Gesichter gegen Hass

Von Misch Pautsch

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„Über Rassismus und Rassismuserfahrungen zu sprechen ist unangenehm, anstrengend und doch notwendig“, sagt Antonia Ganeto gegen Ende des Interviews, das Sie gleich lesen werden. Über Rassismus lesen ist auch anstrengend. 

Beides ist dennoch wichtig, zeigt ein Blick auf die Zahlen der gemeldeten Fälle von rassistischen Kommentaren online. Die bei der BeeSecure-Stopline gemeldeten illegalen Fälle von rassistischer Hassrede sind in Luxemburg 2019 verglichen mit dem Vorjahr um 127 Prozent auf 157 Fälle gestiegen. Vergangenes Jahr wuchsen sie weiter um 43 Prozent auf 226 Fälle. Staatsanwältin Dominique Peters gibt während einer Konferenz von respect.lu Kontext: „Vor 2015 kam es jährlich zu weniger Meldungen, als heutzutage in einem Monat vorliegen.“ 

Die Zahlen sind mit etwas Vorsicht zu interpretieren: Wie viele Fälle gemeldet sind beschreibt nur, wie viele Fälle an die Autoritäten weitergegeben wurden, nicht wie viele Hate-Speech-Kommentare tatsächlich verfasst wurden. Die pessimistische Interpretation wäre, dass es schlicht mehr Fälle gibt. Sei es, weil mehr Leute Hass verbreiten, weil sie länger und öfter online sind oder weil einfach mehr Leute soziale Medien nutzen. Eine optimistische Interpretation wäre, dass mehr Leute sensibilisiert sind, Hassrede erkennen und von der Stopline – die als Meldestelle für ebensolche Kommentare erstellt wurde – wissen. Dennoch: es kann nur gemeldet werden, was geschrieben wurde. Harte Zahlen fehlen nicht zuletzt, weil viele rechtlich verfolgbaren Aufrufe zum Hass und zur Gewalt in geschlossenen Gruppen stehen, in denen niemand die Kommentare weiterleitet und weil die Kommentare von Moderatoren gefiltert werden, also überhaupt nie öffentlich erscheinen. Letztendlich geht es auch nicht um die genauen Zahlen, sondern um die Menschen hinter ihnen, Opfer wie Täter, und um die Folgen, die Hatespeech haben kann. 

Erfahrungen 

Antonia Ganeto ist im Alter von fünf Jahren aus den Kapverden nach Luxemburg gezogen. Die 51-Jährige hat eine journalistische Ausbildung abgeschlossen, leitet das interkulturelle Bildungszentrum IKL und ist Sprecherin der Asbl Finkapé, ein Netzwerk für Menschen mit afrikanischer Herkunft. Und sie ist Opfer von Hatespeech– eine Rolle, die sie sich selbst zugesteht: „Sich dazu bekennen, Opfer zu sein, bedeutet nicht, aufzugeben. Nur möchte ich die Aufmerksamkeit auf Auswirkungen von Hatespeech und Alltagsrassismus auf die seelische und physische Gesundheit ziehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen.“ Ganeto wurde das Opfer rassistischer und sexistischer Kommentare, nachdem ein Foto von ihr auf Facebook hochgeladen wurde. Darauf zu sehen ist sie, wie sie während des Frauenstreikes am 10. März 2020, ein Megaphon in der Hand hält. Darauf: ein Sticker mit der Aufschrift: „Lëtzebuerg, du hannerherhältegt Stéck Schäiss“, der Name eines Theaterstückes der Gruppe Richtung22, der auch das Megaphon gehörte. „Unser Mikrofon hat nicht funktioniert, also wurde uns das Megaphon geliehen. Danach wurde das Foto von mir auf Facebook hochgeladen mit der Tagline: ‚Das Foto sagt alles‘.“

