Die Frau, die zeigt, was Krieg aus Menschen macht

Von Misch Pautsch

Verkleidet als Mann unter Mudschahidin in Afghanistan. Zwischen Scharfschützen in Sarajewo, die auf „Kinder und Frauen schießen wie auf Hasen“. Neben Kindern, die Rosenöl statt Opium verkaufen wollen. Auf einem Gruppenfoto zwischen ihren Entführern. Ursula Meissners Bilder zeigen, was niemand erleben möchte.

Es war ein überraschend kurzer Weg von der „netten Blondine in der rosa Bluse“, wie ein Arbeitskollege sie am Anfang ihrer Karriere nannte, zur „charmanten Bilderdiebin“, die sie seitdem manchmal sein musste. Die heute international renommierte Kriegsfotografin hat ihr erstes Kampfgeschehen vor etwa 30 Jahren in Afghanistan in einem kleinen Bach erlebt – aus dem sie prompt aufgesprungen ist, um eine explodierende Granate zu fotografieren. Nur um später mit einem Foto von „einem Haufen spritzenden Dreck“ zurück nach Hause zu kommen. „So blöd von mir“, sagt sie heute selbst. „Hollywood macht das viel besser.“

Trotzdem hat es sie immer wieder nach Afghanistan gezogen. Mehr als 25 Mal ist sie in das kriegszerfetzte Land gereist – mit Zwischenstopps unter anderem in Sarajewo, wo sie einen Cellisten fotografiert, der im Nebel von Snipern versteckt Yesterday spielt, oder in Sierra Leone, wo sie Menschen vor die Kamera nahm, denen Arme und Beine mit Buschmessern abgehackt wurde. Und später die Rebellen, die das Massaker angerichtet hatten. Ursula Meissner hat sich im Rahmen einer Gesprächsrunde in der Abtei Neimënster mit dem Lëtzebuerger Journal unterhalten.

Lëtzebuerger Journal: Sie haben sich nach dem Bombardement in Afghanistan geschworen, nie wieder in ein Kriegsgebiet zu gehen. Das Versprechen haben Sie Dutzende Male gebrochen: Somalia, Sarajewo, Ruanda, Sierra Leone, Irak … Warum?

Ursula Meissner: Als wir nach dem Beschuss zurück ins Dorf gegangen sind, habe ich den ganzen Weg geweint und, ja, mir selbst geschworen, das nie wieder zu machen. Aber wenn man in die Augen der Flüchtlinge schaut oder die Augen der Kinder, die so apathisch sind, die nicht einmal mehr weinen können, weil sie dazu keine Kraft mehr haben … dann muss man wieder zurückgehen. Ich habe in diesem Moment für mich verstanden: Es gibt so viele Geschichten, die erzählt werden müssen. Und um sie richtig zu erzählen, müssen Menschen vor Ort sein, die neutral berichten. Und dass habe ich dann weiter gemacht.

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