Stahl, Schweiß und Erinnerungen an früher: Geschichten eines Schmelzarbeiters

Von Laura TomassiniLex Kleren

Léon Leszczynski ist einer von tausenden Arbeitern, die früher zur luxemburgischen Eisen- und Stahlindustrie gehörten. Zwischen Kalkwerken, dunklen Stollen und fernen Abenteuern in Südamerika erzählt er von einer Epoche, die das Land geprägt hat – und von einem Alltag, der heute längst verschwunden ist.

Wenn Léon Leszczynski in seinem Wohnzimmer Platz nimmt und ein altes Foto aus Brasilien in den Händen hält, scheint die Zeit für einen Moment stillzustehen. Nicht nur Journalistin und Fotograf lauschen gebannt seinen Erzählungen, auch seine Tochter und Patentochter haben sich in Küntzig eingefunden, um dem 92-Jährigen zuzuhören. Viele der Begriffe, die der ehemalige Schmelzarbeiter verwendet, haben heute keine Verwendung mehr, doch sie sind Zeugen einer Zeit, in der Luxemburg mit seiner Eisen- und Stahlindustrie weltweite Größe erreichte. Auch der Rentner war Teil dieser Geschichte, die ihn nicht nur in die Gruben und Hüttenwerke des Minett führte, sondern auch nach Südamerika.

Doch zurück zum Anfang. Mit 16 Jahren fing Leszczynski an, für den Rümelinger Depositär Fischbach-Wiltgen zu arbeiten und Limo- sowie Bierflaschen zu reinigen. Nach einigen Monaten ging es für den gebürtigen Rümelinger dann in die Kalkwerke von "Usines et Minières Berens", ebenfalls in seinem Heimatort. Die Stelle war eigentlich nur für Luxemburger ausgeschrieben, ein Anruf sowie ein gutes Wort seines vorigen Arbeitgebers ermöglichten es ihm aber, dort angestellt zu werden und so erste Erfahrungen im Tagebau zu gewinnen. "Wir haben Felsen, Steine und Kalkstein gesägt, die jeweils zwei bis drei Tonnen wogen. Daraus wurden dann von den Steinmetzen Blöcke hergestellt, unter anderem für den Bau", erinnert sich Leszczynski.

Vom Hilfsgeometer zum Maschinisten

Mit 17 wurde er in der "Mine Montrouge" engagiert, einem grenzüberschreitenden Stollen in Audin-le-Tiche (auf Luxemburgisch "Däitsch-Oth"), der über einen unterirdischen Tunnel mit dem Hüttenwerk in Esch verbunden war und in dem bereits Leszczynskis Vater sowie seine zwei Brüder arbeiteten. Insgesamt 13-einhalb Jahre verbrachte der Rümelinger hier, zuerst als Hilfsgeometer und zuständig für Vermessungen der Grube, dann im Team der Elektriker, die sich um die Installation, Wartung sowie Steuerung der Maschinen kümmerten, und schließlich als "Accrocheur", also die Person, die die kleinen Grubenwagen an sogenannte Förderzüge anhängte. "Es wurde immer gesagt, ich könnte irgendwann Maschinist werden, aber lange tat sich diesbezüglich nichts, bis ich unserem Ingenieur Herr Dupont davon erzählte und er mir half, die Ausbildung anzutreten", erinnert sich Leszczynski.

Sein neuer Job: die Wagons in den Gruben beladen und mit einer sogenannten Kabelmaschine aus dem Stollen herausholen, respektive leere wieder hineinbringen. "Es war in den Galerien sehr feucht und man musste aufpassen, nicht zu rutschen, denn es ging bergab und man wäre 400 oder 500 Meter ohne Halt gefallen", so der ehemalige Schmelzarbeiter. Auch andere Güter wurden transportiert: das Erzgemisch zur "Chargeuse", also jener Maschine, mit der dieses in die Hochöfen gefüllt wurde; hölzerne Stützbalken zu den Minen; oder Wagons zum Umschlagplatz in Rümelingen, von wo aus die Ladung weitertransportiert wurde, entweder direkt zu den Hochöfen nach Belval oder ins "Magasinnage", also das Vorratslager nahe des Escher Viertels Hiehl.

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