Nachhaltiger Wandel sichert Zukunftsfähigkeit
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Der Übergang zu einem nachhaltigeren Wirtschaftsmodell ist in vollem Gange und die Unternehmen sollten sich darauf einstellen. Könnte der Finanzsektor ein Motor für den nachhaltigen Übergang sein? Darüber sprechen wir in der aktuellen Episode des Podcasts Evergreens by Spuerkeess, die nun auch als Artikel verfügbar ist.
Bryan Ferrari diskutiert mit seinen drei Gästen über finanzielle und wirtschaftliche Nachhaltigkeit: Anne-Marie Loesch, Head of Sustainability & Business Development bei der Handelskammer, Michel Wursteisen, QSHE Security & Compliance Manager bei Wallenborn Transports SA und Romy Reding ESG-Projektleiterin bei Spuerkeess sowie Co-Leiterin des Transition Enabler Programms.
Wie kann das Finanzwesen ein Motor für den nachhaltigen Übergang sein und welche Instrumente stehen den Unternehmen zur Verfügung, um diese Herausforderungen besser zu antizipieren? Gemeinsam entschlüsselen sie die Auswirkungen der ESG-Standards auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Finanzierung von Unternehmen.
Bryan Ferrari: Sprechen wir über Nachhaltigkeit. Nicht unbedingt im Finanzbereich, sondern im Unternehmenskontext. Denn auch dieser hat Bedürfnisse und Anforderungen. Welche sind das konkret?
Anne-Marie Loesch: Im Finanzbereich spielt die ESG-Regulierung – also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung – eine zunehmend wichtige Rolle. Diese betrifft mittlerweile auch Unternehmen direkt, insbesondere im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der ESG-Reportingpflicht – also zur Umwelt-, Sozial- und Governance-Performance – unterliegen Unternehmen bereits seit einiger Zeit. Manche Anforderungen bestehen schon seit 2014. Unternehmen wie ArcelorMittal beispielsweise erstellen solche Berichte schon seit vielen Jahren. Allerdings hat sich gezeigt, dass es hinsichtlich der Standardisierung der Informationen sowie im Hinblick auf Greenwashing erhebliche Schwächen gab – vor allem deshalb, weil es bislang keine einheitlichen Standards gab. Genau hier setzt ein neues Kapitel an: das Zeitalter des Green Deal. Die Europäische Union hat sich ambitionierte Ziele in Richtung Klimaneutralität gesetzt und im Rahmen dessen die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) eingeführt. Diese soll als Hebel dienen, um die gesetzten Nachhaltigkeitsziele auch tatsächlich zu erreichen.

Anne-Marie Loesch
Anne-Marie Loesch: Ziel war es auch, den Zugang zu ESG-Daten zu vereinfachen und mehr Transparenz zu schaffen, um Kapital gezielter in nachhaltige Investitionen und Projekte zu lenken. Eine weitere Neuerung ist die Einführung einheitlicher Standards, die es erforderlich machen, dass alle Unternehmen über dieselben Themen berichten. Dadurch werden die Daten vergleichbar, und Unternehmen haben die Möglichkeit, sich über ihre Nachhaltigkeitsleistung voneinander abzuheben. Zudem wurde eine Prüfungspflicht eingeführt – allerdings mit einem begrenzten Maß an Prüfungsintensität (Limited Assurance). Für Unternehmen, die nicht direkt von der Richtlinie betroffen sind, wurde ein freiwilliger Standard geschaffen: der VSME – Voluntary Standards for SMEs.
