Digitale Inklusion hat viele Facetten. Eine gemäß dem „Design For All“-Prinzip für alle Menschen gleichermaßen zugängliche digitale Welt ist eine davon. Fortschritte hat es zwar gegeben. Doch von Anfang an mitgedacht wird die Barrierefreiheit selten.
Auf Sackgassen im Internet stößt Tom Erdel so gut wie jeden Tag. Dann muss er auf anderem Wege versuchen, an die gewünschte Information zu gelangen, sei es, dass er jemanden um Hilfe bittet oder beispielsweise eine automatische Texterkennung über einen Screenshot laufen lässt, die ihm den Inhalt der Webseite vorliest. Denn Tom Erdel ist blind.
Dabei kommt der Koordinator der Transkriptionsabteilung des Centre pour le développement des compétences relatives à la vue (CDV) ansonsten eigentlich flott durchs Web. Wer als sehbehinderte oder blinde Person seine Strategien habe und seine Software zu benutzen weiß, der könne sich vergleichsweise schnell durchs Web bewegen, sagt er und demonstriert das sogleich. Textelemente lässt sich Erdel von einem Screenreader vorlesen. Die Sprachwiedergabe ist so schnell eingestellt, dass sie wie eine vorgespulte Tonspur klingt, mit der untrainierte Ohren unmöglich mithalten können. Oder aber Erdel liest das gerade aktivierte Element mit den Fingern auf einer Braillezeile ab. Das ist ein mit beweglichen Elementen ausgestattetes Ausgabegerät, das einen Textausschnitt in Braillezeichen darstellt. So ein Gerät kann übrigens gut und gerne mit 10.000 Euro zu Buche schlagen. Die Kosten kann man sich vom Staat zurückerstatten lassen.
Sehbehinderte Personen müssen sich beim Aufrufen einer neuen Webseite zunächst ein Konzept erschließen. „Wir arbeiten mit großen Listen. Als Orientierungspunkte nimmt man Überschriften, Links und Formularfelder“, erklärt Erdel. Er erkennt beispielsweise die Überschriftenelemente auf journal.lu und kann sich so recht einfach orientieren. Gänzlich barrierefrei ist die Webseite allerdings nicht. Es fehlen beispielsweise Alternativtexte (auch Alt-Texte genannt). Das sind Bildbeschreibungen.
Die zunehmende Digitalisierung von immer mehr Lebensbereichen, die sich im Zuge der Pandemie noch einmal beschleunigt hat, bedeutet für manche Menschen auch ein höheres Ausschlussrisiko. Laut Angaben der EU-Kommission haben mehr als 80 Millionen Menschen in Europa eine Form von Behinderung. Fünf Prozent der EU-Bevölkerung nutzen aufgrund ihres Handicaps das Internet nicht. Gleichzeitig seien weniger als zehn Prozent der Webseiten in Europa für Menschen mit Handicap voll nutzbar. Das ist nicht zuletzt auch eine Frage von Grundrechten, wie der letzte Jahresbericht über die Anwendung der EU-Grundrechtecharta offenbarte. In dem im Dezember veröffentlichten Dokument heißt es: „Nicht online zu sein kann Menschen in der Ausübung ihrer Rechte beeinträchtigen (…) inklusive ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und Information. (…) Diejenigen ohne regulären Zugang zum Internet, den notwendigen Kompetenzen zur Nutzung dieser Dienstleistungen, oder die aufgrund einer körperlichen oder kognitiven Behinderung nicht auf ein digitales Produkt beziehungsweise Dienstleistung zurückgreifen können, sind einem wachsenden Risiko ausgesetzt, ausgeschlossen zu werden und Schwierigkeiten in der Ausübung ihrer Rechte zu begegnen.“
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