Hate Speech Testimonial

Während das Foto – außer einem Beispiel freier Meinungsäußerung einer anderen, nicht abgebildeten Gruppe – absolut nichts sagte, sahen die Leute in der Kommentarsektion die Gelegenheit als Freischein, tatsächlich alles zu sagen. Ganeto erinnert sich: „Und sowas lassen wir hier ins Land, zurück in den Kongo damit. Die kommen ins Land und sind schon schwanger und suchen sich dann einen weißen Mann. Kommt wir helfen ihnen packen. Steckt sie ins Gefängnis, weit weg damit.“ Altbekannte Phrasen. „Ich lebe hier seit ich fünf bin, spreche die Sprache, arbeite hier und kriege wieder hingehalten: Du bist fremd und wirst immer fremd sein. Mit diesen Aussagen wurde ich entmenschlicht und auf mein Äußeres reduziert. Also eine Farbe, die ganz eindeutig negativ konnotiert wurde. So werde ich als Person in ethnisierender oder rassialisierender Weise als nicht dazu-gehörig und nicht gleich berechtigt gesehen. Aber ich bin eine Luxemburgerin, eine Afro-luxemburgerin!“ 

Opferarbeit 

„Ich hatte das Glück, dass von den vielen Aussagen – eine genauso schlimm wie die andere –, dann eine dabei war, die alle Kriterien erfüllt hat, um gerichtlich verfolgt zu werden. Als ich das erfahren habe, haben die Leute mir gratuliert.“ Ganetos „Glück“ war, dass unter den vielen Kommentaren, die die menschlichen Grenzen überschritten haben, auch einer dabei war, der eindeutig rechtliche Grenzen überschritten hat. Das Tauziehen zwischen freier Meinungsäußerung und Diskriminierung, Aufruf zum Hass oder zur Gewalt beginnt mit jeder Meldung eines Kommentares auf ein Neues. Wann genau Grenzen überschritten werden ist gesetzlich geregelt, was eigentlich keinen Spielraum bieten sollte. Praktisch jedoch ist es möglich, Kommentare zu verfassen, die tief schneiden, ohne verfolgbar zu sein. Wird ein Fall als nicht verfolgbar angesehen, sagt Ganeto, bleibt Hilfe aus. Dies, obschon auch nicht verfolgbare Aussagen für die Betroffenen mit den gleichen Symptomen einhergehen, die denen einer posttraumatischen Belastungsstörung gleichen: Übelkeit, Kopfschmerzen, Angststörungen, erhöhter Blutdruck, Konzentrationsprobleme. „Als ich zum Prozess gefahren bin, war mir übel, ich habe angefangen zu weinen, nur noch zu weinen. Da ich mit dem Thema vertraut bin habe ich sofort mein inneres Kind erkannt. Mein Kind, das traumatisiert wurde in den 70ern, weil es physisch und psychisch fertig gemacht wurde. Dieses Kind, das hilflos war und wütend. Diese Hilflosigkeit, die ich damals gespürt habe, hat mich wieder überwältigt.“ 

Die Verletzung ist nicht durch einen oder zwei Kommentare entstanden, sondern durch jahrelange Erfahrungen, groß und klein, direkt und indirekt, individuell und institutionell. „Kollektiv hatten sie einen prägenden Einfluss auf mein Leben. Natürlich geht es mir nicht darum, alle, die Rassismuserfahrungen machen, zu Traumatisierten zu erklären. Das wäre falsch da viele Personen enorme Bewältigungskapazitäten und Ressourcen besitzen. Trotzdem ist es wichtig ein Bewusstsein und eine Sprache für die Verletzungen zu finden, die Rassismen in Luxemburg verursachen.“ Ich habe von der Staatsanwaltschaft erfahren, dass es eine Dienstelle gibt, die den Opfern beisteht. Den Weg dahin habe ich nicht gemacht, weil ich fürchtete nicht verstanden zu werden. Es ist extrem wichtig, dass (Schutz)räume entstehen, Anlaufstellen für rassifizierte Menschen, an der sie mit kompetenten Menschen sprechen können, die solche Erfahrungen konkret nachvollziehen können. Ich will damit auf keinen Fall die Leute, die bei der ‚Aide aux victimes‘ arbeiten, kritisieren, sondern lediglich auf einen organisatorischen blinden Fleck in diesem Gebiet hinweisen.“