Bryan Ferrari: Ganz schön viel auf einmal! (lacht) Zusammengefasst zielt die CSRD also darauf ab, die Qualität der Unternehmensberichterstattung und der zugrunde liegenden Daten zu verbessern, Transparenz zu fördern und den Vergleich zwischen Unternehmen zu ermöglichen. Aber dann kam kürzlich ein kleiner Erdrutsch…
Michel Wursteisen: Ja, genau. Wir unterlagen bis vor wenigen Tagen noch den Anforderungen der CSRD. Aus regulatorischer Sicht tun wir das jetzt nicht mehr. Aber faktisch schon – warum? Weil wir Teil der Wertschöpfungskette größerer Unternehmen sind. Diese stellen uns im Rahmen ihrer eigenen Nachhaltigkeitsstrategie Anforderungen, denen wir faktisch nachkommen müssen – auch wenn wir das in vielen Punkten ohnehin schon seit Jahren tun. Gerade im Transportsektor denkt man beim Stichwort „Nachhaltigkeit“ oft zuerst an CO₂-Emissionen. Aber es geht um viel mehr als nur CO₂. Es geht um Umweltfragen im Allgemeinen, ebenso wie um soziale Aspekte und gute Unternehmensführung – also ESG in seiner ganzen Breite.
Bryan Ferrari: Kann man sagen, dass die Entwicklung in den USA zu einem regulatorischen Rückschritt in Europa geführt hat?
Anne-Marie Loesch: Insgesamt gab es in Europa tatsächlich eine erneute Diskussion zu diesen Themen. Es wurden unter anderem der Draghi-Bericht und weitere Studien im Auftrag der Europäischen Kommission veröffentlicht, die die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärker in den Fokus rücken. Manche Stimmen vertreten die Ansicht, dass die europäischen Regulierungen der letzten Jahre die Wettbewerbsfähigkeit eher geschwächt haben. Wichtig ist aber festzuhalten: In der europäischen Wettbewerbsstrategie spielt die Dekarbonisierung weiterhin eine zentrale Rolle. Die Nachhaltigkeitsziele wurden also nicht grundsätzlich infrage gestellt – sie stehen jetzt lediglich im Spannungsfeld mit anderen Prioritäten wie Innovation, technologische Wettbewerbsfähigkeit (etwa im Bereich Künstliche Intelligenz) und Sicherheitsfragen. Um die Ziele dennoch zu erreichen, liegt der aktuelle Fokus auf dem Abbau administrativer Belastungen für Unternehmen.
Bryan Ferrari: Wie bereits erwähnt: Große Unternehmen müssen sich weiterhin an die CSRD halten, kleinere Unternehmen können dies freiwillig tun. War die bisher geleistete Arbeit also nicht umsonst?
Michel Wursteisen: Auf keinen Fall. Wenn ich mir unsere Wertschöpfungskette ansehe, dann läuft alles in die richtige Richtung. Unsere Kunden verlangen diese Informationen von uns – dadurch ist die gesamte Kette betroffen. Ich möchte auch noch einmal auf die vorherige Frage eingehen, in der es darum ging, ob die Entwicklungen in den USA Europas Entscheidung beeinflusst haben, bei der Umsetzung der CSRD ein wenig auf die Bremse zu treten. Persönlich sehe ich das etwas anders. Wenn wir heute über Energieunabhängigkeit sprechen, sehen wir globale Machtblöcke: Russland steht für Öl und Gas, die USA ebenso, China für Kohle und zahlreiche andere Energiequellen – und sie planen, in den kommenden Jahren 150 neue Atomreaktoren in Betrieb zu nehmen. Die arabischen Länder stehen – wie seit Jahrzehnten – für Öl. Und Europa? Das ist die zentrale Frage. Meiner Meinung nach war der eingeschlagene Weg mit der CSRD ein sehr, sehr guter Schritt. Denn eines ist klar: Ohne Energie geht nichts.
Bryan Ferrari: Auch wenn viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht vollständig an die CSRD gebunden sind, bleibt sie doch ein extrem wichtiger Faktor – weil Lieferanten, Kunden und auch Banken viele Informationen von den KMU einfordern, richtig?
