Der Stereotypenkomplex (Retro 7/12)

Von Sarah Raparoli

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Die Journal-Redaktion blickt auf 2021 zurück - heute mit Sarah Raparoli. Die vergangenen zwölf Monate waren aufregend, herausfordernd und bereichernd und bedeuten gleichzeitig unseren ersten, digitalen Geburtstag. Zu diesem Anlass hat sich jedes Teammitglied den Beitrag ausgesucht, dessen Recherche oder Produktion sie oder ihn 2021 am meisten geprägt hat.

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Unsere Gesellschaft ist vielfältig. Kunterbunt. Einzigartig. Genauso soll es sein. Dennoch sind wir alle vorbelastet. Gesellschaftliche Konstrukte beeinflussen uns. „Wir finden es als Menschen super, wenn Sachen in Kategorien passen. Wir finden es beruhigend und es gibt uns ein Gefühl von Sicherheit. Es scheint weniger komplex, aber so sieht die Welt nicht aus“, erklärte Miriam-Linnea Hale, Doktorandin an der Uni Luxemburg, während unseres Gespräches über Geschlechterrollen und Genderstereotype.

Denn wird die rosarote Brille beiseitegelegt, wird schnell deutlich, dass wir gar nicht so weltoffen sind, wie wir gerne vorgeben. Wir lassen uns von Stereotypen leiten, die nicht sehr viel mit dieser teils vorgetäuschten Einzigartigkeit zu tun haben. Vorgetäuscht, weil in den Köpfen mancher Menschen nach wie vor die Idee verwurzelt scheint, dass eine männlich gelesene Person nur mit kurzen Haaren männlich ist und eine weiblich gelesene Person nach diesem Verständnis schwach, zerbrechlich und für den Haushalt zuständig ist.

„Es gibt noch viele Themen, die aufgearbeitet und viele Stimmen, die gehört werden müssen und ich werde weiterhin versuchen, meinen Teil dazu beizutragen.“

„Kompletter Bullshit“, entgegnete mir damals der luxemburgische Rapper Maz kopfschüttelnd bei der Frage, was er von solchen Geschlechtervorstellungen hält. Und ich pflichte ihm bei. Wir Menschen müssen aufhören, alles und jede*n in Kategorien stecken zu wollen. Natürlich können Vorurteile helfen, sich in der Welt zurechtzufinden. Sie können aber auch Schaden anrichten und hierarchisierte Ungleichheiten beflügeln. Frauen wird oft nicht sehr viel zugetraut, Männer müssen mit ihrer Gefühlswelt selbst zurechtkommen.

Beide Annahmen sind, um es erneut mit den Worten von Maz zu sagen, „kompletter Bullshit“. Genau dieses Umdenken hat mich im ersten Journal-Jahr besonders geprägt. Ich habe gelernt, meine Ansichten stets zu hinterfragen, über meinen kleinen Tellerrand hinauszublicken und mich in meine Mitmenschen hineinzuversetzen und die Welt aus ihren Augen zu betrachten. Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst geworden, den Menschen, die etwas zu sagen haben, jedoch bis dahin nicht gehört wurden, eine Stimme zu geben.

„Es ist eine anstrengende Arbeit, man hat nicht immer Lust, derjenige zu sein, der alles immer wieder erklären muss“, erklärte mir Maz. „Mittlerweile bin ich aber gerne die Person, die andere darauf anspricht und erklärt, dass das so nicht geht.“ Eine Aussage, die mich geprägt hat. Das Lëtzebuerger Journal ermöglicht es mir, Menschen zum Umdenken zu bewegen und neue Denkanstöße zu liefern. Es gibt noch viele Themen, die aufgearbeitet und viele Stimmen, die gehört werden müssen und ich werde weiterhin versuchen, meinen Teil dazu beizutragen.