Zu wenig Beachtung

Von Sarah RaparoliLex Kleren

Einsamkeit kann schwerwiegende Folgen haben, umso mehr, wenn Menschen komplett isoliert leben. Über psychische Gesundheit und Suizidprävention bei Senior*innen und weshalb der Wunsch zu sterben in manchen Fällen nichts mit einer Impulsentscheidung zu tun hat.

Mentale Gesundheit und Isolation, beides Begriffe, die für manche erst mit Beginn der Pandemie zum Thema wurden. Für Menschen, die ihre letzten Lebensphasen allein verbringen, ist diese Belastung, die jede*r seit Monaten verspürt, nichts Neues. Wenn die Solidarität mit der älteren Bevölkerung zu Beginn der Pandemie vonseiten der Gesellschaft groß war – und es teilweise weiterhin ist –, muss sich auch ohne Corona-Hintergrund folgende Frage gestellt werden: Vernachlässigen wir das psychische Wohlbefinden unser Senior*innen?

Eine Frage, die so nicht beantwortet werden könne, meint Dr. Denise Reding-Jones von Omega 90. „Bevor wir uns fragen ‚Wird die mentale Gesundheit von älteren Menschen wahrgenommen?‘, müssen wir uns damit auseinandersetzen, ob Senioren überhaupt wahrgenommen werden.“ Gemeint ist die Altersdiskriminierung, im Englischen unter dem Begriff „ageism“ bekannt, also eine Benachteiligung von Personen oder ganzen Gruppen aufgrund ihres Alters. „Wir reden – mit Recht – von Rassismus und Sexismus, aber ‚ageism‘ wird in Luxemburg wenig thematisiert, obwohl es eine bekannte Problematik ist“, erklärt die Psychologin, Psychotherapeutin und Traumatologin. „Einige Personen sind der Ansicht, dass für ältere Menschen nur die Möglichkeit besteht, ins Altenheim abgeschoben zu werden. Als Gesellschaft sind wir nicht sehr gutherzig mit der älteren Bevölkerung, obwohl sich jeder im Klaren sein müsste, dass ein Mensch ein Mensch ist und das bis zum letzten Atemzug.“

Management in Strukturen

Es sei jedoch kein Geheimnis, dass besonders ältere Menschen – das STATEC zählte für 2020 knapp 63.000 Einwohner*innen, die älter als 70 Jahre sind – mit dem Alleinsein zu kämpfen haben. „Ein großer Prozentsatz lebt allein in ihrer eigenen Wohnung“, gibt Martina Thill, ebenfalls Psychologin und Psychotherapeutin im Haus Omega 90 zu bedenken. Auch außerhalb einer Pandemie sei dies keine Seltenheit, umso mehr habe Corona die Lage vieler verschlimmert, ergänzt Psychologe Andreas Hück. „Nach den ersten Coronamonaten hat sich Omega 90 mit der Politik über die letzten Monate ausgetauscht, unter anderem wie die Pandemie in den Heimstrukturen abgelaufen ist. Eine wichtige Schlussfolgerung war: So etwas (gemeint ist die Isolierung älterer Menschen, d. Red.) darf nie wieder passieren. Das war teilweise äußerst unmenschlich.“ Man müsse lernen mit dem Virus zu leben ohne die älteren Menschen „tot zu schützen“. Es werde der Eindruck vermittelt, „dass Betroffene in ihren letzten Jahren allein gelassen werden – das kann nicht sein und das machen wir nicht.“

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