Chatbots werden immer mehr ein Teil unseres Alltags – sie werden cleverer, praktischer … menschlicher? Berichte über Leute, die mit Chatbots romantische Beziehungen führen häufen sich. Doch was sagt die Psychologie dazu? Ab wann wird es ungesund, sich mit Chatbots zu unterhalten? Was sind die Gefahren? Und können wir Roboter tatsächlich lieben?
Lange vorbei sind die Zeiten, in denen Computer wie kühle, distanzierte Programme mit uns kommunizieren. Stattdessen geben sie sich immer menschlicher – und zunehmend intimer. OpenAI soll ChatGPT in Zukunft Erotika verfasssen lassen, xAI hat mit "Ani" einen Chatbot erstellt, der darauf programmiert ist, ein "Begleiter" in Anime-Optik samt kurzem Rock zu sein. Gleich mehrere Unternehmen konkurieren mit Chatbots, die bestimmte Charatere – fiktiv, historisch, oder gegenwärtig – nachahmen. Während selbst relativ sterile KI-Stimmen heute schon überzeugende Gespräche führen können, stellen diese Companion-Apps den Anschein "sozialer" Fähigkeiten der Programme in den Vordergrund: sie fragen, wie der Tag war, lachen über Scherze, geben emotionelle Bestätigung.
Die Technologie ist noch jung, selbst im Kontext der sich rasant entwickelnden Technologie. Dennoch sind Medien und das Internet jetzt schon durchzogen von Berichten über Menschen, die sich in dieser Illusion von Partnerschaft verlieren. Mit welchem Bauchgefühl beobachten Psycholog*innen diese rapide Entwicklung? Dr. André Melzer ist Assistenz-Professor für Psychologie an der Universität Luxemburg und konzentriert sich neben Medienpsychologie auch auf das Phänomen von Anthropomorphesierung, also unserer Tendenz, unbelebten Dingen menschlische Eigenschaften zuzuschreiben. Umso einfacher wird dies, wenn das Programme sind, die überzeugend "Mensch spielen" und es so für uns immer einfacher machen, mehr als eine Maschine in ihnen zu sehen.
Lëtzebuerger Journal: Es wird medial viel über romantische oder freundschaftliche Beziehungen zu KIs geredet. Ist das überhaupt ein reales Phänomen und wie weit ist es wirklich verbreitet?
Dr. André MELZER: Wir müssen hier zunächst von parasozialen Beziehungen sprechen – das sind Beziehungen, die einer realen Beziehung ähneln, aber eben keine sind. Der Kern dieser an sich einseitigen Beziehung, sei es mit einem Popstar oder Fernsehmoderator, war schon immer die Illusion der Gegenseitigkeit, die das emotionale Engagement fördert.
Der große und revolutionäre Unterschied zu früher ist jedoch, dass die modernen KI-Chatbots einen echten Feedback-Loop bieten. Sie reagieren auf uns, und sie reagieren zunehmend mit Emotionalität. Die Beziehung wandelt sich also von einer statischen, einseitigen Bindung hin zu einer adaptiven, interaktiven, die eine nochmals stärkere Illusion von Gegenseitigkeit schafft. Diese Interaktivität ist die Grundlage, auf der solche Beziehungen überhaupt erst entstehen könnten.
Ob sie es aber in großem Stil tun, ist Gegenstand aktueller Forschung, von der es schlicht noch relativ wenig gibt. Es ist alles noch etwas zu neu. Was wir bisher sehen, ist eine starke Konzentration auf die Zielgruppen der Millennials und der Generation Z sowie eine auffällige räumliche Verortung in Asien. Die meisten aktuellen Veröffentlichungen aus den Jahren 2024 und 2025 stammen aus China, Taiwan oder Korea, was vermutlich mit der dort generell höheren Technologieakzeptanz zusammenhängt. Aber auch das sind nur Fallstudien, die vor allem von Abhängigkeitssymptomatiken mit ChatGPT sprechen, aber das sind eben Einzelfälle. Eine verlässliche, quantitative Befundlage, die zuverlässige Aussagen für die Gesamtheit zulässt, gibt es noch nicht.
Du willst mehr? Hol dir den Zugang.
-
Jahresabo185,00 €/Jahr
-
Monatsabo18,50 €/Monat
-
Zukunftsabo für Abonnent*innen im Alter von unter 26 Jahren120,00 €/Jahr
Du hast bereits ein Konto?
Einloggen