Luxemburgs schizophrene Nikotin-Politik

Von Misch Pautsch

Steuereinnahmen durch Nikotin steigen und sollen es laut dem Budget weiter tun. Doch die Ausgabenseite wird gerne vergessen: Jeder zehnte Tod in Luxemburg ist auf Tabak zurückzuführen, häufig nach langer Krankheit. Dennoch nehmen wieder mehr Leute Nikotin zu sich – vor allem junge. Luxemburgs Nikotinpolitik ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Wie lange kann sie aufgehen?

Lange ist es her, dass die Klamotten noch lange nach dem Kneipenbesuch nach Rauch riechen. Rauchen an öffentlichen Orten scheint seltener geworden zu sein. Doch der Schein trügt: Luxemburg ist eines der Länder, in denen die Zahl der Leute, die Nikotin zu sich nehmen, nach langer Zeit wieder steigt. Was für den Staat eine kurzfristige Einkommensquelle ist, kann uns in Zukunft noch teurer werden, als es ohnehin schon ist.

"Die Leute denken: Es ist die Verantwortung von jedem einzelnen, krank zu werden, weil sie rauchen. Doch es kostet uns alle. Es geht hier um die Kollektivität und den Sozialstaat." Lex Schaul ist Tabakologe, Fachkraft für das öffentliche Gesundheitswesen bei der Fondation Cancer – und kritisch gegenüber der Ankündigung des Finanzministers Gilles Roth (CSV), dass Luxemburgs Staatseinkommen noch stärker von der Nikotinsteuer abhängig sein werden. Denn die Rechnung gehe, so wie sie gerne dargestellt werde, nicht auf – gerade in Zeiten, in denen die Gesundheitskasse jetzt schon ächzt.

Die Netto-Frage

1,42 Milliarden Euro sollen im kommenden Jahr durch die Tabak-Verbrauchersteuer in die Staatskassen gespült werden, das sind 5,2 Prozent der Gesamteinnahmen. Doch ausgeklammert wird dabei die Ausgabenseite. Der luxemburgische Rechnungshof schätzt die ökonomischen Kosten des Tabakkonsums für Luxemburg auf rund 859 Millionen Euro jährlich, sowohl für direkte Behandlungskosten wie auch für Produktivitätsverlust und vorzeitige Tode. Bleibt eine Bilanz von rund 561 Millionen Euro Einnahmen – gerade mal zwei Prozent der Gesamteinnahmen.

Doch selbst diese Rechnung sei laut Schaul potenziell großzügig. Denn Vergleiche mit dem Ausland zeigen, dass die Bilanz für die Staatskasse schlussendlich fast immer negativ ausfällt: Deutschland hat so 2024 durch Steuereinnahmen auf Tabak und Nikotinprodukte rund 19 Milliarden Euro eingenommen. Nicht eingerechnet sind dabei die (schwindenden) Arbeitsstellen der Tabakindustrie. Und auf Ausgabenseite? "Darauf kommen, laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen rund 97 Milliarden Ausgaben. Davon sind 30 Milliarden direkte Ausgaben und ca. 67 Milliarden indirekte Kosten. Das sind enorm hohe Summen", so Schaul. Diese Rechnung verdeutlicht laut dem Experten auch die moralische Schieflage des luxemburgischen Modells.

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