Das Luxemburger Handwerk - Philippe Kohn
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Die Plakate seiner Erfolge zieren die weißen Wände des Studios von Philippe Kohn: Als Mitbegründer von Philophon hat er mit den größten Namen des europäischen Kinos zusammengearbeitet. Von hier aus schafft, bearbeitet und mischt er mit seinem Team den Sound für den nächsten Kino-Geheimtipp.
In Bettemburg scheint die Sonne. Perfektes Wetter, um draußen zu bleiben. Doch am Ende einer kleinen Gasse steht ein modernes Haus aus Holz mit großen Fenstern, das einen dazu einlädt, einen Blick hineinzuwerfen. Auf der Klingel steht Philophon. Kaum hat man darauf gedrückt, steht auch schon der Besitzer vor der Tür.
Die Spitze des europäischen Kinos
Mit einer Sonnenbrille auf dem Kopf und einem großen Lächeln empfängt uns Philippe Kohn. Der Kontakt zu Menschen scheint ihm leicht zu fallen. Das ist nicht verwunderlich, wenn man weiß, dass er bei seiner Arbeit mit den großen Namen des europäischen Kinos zusammenarbeitet. „Philophon macht alles, was nötig ist, um einen Film zu vertonen; den Schnitt – das Sounddesign –, die Aufnahme von Geräuschen und schließlich das finale Abmischen“, erklärt er. Das macht das Unternehmen so einzigartig in Luxemburg.
Die Eingangshalle ist wie der Rest des Hauses mit Parkettboden ausgelegt. Unzählige Filmplakate zieren die weißen Wände: Produktionen, an denen das Unternehmen mitgewirkt hat. Die Serie Bad Banks, der Film Le tout nouveau testament mit Benoît Poelvoorde oder der luxemburgische Spielfilm Io Sto Bene; alles Projekte, an denen das Unternehmen oder einige seiner Mitglieder beteiligt waren. „Die Studios sind derzeit besetzt. Wir werden sie danach besuchen“, erklärt uns Philippe. Er geht durch die Flure, betritt den ersten Stock. Unsere Augen sind auf die Plakate gerichtet, die sich aneinanderreihen. „Jetz habe ich keine Zeit mehr dafür, aber früher habe ich an Filmsets gearbeitet, um den Live-Sound aufzunehmen, also hauptsächlich die Dialoge zu vertonen.“ Zu den bekanntesten Filmen, an denen er mitgewirkt hat, gehören JCVD und Boule & Bill, der in den Kinos des Großherzogtums auf Luxemburgisch gelaufen ist - „gegen meinen Willen! (lacht)“. An diese Dreharbeiten hat er sehr gute Erinnerungen.
Im Obergeschoss erwartet uns eine Art Loft. Ein großer Familientisch, eine gesellige Küche und eine Sitzecke mit Vintage-Holzmöbeln füllen den Flur, der auf einen Balkon führt. Philippe lächelt: „Ich liebe es, mit Holz zu arbeiten. Die meisten Möbel habe ich selbst gebaut.“ Neben den allgegenwärtigen Filmplakaten gibt es auch eine Korktafel auf denen Polaroids, sowie die ein oder andere Kuriosität – darunter eine Zigarettenschachtel mit der Aufschrift „Zemmour - le fascisme tue“ (Zemmour - der Faschismus tötet) – hängen.