Romy Reding: Ganz genau. Das ist der Beitrag, den Banken in diesem Zusammenhang leisten müssen. Die Europäische Kommission hat den Banken eine Schlüsselrolle im Rahmen der Energiewende zugewiesen – insbesondere bei der gezielten Lenkung von Kapital in nachhaltige und grüne Projekte. Wir als Bank haben uns das Ziel gesetzt, unsere Geschäftskunden auf ihrem Weg durch die Energiewende aktiv zu begleiten und für das Thema zu sensibilisieren. Die größte Herausforderung für viele Unternehmen besteht aus unserer Sicht darin, zu verstehen, welche Daten für ihre Stakeholder – also für Banken, Geschäftspartner und Kunden – wirklich relevant sind. Für uns Banken gibt es klare Empfehlungen, insbesondere von der Europäischen Zentralbank, ESG-Kriterien in den Kreditvergabeprozess zu integrieren. Deshalb stellen wir unseren Kunden ein Tool zur Verfügung, mit dem sie genau die ESG-Daten erheben können, die wir als Bank benötigen.
Michel Wursteisen: Ich möchte der Spuerkeess ausdrücklich dafür danken, dass sie das Projekt Transition Enabler initiiert hat. Es schlägt die Brücke zwischen Nachhaltigkeitsberichterstattung und Finanzberichterstattung. Denn klar ist: Wenn ein Unternehmen zur Spuerkeess kommt und sagt, „Wir möchten 50 neue Traktoren anschaffen“, dann lautet die erste Frage: Zeigen Sie uns Ihren Finanzbericht. Was kostet das? Sechs Millionen Euro? Wie schnell wollen Sie das zurückzahlen? Leasing über fünf Jahre? Und dann stellt sich natürlich die Frage: Was passiert in fünf Jahren? Das sind Sorgen, die heute in den Köpfen aller Unternehmer präsent sind.
Ja, wir befinden uns in einer angespannten geopolitischen Lage. Aber ich möchte ein einfaches Sprichwort zitieren: „Auf jedem Schlachtfeld wächst irgendwann wieder Gras.“ Das Schlachtfeld liegt derzeit (noch) nicht direkt in Europa, aber sehr wohl an seinen Grenzen. Die entscheidende Frage ist: Wird dort wieder Gras wachsen? Ich hoffe es. Und es liegt an der Wirtschaft und an den Banken, alles dafür zu tun, dass neues Leben entstehen kann.

Michel Wursteisen
Anne-Marie Loesch: Verpflichtung hin oder her – das ändert nichts an der Tatsache, dass Nachhaltigkeit ein zentrales Thema für Unternehmen bleibt. Ich denke, man sollte es vielmehr als Leistungshebel für Unternehmen begreifen. Auf der einen Seite steht das Finanzielle, auf der anderen das Nicht-Finanzielle – aber das Nicht-Finanzielle wirkt sich eben auch auf das Finanzielle aus. Es geht darum, beides als Einheit zu sehen, als Gesamtkonstrukt, das Unternehmen aktiv steuern und gut managen müssen.
Das gilt auch im sozialen Bereich – den man gerne mal vergisst. Investitionen in Weiterbildung, in Maßnahmen zur Förderung des Wohlbefindens am Arbeitsplatz oder in eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben haben eine klare Wirkung: Mitarbeitende sind motivierter, engagierter – und das zahlt sich auch in der Performance des Unternehmens aus. Anstatt Nachhaltigkeit also nur als Wachstumsbremse zu sehen, sollte man sie vielmehr als Motor betrachten, der Unternehmen zukunftsfähiger, leistungsstärker und resilienter macht.
Michel Wursteisen: Sie haben gerade ein Stichwort genannt, das mir besonders am Herzen liegt: Weiterbildung. Wenn ein Unternehmen – ob im Transportbereich oder etwa in der Tischlerei – ein qualitativ hochwertiges und sicheres Produkt oder eine verlässliche Dienstleistung anbieten möchte, dann muss es seine Mitarbeitenden entsprechend schulen. Und zwar nicht nur im Open Space von Angesicht zu Angesicht, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Denn nur gemeinsam mit der Kette kann man die Erwartungen der Endkunden erfüllen.
