit fast einem Jahrzehnt seine globalen Anhänger*innen via Bootcamps, Konferenzen und Zoom-Calls über die schier unendlichen Möglichkeiten des Multilevel-Marketings. Dass der „Mentor“, dessen Handlanger*innen risikofreien Handel auf einem nur so von Risiko strotzenden Markt versprechen, dabei bereits in der Vergangenheit mit pyramidal arbeitenden Unternehmen wie ZeekRewards zu tun hatte, wird nur bei intensiverer Google-Recherche erahnbar. Der Gründer letzteren, Paul R. Burks, wurde 2017 in North Carolina wegen Betruges zu fast 15 Jahren Haft verurteilt, seine Partner*innen kamen damals ohne weitere Aufmerksamkeit öffentlicher Seite davon.

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