Von einem Nikolausgeschenk zu Filmsets
Die Kaffeemaschine brummt zu Ende und die Kaffees sind fertig. Philippe lädt uns ein, sie auf der Rooftop-Terrasse des Hauses zu trinken. „Setzt euch nicht auf die Mitte der Bank, sonst bricht sie zusammen – ich muss sie noch reparieren!“, lacht er. Er setzt die Sonnenbrille auf, die bisher auf seinem Kopf saß, und erklärt, wie er dazu gekommen ist, in dem noch sehr unbekannten Handwerk der Tontechnik zu arbeiten. „Ich wusste, dass diese Frage kommen würde!“
„Ich habe so eine Art Erinnerung daran, dass ich vom Nikolaus einen Elektronikbausatz bekommen habe, mit dem man viele Dinge bauen konnte, zum Beispiel eine Alarmanlage für sein Zimmer. Aber eine Sache im Inneren hat sich mir eingeprägt: ein kleiner Verstärker mit einem Mikrofon. Ich habe viel damit gespielt, das hat mir Spaß gemacht.“ Darüber hinaus habe Philippe in seiner Kindheit viel Musik gemacht. Da er auf vielfältige Weise mit Ton in Berührung kam, war die Wahl seines Studiums eine Selbstverständlichkeit.
„Ich habe sehr schnell entdeckt, dass es außer Musik noch ganz andere Dinge gibt, die man aufnehmen und abmischen kann: es gab auch den Ton für das Bild.“
Philippe Kohn
„Als ich mein Abitur abgeschlossen hatte, stellte sich die Frage, was ich studieren sollte, und die Antwort lautete Tontechnik.“ Daraufhin entschied er sich für das Institut des Arts de Diffusion (IAD), eine Filmhochschule in Leuven, Belgien. „Dort habe ich sehr schnell entdeckt, dass es außer Musik noch ganz andere Dinge gab, die man aufnehmen und mischen kann: Es gab auch den Ton für das Bild. Ich war damals kein Filmliebhaber, aber ich mochte Filme und habe in dieser Richtung weitergemacht.“
In der Schule hatte Philippe seinen Abschluss im Fachbereich Kunst gemacht. Sein Interesse an visueller Kunst mit seiner Leidenschaft für Tontechnik zu verschmelzen, erschien ihm daher logisch. „In der Tonbranche gibt es viele verschiedene Jobs“, erklärt er. „Ein Sound-Editor ist kein Sound-Mixer. Ich selbst hatte eine Leidenschaft dafür entwickelt, die Aufnahmen live, beim Set, zu machen.“ Sein Weg führte ihn dann in Richtung Tontechniker. „Wir haben im Rahmen unseres Studiums Praktika absolviert. Im letzten Jahr habe ich in Brüssel in einem Unternehmen gearbeitet, das mir die Augen geöffnet hat. Es war eine Offenbarung für mich, all diese Prozesse auf einer professionellen Ebene zu sehen, sie verfolgen zu können.“ Sein erstes Praktikum hingegen war bei den Dreharbeiten zu Shadow of a Vampire „mit Carlo Thoss, der zu dieser Zeit bereits Toningenieur war und jetzt auch Partner bei Philophon ist.“
Werdegang
Philippe Kohn erzählt, wie er auf die Tonregie für das Bild kam.
*auf Luxemburgisch
Nach seinem Bachelor-Abschluss arbeitete Philippe anfangs noch als Praktikant an Filmproduktionen. „Und dann wird man nach und nach zum Tonassistenten. Das ist derjenige, der mit dem Galgenmikrofon herumläuft. Man denkt, das sei ein blöder Job, aber man braucht viel Übung und Kenntnisse auf der Bildebene, damit man nicht im Weg steht und keine Schatten wirft.“ Bis ihm dann die erste Stelle als Tontechniker angeboten wurde: „Das war Andy Bauschs Club des Chômeurs.“
Was ihn an seiner Arbeit am meisten begeisterte, war, dass „man sich in jeder Situation etwas einfallen lassen muss, um einen guten Sound aufzunehmen. Das kann manchmal sehr schwierig sein (lacht), aber es ist eine Herausforderung.“ Vor allem, weil die Ausrüstung vor 20 Jahren nicht der heutigen entsprach, „auch wenn die Mikrofone, die heute verwendet werden, immer noch die sind, die in den 70er Jahren entwickelt wurden. Es hat sich einiges getan, aber das Prinzip hat sich nicht geändert.“