Ein sehr konkretes Beispiel: Im August 2023 haben wir bei Wallenborn die Wallenborn Academy ins Leben gerufen – eine eigene digitale Lernplattform. Warum? Während der COVID-Zeit war es schlichtweg nicht möglich, Schulungen in Präsenz durchzuführen. Damals waren wir froh, wenn die LKWs überhaupt fahren konnten. Aber wir haben alles daran gesetzt, unsere Fahrer und Mitarbeitenden entlang der ganzen Kette zu schützen – und gleichzeitig die Wirtschaft am Laufen zu halten. Am Ende haben wir sogar die COVID-Impfstoffe unter Polizeieskorte transportiert.
Heute stehen wir vor einer anderen Realität: dem Klimawandel. Der ist längst da – denken wir nur an die Tornados in Luxemburg. Viele haben das vielleicht schon wieder vergessen – außer jenen, die ihre Häuser reparieren mussten. Oder an die Überschwemmungen in Frankreich – 1500 Gemeinden dort können ihre kommunalen Gebäude nicht mehr versichern. In Los Angeles haben Waldbrände gewütet. Man muss sich nur fragen: Was passiert mit den Banken, die Villen für mehrere Millionen Dollar finanziert haben? Wie wollen sie das Geld zurückbekommen?
Der Punkt ist: Die Auswirkungen sind gewaltig. Es geht darum, vorauszudenken und vorbereitet zu sein
"Pflicht oder nicht Pflicht, das ändert nichts an der Tatsache, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema für Unternehmen bleibt."
Anne-Marie Losch, Handelskammer
Romy Reding: Ein paar Worte zur Erklärung unseres Programms Transition Enabler: Unser Hauptziel ist es, unsere Kundinnen und Kunden für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren, sie aktiv zu begleiten – und ihnen gleichzeitig ein konkretes Werkzeug zur Verfügung zu stellen.
Was ist dieses Tool? Wir haben zunächst eine Pilotphase mit rund zehn Unternehmen unterschiedlicher Größe und Reifegrade durchgeführt – von kleinen bis hin zu großen Unternehmen – um dieses Tool im praktischen Einsatz zu testen. Im Zentrum steht ein ESG-Fragebogen, der auf den freiwilligen Standards für KMU (VSME – Voluntary Standards for SMEs) basiert.
Ziel dieses Fragebogens ist es, den ESG-Reifegrad eines Unternehmens zu erfassen – also: Wo stehen wir heute? Welche Daten werden von Stakeholdern erwartet? Wo liegen unsere Schwächen? Und wo gibt es Verbesserungspotenzial? Es geht darum, diesen Reifegrad über die Zeit hinweg gezielt weiterzuentwickeln.
Parallel dazu haben wir ein Transition-Enabler-Ökosystem aufgebaut, das etwa zehn Schlüsselakteure im Bereich Nachhaltigkeit in Luxemburg umfasst. Die Idee dahinter ist, unsere Kunden dabei zu unterstützen, sich als aktive und verantwortungsvolle Teilnehmer in diesem Ökosystem zu positionieren. Deshalb war es für uns besonders wichtig, nicht nur unsere Kundinnen und Kunden zu sensibilisieren – sondern auch unsere Beraterinnen und Berater, damit sie diese gezielt unterstützen können.
Bryan Ferrari: Nehmen wir an, ich bin ein KMU mit 40 Mitarbeitenden und möchte mich im Bereich Nachhaltigkeit weiterentwickeln. Wie gehe ich das an? Wende ich mich an meine Bank? An die House of Sustainability? Was ist der richtige erste Schritt?
