„Man lernt die Welt nicht auf Google kennen“

Von Pascal SteinwachsLex Kleren

Jean Asselborn ist schon so lange Luxemburger Chefdiplomat, dass junge Leute sich an keinen anderen Außenminister erinnern dürften. Die Lust an seinem nervenaufreibenden Job ist Asselborn, der auch bei den Wahlen 2023 noch einmal antreten will, trotzdem immer noch nicht vergangen.

Das Interview mit Jean Asselborn musste wegen der prall gefüllten Agenda des Außenministers mehrmals verschoben werden, zuletzt wegen einer Unterredung des luxemburgischen Chefdiplomaten mit dem Sondergesandten des US-Präsidenten für das Klima, seinem guten Freund John Kerry. Dann fand sich aber doch noch ein Termin für das sehr ausführliche Gespräch, das am Dienstagabend nach 18.00 Uhr geführt wurde. Die Stadt war indes wie ausgestorben, das Außenministerium ebenfalls, wo Jean Asselborn uns pünktlich auf die Minute empfing, obwohl er gerade von einem anderen Termin kam.

Seine politische Karriere begann der 1949 in Steinfort geborene Asselborn in seiner Geburtsstadt, wo er von 1982 bis 2004 Bürgermeister war. In die Abgeordnetenkammer gewählt wurde der sozialistische Politiker erstmals 1984. 1989 übernahm er den Fraktionsvorsitz der LSAP, deren Parteipräsident er von 1997 bis 2004 wurde. Nach den Wahlen von Juni 2004 wurde er Vizepremier und Außenminister in einer CSV/LSAP-Koalition, ein Amt, das er auch nach den Wahlen von 2009 im Juncker/Asselborn II-Kabinett behielt. Im Dezember 2013 folgte ihm Etienne Schneider als Vizepremier in einer blau-rot-grünen Koalition; Asselborn blieb aber Außenminister - inzwischen der dienstälteste der EU und der drittälteste der Welt nach den Außenministern von Turkmenistan und Russland. Auch bei der Neuauflage von BlauRotGrün blieb Jean Asselborn Außenminister, der auch noch Minister für Immigration und Asyl ist.

Lëtzebuerger Journal: Sie sind nun schon seit Juli 2004 luxemburgischer Außenminister. Wie schaffen Sie es, nach all den Jahren immer noch motiviert zu sein?

Jean Asselborn: (lacht) Ich bin der Meinung, dass einer, der nicht motiviert ist, und das gilt sowohl für das Fahrradfahren als auch für den Garten und die Politik, einpacken soll. Manchmal muss man allerdings, und das gilt besonders für einen Außenminister, die Zähne zusammenbeißen.

Was macht ein Außenminister, wenn er, wegen dem Coronavirus, nichts ins Ausland darf und nicht reisen kann?

Es ist ja nicht so, dass ich gar nicht mehr ins Ausland reise, doch die Sitzungen, auch diejenigen in Brüssel, sind seltener geworden. Am Montag dieser Woche trafen die EU-Außenminister sich indessen wieder zu einer Präsenzsitzung in Brüssel; ich finde es gut, dass Joseph Borrell (der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, d. Red.) darauf pocht, sich, wenn nur möglich, zu physischen Sitzungen zu treffen. Ich könnte mir auf jeden Fall nicht vorstellen, dass ich jetzt Außenminister würde und ich hätte vorher nie die Möglichkeit gehabt, die Welt zu sehen – dann wäre ich verloren. Die, die es jetzt werden, und die nie in einer Situation waren, wo sie vor Ort ihren Job gemacht haben, die verstehen die Welt nicht. Man lernt die Welt nicht auf Google kennen.

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