In seinem Dokumentarfilm Recruiting for Jihad gibt der Filmemacher und Journalist Adel Khan Farooq einzigartige Einblicke, wie Menschen in das Netz der Radikalisierung geraten können. Seine Werkzeuge: eine Kamera, Respekt und ehrliche Gespräche. Der Norweger mit pakistanischen Wurzeln ist im Grunde seines Herzens Künstler und beschloss, sich der Fiktion zuzuwenden. Adel erinnert sich, wie er vom passiven Beobachter zum Vorreiter wurde.
Nur wenige Journalisten können mit Fug und Recht behaupten, dass sie mit 30 Jahren bereits einflussreiche Werke geschaffen haben. Adel Khan Farooq, geboren 1991, ist einer dieser wenigen. Im Jahr 2014 begannen er und sein Co-Regisseur Ulrik Imtiaz Rolfsen mit den Dreharbeiten zu einem damals noch unbenannten Dokumentarfilm, von dem sie nur eine vage Vorstellung hatten, wohin er führen würde. Sein Protagonist: Der inzwischen verurteilte norwegische IS-Rekrutierer Ubaydullah Hussain. Adel wollte verstehen, wie der Mann, mit dem er so viel gemeinsam hatte, einen so radikal anderen Lebensweg einschlagen konnte.
Eine einzige, einfache Antwort auf diese Frage hat er zwar nicht gefunden, aber sein Dokumentarfilm enthüllt Bruchstücke anderer Antworten: Wie arbeiten Anwerber für radikale fundamentalistische Gruppen? Was treibt junge Menschen dazu, ihr Leben für eine terroristische Organisation in einem Land zu opfern, das sie nie betreten haben? Adel hat den Rekrutierter zwei Jahre lang begleitet. Mindestens ein junger Norweger starb in Syrien, nachdem er von Hussain kontaktiert - und von Adel gefilmt - worden war. Ein anderer, gerade 18 Jahre alt, wurde verhaftet, bevor er seinen Flug nach Syrien antrat, auf dem Weg, für seine neu entdeckte Berufung zu kämpfen, nachdem er sein ganzes Leben lang „für das Wochenende“ gelebt hatte.
Direkt nach der Verhaftung des 18-jährigen machten sowohl Adel als auch der Koproduzent des Films, Ulrik Imtiaz Rolfsen, selbst Schlagzeilen: Die Polizei hatte Rolfsens Wohnung durchsucht, weil ihr Filmmaterial Beweise gegen den 18-Jährigen auf dem Weg nach Syrien liefern könnte. Die Beschlagnahmung, die in der Journalistengemeinde international für Empörung sorgte, wurde vom obersten norwegischen Gericht als Verstoß gegen das Recht der Journalisten auf Schutz ihrer Quellen aufgehoben. Das Urteil wurde 2015 mit dem Global Freedom of Expression Prize ausgezeichnet. Die Ermittlungen forderten einen hohen Tribut von dem Projekt: Quellen zogen sich zurück, der Informationsfluss verlangsamte sich. Dennoch verfolgte Adel Hussain weiter, bis er schließlich noch im selben Jahr verhaftet und der Unterstützung einer terroristischen Organisation und der Rekrutierung für diese beschuldigt wurde. Seine Verhaftung bedeutete das Ende der dokumentarischen Arbeit. Der Film wurde zwei Jahre später unter dem Namen Recruiting for Jihad – Der Norwegische Islamist veröffentlicht.
Für den Regisseur Adel Khan Farooq bedeutete dies, dass er sich neuen Horizonten zuwenden konnte. Sein erster Roman Mine brødre (Meine Brüder) wurde 2016 veröffentlicht, und sein erster Animationskurzfilm ist derzeit für die Berlinale 2021 nomminiert. Sein erster Spielfilm ist in der Mache, immer „mit einem soliden journalistischen Hintergrund“, wie er sagt. Adels Erfahrungen mit Radikalisierung haben ihn zu einem gefragten Redner zu diesem Thema gemacht. Am 29. und 30. Dezember 2021 wurde er zu dem von der gemeinnützigen Organisation respect.lu organisierten Workshop „Recruiting for democracy“ eingeladen, wo er über seinen Film sprach.Wie haben seine Erfahrungen seine Arbeit geprägt, und wie ist das Leben, nachdem er jahrelang Seite an Seite mit fundamentalistischen Extremisten verbracht hat?
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