Romy Reding: Das hängt vom jeweiligen Unternehmen und dem konkreten Einstiegspunkt ab. Wenn der Unternehmer beispielsweise gerade zu einem Finanzierungsgespräch bei seiner Bank ist, wird der Berater das Thema mit hoher Wahrscheinlichkeit ansprechen – und ihm direkt den ESG-Fragebogen anbieten, um den Reifegrad zu ermitteln. Auf Basis der Ergebnisse kann er dann an die passenden Akteure weitervermittelt werden. Viele Unternehmen wenden sich aber auch direkt an die House of Sustainability oder die Handwerkskammer.
Anne-Marie Loesch: Das hängt tatsächlich auch stark von der Reife und Vorerfahrung des Unternehmens im Bereich Nachhaltigkeit ab. Unternehmen, die sich schon länger mit diesen Themen beschäftigen, haben meist bereits ihre direkten Ansprechpartner. Für viele andere wiederum ist die Bank der erste Anlaufpunkt, die dann die Orientierung übernimmt. Genau diese Rolle der Bank als Koordinatorin im Rahmen des Transition Enabler ist entscheidend – denn es gibt sehr viele verschiedene Akteure, Programme und Unterstützungsmaßnahmen, die Unternehmen auf diesem Weg begleiten. Und die Bedürfnisse der Unternehmen sind vielfältig und verändern sich mit der Zeit.
Wir bieten beispielsweise gezielte Weiterbildungen an, damit Unternehmen die nötigen Kompetenzen aufbauen können – denn häufig sind diese Themen noch recht neu. Außerdem entwickeln wir gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium Förderprogramme, mit denen nachhaltige Projekte realisiert werden können, um die Umweltauswirkungen zu reduzieren. Der Nachhaltigkeitsbericht ist dabei nur der Ausgangspunkt – er ist ein Instrument, mit dem man die Entwicklung langfristig steuern und verbessern kann.
Michel Wursteisen: Als ich von der Uni kam, war „Nachhaltige Entwicklung“ noch kaum ein Begriff. Die ersten Berichte dazu gab es ab 2004 – damals sagten die ersten Experten: Ein heute investierter Euro spart dir in den nächsten zehn Jahren fünf Euro im Bereich der nachhaltigen Entwicklung. Der Impuls der Europäischen Kommission – insbesondere mit der CSRD – war, verzeihen Sie den Ausdruck, ein kleiner „Tritt in den Hintern“. Und der war nötig. Unternehmen merkten: Wir müssen etwas tun. Ein Nachhaltigkeitsbericht – das ist nicht nur ein Umweltbericht. Es geht darum, zu erkennen: Wir haben eine Wertschöpfungskette, wir haben Mitarbeitende, die eine andere Haltung mitbringen. Die Generation meines Vaters – er war stolz auf 40 Dienstjahre, war glücklich, draußen zu arbeiten, hatte Kohle im Keller und heizte damit seine Familie. Diese Zeiten sind vorbei. Heute braucht es ein neues Bewusstsein – und vor allem Menschlichkeit.

Romy Reding
Romy Reding: Einige unserer Kunden – und auch unsere Beraterinnen und Berater – sagen uns, dass sie gar nicht wissen, wo sie anfangen sollen. Dass sie nicht wissen, wie sie es überhaupt angehen sollen. Genau aus diesem Grund haben wir beim Start unseres Programms angekündigt, dass wir branchenspezifische Workshops mit unseren Kunden organisieren werden. In diesen Workshops nehmen wir uns drei Stunden Zeit, um gemeinsam mit rund zehn Unternehmen durchzugehen, welche ESG-Daten erwartet werden, wie man sie sammelt – und welche Chancen sich daraus ergeben können. Wir bringen sie mit den relevanten Akteuren zusammen und zeigen ihnen auch auf, welche Finanzierungsmöglichkeiten für ihre nachhaltigen Projekte und ihre Energiewende zur Verfügung stehen.
