Editorial: Was hat die Politik denn für die politikverdrossene Jugend getan?

Von Misch Pautsch

Die Jugend in Luxemburg verliert zunehmend das Vertrauen in die Demokratie. Dies wird gerne als PR-Problem abgetan: "Würden die Jungen nur wissen, wie Demokratie funktioniert und was sie tut, würden sie ihr auch vertrauen." Doch was tatsächlich nötig wäre ist eine ehrliche, möglicherweise schmerzhafte Selbstreflexion: Liebe Demokratie, was hast du denn wirklich vorzuweisen, um ihr Vertrauen zu verdienen?

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35 Prozent der Jugendlichen zwischen 18 und 24 in Luxemburg gaben in der aktuellen Polindex-Studie an, dass Demokratie für sie nicht länger zwingend "die beste Regierungsform" sei. Unter jungen Ausländer*innen liegt dieser Wert sogar bei über 50 Prozent. Chamberpräsident Claude Wiseler erkennt darin primär ein Bedürfnis nach mehr "Gesprächen über Demokratie, Freiheit, Institutionen und die Funktionsweise des Landes", um "die Jugend davon zu überzeugen, dass Freiheit und Demokratie extrem wichtige Werte sind." Kurz gesagt: Er diagnostiziert ein PR-Problem. Doch stimmt das wirklich?

Man muss sich fragen: Worauf genau würde Herr Wiseler, stellvertretend für die Politik, konkret zeigen, um jungen Menschen glaubhaft zu vermitteln, dass Demokratie – die einzige ihnen vertraute Regierungsform – für sie tatsächlich funktioniert und ihre Interessen mit mehr als symbolischen Gesten vertritt?

Denn für die Jugend hat die Politik in ihrer bisherigen Lebenszeit erbärmlich wenig geleistet. Hier nur einige der offensichtlichsten Beispiele für ihr Versagen, die junge Menschen disproportional härter treffen als ältere Generationen: Klimakrise, Wohnungskrise, wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich, steigende Depressionsraten, Jugendarmut, Biodiversitätskrise, Rentenunsicherheit und Inflation.

Über all diese Probleme schwadroniert "die Demokratie" seit Jahrzehnten, gelöst hat sie keines davon. Für viele sind noch nicht mal glaubwürdige Lösungsansätze erkennbar. Schlimmer noch: Viele dieser Krisen sind im Rahmen demokratischer Prozesse entstanden oder verschärft worden. Und sie werden nicht gelöst, weil jene, die davon profitiert haben – meist ältere Generationen –, notwendige Veränderungen auf demokratischem Wege verhindern. Natürlich bedeutet dies nicht, dass andere Regierungsformen diese Probleme lösen würden – wahrscheinlich nicht. Aber woher soll die Jugend das wissen, wenn ihnen erlebte Vergleichswerte fehlen? Was sie sehen, ist schlicht: Das aktuelle System erfüllt sein Versprechen nicht, ihnen ein besseres, oder in zunehmenden Fällen auch nur gutes Leben zu sichern.

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