
Der Markt steht vor unsicheren Zeiten: Zwischen unvorhersehbaren Strafzöllen der Trump-Regierung und einer Neuausrichtung internationaler Beziehungen müssen auch luxemburgische Unternehmen sich Gedanken um ihre Position auf dem weltweiten Markt machen. Carlo Thelen, Generaldirektor der Chambre de Commerce hat sich mit dem Journal über eine "spannende, aber beunruhigende" Situation unterhalten.
Der nationale und internationale Handel scheint aktuell von einer Krise in die nächste zu schlittern. Kaum war die Covid-Pandemie überstanden – und ihre Effekte noch im vollen Schwung – kam mit der russischen Invasion der Ukraine die Energiekrise dazu. Im Hintergrund, oft etwas vergessen, lungert immer noch die Klimakrise.
Doch stets drehte im Hintergrund, mal besser, mal schlechter, die internationale Marktwirtschaft, mit an seiner Spitze den USA als Schirmherr des freien Handels. Das sollte sich vor kaum zwei Monaten, am 20. Januar 2025, mit dem zweiten Amtsantritt Donald Trumps ändern. Kaum ein Tag vergeht seitdem, an dem nicht neue scheinbar arbiträre Strafzölle vor allem gegen Verbündete angekündigt, pausiert, zurückgezogen, doch umgesetzt werden. Neben unter anderen Kanada, Mexiko und Australien, ist nun auch die EU in die Ungunst des US-Präsidenten gefallen, der EU-Stahl- und Aluminiumprodukte mit 25 Prozent bezollen lässt, weil diese "aus keinem anderen Grund gegründet wurde, als den USA zu schaden". Die EU muss sich auf eine Welt vorbereiten, in der die USA nicht länger ihre Hand über sie hält, und eine Verteidigungsindustrie aufbauen, die das ermöglicht – und zwar schnell.
Während alte Allianzen bröckeln und bestehende Freihandelsabkommen in der Luft zerfetzt werden, müssen auch luxemburgische Unternehmen in einer neuen Welt Fuß fassen. Carlo Thelen, Generaldirektor der luxemburgischen Handelskammer, versucht Ordnung im Chaos zu finden – und bricht gleich mehrere Lanzen für einen freien Markt, der zunehmend auf die Probe gestellt wird.
Wenn man derzeit Richtung USA blickt, kann einem etwas schwindelig werden. Scheinbar unbegründete Strafzölle gegen Verbündete – Kanada, Mexiko, die EU oder jetzt aus dem Nichts Australien – werden angekündigt, nur um am selben Tag zurückgezogen, und dann doch umgesetzt werden … Sind die USA aktuell überhaupt noch ein rationaler Akteur?
Carlo Thelen: Die USA selbst schon, doch mit der Trump-Administration sehen wir einen tiefgreifenden Bruch: Es herrscht enorme Volatilität, Strukturen fehlen und Vorhersagbarkeit ist kaum noch vorhanden. Sie sagen, er sei ein Dealmaker, aber er verhandelt bislang sehr erratisch und irrational, mitunter zum Nachteil der Amerikaner. Das macht den Umgang mit dieser Administration deutlich komplizierter. Trotz allem sollten wir die USA weiterhin als wichtigen Partner betrachten.
Der internationale Markt reagiert verständlicherweise empfindlich auf diese Unsicherheit. Welche Anpassungen beobachten Sie in Luxemburg, insbesondere im Stahlsektor, der seit vergangener Woche mit 25 Prozent Importsteuer belegt wird?
Die Unternehmen, vor allem Akteure wie ArcelorMittal, beschäftigen sich intensiv mit der Situation. Auch die EU reagiert bereits mit zusätzlichen Zollmaßnahmen – ein Szenario, das wir bereits in der ersten Trump-Ära und auch im Kontext mit China erlebt haben. Für uns als Handelskammer und Ökonomen ist der freie Handel zentral. Als kleine, offene Wirtschaft ist es für Luxemburg selbstverständlich, unsere Produkte weltweit zu verkaufen – der US-Markt spielt dabei eine wichtige Rolle. Zwar haben sich die Betriebe noch nicht grundsätzlich umgestellt, doch evaluieren sie bereits, welche Maßnahmen in den nächsten Schritten notwendig sind. Es zeigt sich, dass insbesondere Stahl und Aluminium – Produkte, die auch in Amerika gefertigt werden – von diesen Maßnahmen betroffen sind. Sollten Importzölle auf Produkte zur Unterstützung der heimischen Produktion anfallen, riskieren die Amerikaner selbst unter anderem höhere Produktionskosten und letztlich höhere Inflation. Gleichzeitig beobachten wir eine Tendenz zum „Buy Local“-Prinzip, die – im Zusammenhang mit dem Label „Made in Luxemburg“ – auch den Wunsch nach regionalen, nachhaltig produzierten Waren widerspiegelt. Leider können nicht alle Produkte, die unsere Einwohner konsumieren, auch bei uns rentabler hergestellt werden. Daher bleibt der freizügige internationale Handel für Luxemburg von vitaler Bedeutung.
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