Finkapé, der Ganeto als Sprecherin angehört, eine Asbl mit dem Ziel interkulturellen Austausch voranzutreiben, arbeitet aktuell ein Konzept für eine solche Anlaufstelle aus. Ganeto hofft jedoch, dass das Projekt schnellstmöglich institutionell aufgegriffen wird. Sozialarbeit mittels Selbstorganisation auf rein ehrenamtlicher Basis ist keine dauerhafte nachhaltige Lösung um sozialen Problemen und Rassismus entgegen zu wirken. „Es messe eine universell bekannte Anlaufstelle für Opferarbeit entstehen, mit qualifizierten Fachkräften, unter ihnen auch rassifizierte Mitarbeiter*innen“, sagt Ganeto Damit solle auch denen geholfen werden, die Hassrede ausgesetzt waren, die als nicht verfolgbar eingestuft wurde, aber dennoch ihre Spuren hinterlassen hat.

Antonia Ganeto

Der Verfasser der Aussage gegen Antonia Ganeto wurde zu einer Geldstrafe von 1.500 Euro verurteilt. Ganeto empfindet diese Strafe als wenig zielführend: „Symbolisch sollte Gerechtigkeit nicht durch Geld ausgedrückt werden. Ich weiß, dass es für die Person wohl viel Geld ist und dass er wohl sehr wütend sein muss, aber wohin führt das? Ich weiß, es klingt utopisch und naiv, aber ich hätte mir gewünscht, das Urteil hätte dazu geführt, dass er sich mit seiner Haltung und seinen Handlungen auseinandersetzen müsste.“ Die Staatsanwaltschaft hatte im Fall erfolglos eine dreimonatige Haftstrafe auf Bewährung verlangt, ergänzt durch einen Besuch des Centre contre la radicalisation Luxembourg (respect.lu). Ihr neues Projekt „Dialog statt Hass“, inspiriert am erfolgreichen, gleichnamigen Pilotprojekt in Österreich, soll eigentlich in genau solchen Fällen Selbstreflexion ermöglichen.

Täterarbeit 

„Wir sind in ersten Gesprächen mit neun Personen, die an uns weitervermittelt wurden.“ bestätigt Karin Weyer, während sie auf einem Sessel zwischen Musikinstrumenten sitzt – „Für Musiktherapie“ sagt sie lachend. Sie ist seit der Eröffnung des Centre contre la Radicalisation vor vier Jahren Chargée de Direction. Haftstrafen auf Bewährung werden nur selten ausgesprochen, sagt die ausgebildete Psychologin, meist seien es Geldstrafen: „Dann sind Leute kurz gut wütend und das war’s dann.“ In vielen Fällen gebe die Staatsanwaltschaft den Betroffenen die Option das Centre aufzusuchen, statt eine Anklage zu erheben. Laura Beckers, eine ausgebildete Kriminologin, fasst das Konzept zusammen: „Die Idee ist, eine Alternative zur Strafe zu bieten.“ Reformation stehe im Vordergrund. Hatespeech – was eigentlich selbst nicht strafbar ist, sondern ein Überbegriff für eine ganze Reihe einzelner strafbarer Vergehen wie Aufruf zum Hass, Gewalt oder Diskriminierung ist – wird hier als „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ definiert. „Genau diese „Gruppenbezogenheit“ versuchen die Mitarbeiter bei respect.lu als Hebel gegen den Hass einzusetzen,“ sagt Weyer. In insgesamt sechs je dreistündigen Modulen sprechen die Mitarbeiter mit den Personen über Diskriminierung, Medien- und Diskurskompetenz, Meinungsfreiheit und ihre Grenzen und die Hintergründe der Straftat. Am Ende des Prozesses steht der „Perspektivwechsel“, ein Austausch zwischen der Person und einem Mitglied der Gruppe, gegen die sie Hass verbreitet hat: „Nach einer halben Stunde Gespräch ist die Person nicht mehr anonym. Sie hat ein Gesicht, ist nicht mehr Teil einer undefinierten Gruppe. Dies führt zu einer kognitiven Dissonanz, einem internen Wiederspruch. Es ist mental schwer, mit einem Individuum konfrontiert zu sein und sie gleichzeitig zu entmenschlichen,“ sagt Weyer.

