Mit der Orange Week rückt Luxemburg Gewalt gegen Frauen in den Mittelpunkt. Doch Einzelaktionen, Debatten und Workshops können nicht über die Realität hinwegtäuschen: ein massives Dunkelfeld, Betroffene ohne ausreichende Unterstützung – und politische Versprechen, die endlich mehr sein müssen als Worte.
Dieser Artikel wird dir gratis zur Verfügung gestellt. Wenn du unser Team unterstützen willst, schließe jetzt ein Abo ab.
Heute läuft die diesjährige Orange Week an – jene rund zwei Wochen im Jahr, in denen Luxemburg seine Aufmerksamkeit bewusst auf Gewalt gegen Frauen richtet. Mit Filmvorführungen, Diskussionen, Workshops und Aktionen, koordiniert vom Conseil National des Femmes du Luxembourg (CNFL) und Zonta Lëtzebuerg, entsteht ein dichtes Programm, das Betroffenen Raum gibt und der Gesellschaft zeigt, dass Schweigen keine Option ist.
Sie erinnert auch daran, dass das Thema uns das ganze Jahr über begleitet, oder zumindest begleiten sollte. Um mit der Tür ins Haus zu fallen: Wir alle kennen Frauen, die Gewalt erlitten haben. Psychische, finanzielle, körperliche, und vor allem auch sexualisierte Gewalt, die weit über Catcalling auf der Straße hinausgeht und sich hinter geschlossenen Türen in eigentlich sicheren Räumen abspielt. Laut einer Statec-Studie aus dem Jahr 2022 soll etwa jede zehnte Frau in Luxemburg Opfer einer Vergewaltigung oder eines Vergewaltigungsversuchs geworden sein. Bei Frauen zwischen 16 und 24 soll jede sechste sexuelle Gewalt erlitten haben.
Das tatsächliche Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt bleibt aber nur schwer statistisch ermittelbar. Hier redet man von unsichtbaren Opfern, jenen im Dunkelfeld, die sich nicht trauen, ihre Erfahrungen anzusprechen, erst recht nicht zur Polizei gehen, oder vielleicht gar nicht verstehen, was ihnen passiert ist.
In meinem Umfeld häufen sich Erfahrungen unsichtbarer Gewalt. Besonders schwer verdaulich ist, dass es sich bei diesen Personen überwiegend um 16- bis 24-Jährige handelt, deren Körper als nach Lust und Laune verfügbare Gegenstände interpretiert und missbraucht wurden. Die Art von Gewalt, die man erst Jahre später als solche erkennt, weil man sich damals dachte: "Das ist halt Liebe, ich vertraue der Person doch." In Wahrheit handelte es sich dabei jedoch um klare, grenzüberschreitende Vertrauensbrüche, mit denen die entsprechenden Personen Jahre später immer noch kämpfen, und die ihnen es erschweren, sich in neuen Beziehungen sicher und geborgen zu fühlen.
So kenne ich eine junge Frau, die sich Zeit lassen wollte, aber deren Freund nach einigen Monaten zunehmend ungeduldig wurde – und schließlich im Dunkeln, als "Kompromiss", ihre Hand nahm, um sie sich in seinen Schritt zu stecken. Die nächste wurde während einer Panikattacke von ihrer damaligen Freundin zum Sex gezwungen. "Dann beruhigst du dich endlich mal", so die Täterin – und zog ihr die Hosen aus. Eine andere, deren deutlich älterer Freund ihr regelmäßig den Kopf ins Kissen drückte, weil er ihr regloses Gesicht nicht sehen wollte, während er sie schonungslos vergewaltigte. Ja, vergewaltigte. Denn sie sagte nie "Ja", aber auch nicht "Nein", denn er hätte eh nie zugehört. Sie gehörte ihm.
Ich könnte jetzt noch eine Weile so fortfahren, doch gehe davon aus, dass Sie den Punkt verstehen – und sich womöglich selbst gerade an Freund*innen oder Familienmitglieder erinnern, die ihnen immer wieder andere, und doch sich im Kern ähnelnde Geschichten anvertraut haben. Diese Freund*innen und Familienmitglieder mögen sogar oftmals berichten, dass die Partnerpersonen sich ihrem Fehlverhalten nicht vollstes bewusst waren, nicht aus Böswilligkeit gehandelt hatten. Immerhin sei man in einer Beziehung gewesen, und es sei ja doch irgendwie nachvollziehbar, dass man jederzeit für Sex zur Verfügung stehen müsse, auch wenn man eigentlich gerade keine Lust verspürt.
Freier Zugang zum Rest des Artikels
Du kannst diesen Artikel kostenlos abrufen, wenn du unseren Newsletter abonnierst, der zweimal pro Woche versandt wird. Du brauchst außerdem ein Journal-Konto.
Du hast bereits ein Konto?
Einloggen