Ein Plädoyer für die Anerkennung von Sexarbeit

Von Laura TomassiniLex Kleren

Nur wenige reden offen über ihre Arbeit als Prostituierte. Alice Frohnert tut es. Die 66-Jährige setzt sich für die Entstigmatisierung ihres früheren Berufsstandes ein, denn für sie gehört Prostitution zu einer funktionierenden Gesellschaft dazu. Ein Interview.

Fast 16 Jahre lang arbeitete Alice Frohnert in Deutschland, der Schweiz und Luxemburg als Prostituierte. Die gebürtige Polin ist heute zwar nicht mehr im Sexgewerbe aktiv, ihr Engagement für Sexarbeiter*innen geht jedoch weiter. In Talkshows, Medienberichten sowie ihrem Buch Prostitution und Gesellschaft spricht Frohnert über menschliche Triebe, Gesetzesmodelle, die (nicht) funktionieren und ihre Zeit als Anbieterin einer Dienstleistung, die viele erwerben, jedoch nur wenige akzeptieren.

Lëtzebuerger Journal: Alice Frohnert, Sie arbeiten heute als Journalistin und haben eigentlich Publizistik studiert. Wie kam es dazu, dass Sie Prostituierte wurden?

Alice Frohnert: Ich habe an der Freien Universität Berlin Kommunikationswissenschaften studiert und bekam Unterstützung vom Staat in Form von BAföG (Bundesausbildungsförderungsgesetz, d. Red.), daneben habe ich in der Reinigung und als Kellnerin gearbeitet, aber das hat nicht gereicht. Ich habe in einer Wohngemeinschaft gelebt und wollte etwas Geld verdienen, da meine Eltern ein Haus gekauft hatten und dadurch hochverschuldet waren. Sexualität war für mich eigentlich schon immer ein Thema, ich mochte Männer einfach. In den 80ern und 90ern war vieles anders, ich bin damals nach Paris getrampt, um ins Moulin Rouge zu gehen, das war fantastisch. Mich haben auch Filme wie Belle de Jour oder Kinder des Olymp fasziniert, also habe ich in der Bild-Zeitung nach Anzeigen geschaut und bin auf die Bar Les Chambres am Savignyplatz gestoßen, dort wurden junge Frauen gesucht.

Wie sah Ihr Berufsalltag ab da konkret aus?

Man war in der Nacht tätig und erhielt von der Bar eine Garantie von umgerechnet 40 Euro, dafür musste man dann zwischen 21 und 6 Uhr da sein. Der Verdienst pro Stunde lag bei umgerechnet etwa 50 Euro, heute sind die Preise natürlich höher, aber damals hat man davon immer die Hälfte gekriegt. Wir waren von der Bar aus angehalten, etwas bessere Champagner wie Veuve Cliquot zu trinken, dazwischen bekamen wir dann Wasser, damit wir nicht zu betrunken waren. Das Ganze hat mir gut gefallen, aber ich habe durch den Alkohol die Uni etwas vernachlässigt, also habe ich angefangen, Tageswohnungen zu mieten und sowohl in Deutschland als auch in Luxemburg und der Schweiz gearbeitet.

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