Der Wert eines alten Verstandes

Von Misch Pautsch

Ältere Menschen nehmen viele Medikamente. Eine Tatsache, die so offensichtlich ist, dass man leicht vergisst, welche Konsequenzen dies für die Senior*innen mit sich bringt. Beruhigungs- und Schlafmittel können schwerwiegende Nebenwirkungen und Abhängigkeiten verursachen, die gesellschaftlich weitgehend akzeptiert werden. Der zweite Teil eines Blickes auf die legale Suchtszene in Luxemburg und mögliche Alternativen.

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"Beruhigungs- und Schlafmittel sind große Tabuthemen unter allen Betroffenen." Elena Bienfait, die Direktorin des Centre National de Prévention des Addictions (CNAPA) zögert nicht, den Finger sofort zu Beginn des Interviews in die Wunde zu legen. "In den Familien wie auch beim Personal in vielen Pflegestrukturen ist es eine schwierige Situation. Häufig steht der Eindruck im Raum, dass ältere Menschen 'ihren Weg gemacht haben', man sie nicht mehr mit weiteren Diagnosen wie Angststörungen oder Trauma belasten soll, sie noch weiter aufwühlen soll. Der implizite Konsens ist oft: 'Okay, lasst uns beruhigen, statt zu behandeln'."

Dies spiegelt auch die aktuelle Situation von Carolines (Name von der Redaktion geändert) Mutter wider, die im Alter von 82 Jahren in ein Pflegeheim gezogen ist und zuvor – wie ihre Familie beim Umzug feststellte – große Mengen an Beruhigungsmitteln gehortet hatte. Sie leidet, nachdem sie seit mittlerweile 17 Jahren täglich das Beruhigungsmittel Temesta nimmt, unter dessen gängigen Nebenwirkungen, die oft wie "normale" Alterserscheinungen wirken: Verwirrung, Schwindel, Gedächtnisverlust, geistige Abschaltung. Wie viele Menschen begann sie damit, nachdem ihr Ehepartner verstorben war. Aufhören wird sie vermutlich nie wieder. Im Pflegeheim nimmt sie die Pillen weiterhin unter genauer medizinischer Aufsicht ein, jedoch hält sie sich an die "normale Tagesdosis", anstatt eigenmächtig weitere Pillen zu nehmen. "Der Arzt hat mir erklärt, dass es sich 'wirklich nicht mehr lohnt', einer 82-jährigen Frau jetzt noch einen Entzug zu verordnen", sagt Caroline. Die Entzugserscheinungen wären zu schwerwiegend. Eine tägliche Abwägung im Umgang mit hochbetagten Patient*innen.

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