Unsere Rolle als Bank ist es schließlich auch, diese Transformation zu finanzieren – und bessere Konditionen für jene zu schaffen, die engagiert und motiviert sind. Derzeit nutzen wir beispielsweise den Green Checker der Europäischen Investitionsbank und bieten eine Reduktion der Bearbeitungsgebühren für wirklich grüne Projekte an – etwa für Windkraft- oder Photovoltaikanlagen. Ziel ist es ganz klar, in diese Richtung zu gehen, engagierte Unternehmen zu motivieren – und sie auf unserer Website sichtbar zu machen und hervorzuheben.
Bryan Ferrari: Das heißt also, gerade junge Unternehmen, die bei null anfangen, bekommen von euch so etwas wie einen Leitfaden an die Hand – ein Pflichtenheft, das ihnen hilft, den richtigen Weg einzuschlagen. Michel, bei Ihnen habe ich das Gefühl, dass Sie schon relativ weit waren… Was hat Ihnen das Programm ganz konkret gebracht?
Michel Wursteisen: Der entscheidende Punkt ist: Man muss es dem Chef richtig erklären. Wenn man ihm sagt: Mit der CSRD müssen wir künftig einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen, fragt er sofort: Was kostet das? – in Zeit und in Geld. Die eigentliche Überzeugungsarbeit besteht also darin zu sagen: Ja, das wird etwas kosten. Aber die Kunden verlangen es, die gesamte Wertschöpfungskette verlangt es – und wir investieren in die Zukunft. Denn Herr Wallenborn hat Kinder – und vielleicht werden seine Kinder eines Tages das Unternehmen übernehmen. Also muss sein Unternehmen nachhaltig aufgestellt sein. Die Spuerkeess hat es mir im Unternehmen ermöglicht, diesen Weg glaubwürdig zu verfolgen und zu sagen: Seht her, es geht nicht nur darum, Marketing für den Kunden zu machen. Es geht nicht darum zu sagen: Wir haben ein Bienenvolk auf dem Dach, wir machen Honig und jeder Mitarbeiter bekommt im Sommer ein Glas davon.
Nachhaltigkeit ist mehr. Sie ist harte Arbeit. Sie erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen der Finanzabteilung und allen anderen Bereichen des Unternehmens.
"Als ich von der Uni kam, war „Nachhaltige Entwicklung“ noch kaum ein Begriff. Die ersten Berichte dazu gab es ab 2004"
Michel Wursteisen, Wallenborn Transports
Bryan Ferrari: Was viele vergessen, ist die eigentliche Bedeutung des Begriffs Nachhaltigkeit. Es geht um einen Zeithorizont, um Risikomanagement. Es geht um Anpassungsfähigkeit und um Resilienz. Viele Menschen denken bei Nachhaltigkeit nur an Windräder und Schulungen – aber das greift zu kurz. Nachhaltigkeit bedeutet in erster Linie, die Zukunftsfähigkeit und das langfristige Bestehen des Unternehmens sicherzustellen.
Michel Wursteisen: Ganz genau. Und zwar auf allen Ebenen: sozial, strategisch, qualitativ, sicherheitsbezogen – wirklich in allen Bereichen.
Romy Reding: Und genau dieses Risikomanagement – also die Berücksichtigung physischer Risiken und Transitionsrisiken – wird von der Europäischen Zentralbank auch von uns Banken bei der Kreditvergabe verlangt.
Michel Wursteisen: Wenn ich mich nicht irre, stand früher schon in jedem Kreditvertrag: Mit der Unterschrift verpflichten Sie sich zur Rückzahlung.
Bryan Ferrari: Ich glaube, das steht sogar in der Definition von „Kredit“. (lacht)
Michel Wursteisen: Eben! Also sollte man auch dafür sorgen, dass man langfristig stabil genug aufgestellt ist, um diesen Kredit tatsächlich zurückzahlen zu können…