Während die Methode noch relativ jung ist, beruft sich das Team auf positive Erfahrungen in Österreich. Dennoch war es laut Weyer immer klar, dass das Projekt nicht einfach umzusetzen sei, insbesondere das letzte Modul: Es standen viele Fragen im Raum, allen voran: Wen kann man diesen Personen gegenübersetzen? „Wir haben im vergangenen Jahr Gruppen kontaktiert, die potentiell Opfer von Hatespeech werden. Oft wurden wir auf Personen mit psychosozialem Hintergrund hingewiesen, die vorher schon an Beratungsstellen aktiv waren.“ In diesem Fall sei die Vorbereitung relativ einfach gewesen. Vor allem von Personen, die diesen Hintergrund nicht haben, sei jedoch manchmal eine Absage gekommen „Zurecht,“ sagt Weyer: „Jeder hat das Recht zu sagen: ‚Das will ich nicht‘. Niemand muss sich dieser Situation aussetzen.“ Dennoch habe man von allen Seiten das Feedback bekommen, dass es eine wichtige Arbeit sei. Vorher aufgenommene Videogespräche könnten die Möglichkeit bieten, die Kontaktperson zu schützen, aber gleichzeitig Selbstreflexion anzuregen. „Besuche an Orten, die mit der Gruppe assoziiert sind, könnten eine ähnliche Funktion erfüllen,“ führt die Direktorin aus: Man könnte so mit den Leuten beispielsweise in eine Moschee oder eine Synagoge gehen, oder Events wie das Festival des Migrations. „Es muss nicht immer ein direktes Gespräch sein, das Wohlergehen aller Beteiligten geht immer vor.“ Während die Arbeit mit den Leuten oft ein langer Weg sei, glaube sie dennoch, dass es grundsätzlich immer möglich ist, einer Person zu helfen, auch wenn es nicht immer einfach sei, den passenden Ansatz zu finden.

Gesellschaftsarbeit 

Im Idealfall wären weder Täter- noch Opferarbeit nötig. Während es ein weiter Weg sein wird bis Rassismus der Vergangenheit angehört, sollte das nicht davor abschrecken, darauf hinzuarbeiten. Aufklärungsarbeit spiele hier eine zentrale Rolle, meint Bernard Gottlieb, Präsident der Asbl RIAL (Recherche et information sur l’antisémitisme au Luxembourg). „Ich frage mich: Haben die Leute eigentlich eine genaue Vorstellung davon, was rassistische oder antisemitische Aussagen sind?“ Schließlich höre man immer wieder, dass es sowas in Luxemburg nicht gebe, dass bestimmte Aussagen nicht antisemitisch oder rassistisch seien. Meiner Meinung nach gibt es da ein großes Unwissen.“ Um produktiv über das Problem zu reden, sei eine klare Definition nötig. In der Praxis ist dies jedoch nicht immer einfach. Die IHRA (International Holocaust Rememberance Alliance) hat beispielsweise eine solche nicht legal bindende Definition von Antisemitismus mit elf Beispielen ausgearbeitet. Diese soll als Richtlinie fungieren, welche von der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) bereits anerkannt wurde. Hier in Luxemburg wurden bisher nur Teile davon anerkannt, sagt Gottlieb, der vor allem bedauert, dass die konkreten Beispiele fehlen, die im Text der IHRA von zentraler Bedeutung sind: „Mit dieser knappen Definition kann keine Aufklärungsarbeit gemacht werden, weil die Beispiele dafür von eminenter Wichtigkeit sind. Sie sind konkret und explizit.“ Ohne sie würden Gespräche über die Frage kompliziert bis unmöglich werden. „Dennoch wird der Text von immer mehr internationalen Organisationen anerkannt,“ sagt Gottlieb: „Mit den Beispielen kann sie helfen, ein klares Bild darüber zu geben, was Antisemitismus eigentlich ist. Vor kurzem hat die IHRA eine weitere Definition zur Diskriminierung der Sinti und Roma veröffentlicht.“

  • Von der IHRA vorgeschlagene nicht legal bindende Arbeitsdefinition von Antisemitismus, mit 11 Beispielen

    „Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“

    Beispiele:

    • Der Aufruf zur Tötung oder Schädigung von Jüdinnen und Juden im Namen einer radikalen Ideologie oder einer extremistischen Religionsanschauung sowie die Beihilfe zu solchen Taten oder ihre Rechtfertigung.
    • Falsche, entmenschlichende, dämonisierende oder stereotype Anschuldigungen gegen Jüdinnen und Juden oder die Macht der Jüdinnen und Juden als Kollektiv – insbesondere aber nicht ausschließlich die Mythen über eine jüdische Weltverschwörung oder über die Kontrolle der Medien, Wirtschaft, Regierung oder anderer gesellschaftlicher Institutionen durch die Jüdinnen und Juden.
    • Das Verantwortlichmachen der Jüdinnen und Juden als Volk für tatsächliches oder unterstelltes Fehlverhalten einzelner Jüdinnen und Juden, einzelner jüdischer Gruppen oder sogar von Nichtjüdinnen und Nichtjuden.
    • Das Bestreiten der Tatsache, des Ausmaßes, der Mechanismen (z.B. der Gaskammern) oder der Vorsätzlichkeit des Völkermordes an den Jüdinnen und Juden durch das nationalsozialistische Deutschland und seine Unterstützer und Komplizen während des Zweiten Weltkrieges (Holocaust).
    • Der Vorwurf gegenüber den Jüdinnen und Juden als Volk oder dem Staat Israel, den Holocaust zu erfinden oder übertrieben darzustellen.
    • Der Vorwurf gegenüber Jüdinnen und Juden, sie fühlten sich dem Staat Israel oder angeblich bestehenden weltweiten jüdischen Interessen stärker verpflichtet als den Interessen ihrer jeweiligen Heimatländer.
    • Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.
    • Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird.
    • Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben.
    • Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten.
    • Das kollektive Verantwortlichmachen von Jüdinnen und Juden für Handlungen des Staates Israel.

Während die Erhebung von Daten schwierig bleibt, schlägt Gottlieb vor, zu tun was möglich ist: „Privatleute, aber auch die Medienhäuser unter deren Artikel die Leute kommentieren, sollten Verstöße an die BeeSecure Stopline oder die RIAL melden. Um einen Überblick über die Situation zu bekommen wäre es auch ein großer Schritt, wenn die Moderationsteams der Medien ein knappes Dokument erstellen würden, auf dem sie festhalten, wie viele Kommentare sie aus welchen Gründen entfernen. „In den Schulen und in Weiterbildungskursen sollte nicht nur über historische Ereignisse geredet werden, sondern auch über gegenwärtige Vorurteile und Formen der Diskriminierung. Karin Weyer von respect.lu ergänzt die Anforderungen an die Bildung mit einem Aufruf, kritisches Denken und Medienkompetenz zu fördern. Das führe zwar auch dazu, dass Schüler*innen ihr aktuelles Umfeld infrage stellen könnten, aber respektvoller Dissens müsse ermutigt werden. „Sensibilisierungsarbeit und Umgang mit Kontroverse kann präventiv helfen, früher respektvoller Umgang macht ihn später zur Selbstverständlichkeit“ sagt Kriminologin Beckers.

Um in Zukunft aktiv auf diese Ziele hinarbeiten zu können, wünsche sich sowohl Ganeto als auch Gottlieb eine engere Zusammenarbeit mit der Regierung. „Wir haben die Kompetenzen, die Erfahrung, das Hintergrundwissen zur Thematik. Wir erleben die Probleme direkt,“ sagt Ganeto, „darum würde ich mir wünschen, dass in Zukunft nicht nur Entscheidungen über uns getroffen werden, sondern mit uns.“ Gottlieb stimmt ein: „Anfang vergangenen Jahres hat die Regierung entschieden, einen „Plan national de la lutte contre l’antisémitisme“ aufzustellen. Herr Bettel hat uns versichert, dass Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft beteiligt werden sollen. Die Veröffentlichung des Plans wurde auf das Ende des ersten Quartals 2021 verschoben, also wird es so langsam Zeit, dass jemand auf uns zukommt damit wir das Problem gemeinsam angehen können.“