An den Schalthebeln von Philophon
Heute liegen die Zeiten, in denen Philippe mit seinem Galgenmikro durch die Filmsets streifte, weit hinter ihm. Mit der Gründung seines Unternehmens hat er das Filmset hinter sich gelassen, aber die Welt des Tons gefällt ihm immer noch. Als Philophon 2007 gegründet wurde, nahm er noch freiberufliche Projekte an, aber „irgendwann wurde das Unternehmen so groß, dass ich eine Entscheidung treffen musste. Ich konnte nicht mehr zwei Monate lang wegen eines Drehs verschwinden…“
Dass aus einer freiberuflichen Toningenieursarbeit ein richtiges Unternehmen entsteht „hat sich einfach so ergeben“. Als er 1999 anfing, „war die Filmindustrie in Luxemburg eine völlig andere. Ich versuchte, mich mit kleinen Produktionen über Wasser zu halten. Dann habe ich in ein Computersystem investiert und einige Projekte von Anfang bis zum Schluss übernommen. Dafür hatte ich damals sogar die Garage meiner Eltern isoliert, um von dort aus zu arbeiten.“ Ein erstes Studio entstand in seinem Haus, 2004 schloss er sich mit zwei Freunden zusammen, ein zweites Haus kam hinzu und schließlich ein weiteres Studio im Filmland in Kehlen. „Es ist mit der Zeit gewachsen“, fasst der Luxemburger zusammen.
„Es ist immer ein gutes Gefühl, wenn ein Film sehr erfolgreich ist.“
Philippe Kohn
Jetzt ist Philippe Kohn der Geschäftsführer von Philophon. Aber auch wenn er ein Unternehmen leitet, das mit Ton arbeitet, „rührt [er] den Ton tatsächlich nicht mehr viel an. Ich organisiere die Projekte“, die in unterschiedlicher Form bei ihm eingehen können. „Manchmal wird uns eine Sequenz aus einem bereits gedrehten Film geschickt und manchmal erhalten wir ein Drehbuch, bevor das Projekt überhaupt begonnen hat.“ Jeder Spielfilm hat seine eigenen Schwierigkeiten und Besonderheiten: „Meine Aufgabe ist es, die richtige Formel und das richtige Team zu finden, um den bestmöglichen Soundtrack für das Projekt zu liefern.“
Philippe ist stolz auf seine für große Preise nominierten Filme: Collective – „ein qualitativ hochwertiger rumänischer Dokumentarfilm, der zwei Oscarnominierungen und eine Reihe anderer Preise gewonnen hat“ – und Bad Luck Banging or Loony Porn „der in Berlin einen Goldenen Bären gewonnen hat“. Dieses Jahr ist „Corsage, ein Samsa-Film, in Cannes, ebenso wie Rebel und Le Petit Nicolas, die zwar vorgeführt werden, aber nicht für Titel nominiert sind. Es ist immer ein gutes Gefühl, wenn ein Film sehr erfolgreich ist.“
Im Schatten des Kinos
In gewisser Weise sind Unternehmen wie Philophon die Schattenhandwerker des Kinos. „Wenn ein Film gedreht wird, wird der Ton aufgenommen. Aber er muss noch sauber geschnitten und von Störgeräuschen gereinigt werden“, erklärt Philippe. „Das ist manchmal eine mikroskopische Arbeit. Man will den Dialog und die anderen Geräusche separat isolieren, um sie so sauber wie möglich zu haben, damit man sie später einzeln dosieren kann.“
Philophon
Philippe Kohn über das, was Philophon bietet.
*auf Luxemburgisch
Tontechniker*innen bei Dreharbeiten bereiten sich schon bei der Aufnahme bestens auf die Arbeit vor. „Wenn zum Beispiel jemand herumläuft, legen sie einen Teppich auf den Boden - natürlich nur, wenn der Teppich nicht im Bild zu sehen ist. Die Schritte werden dann später in die Geräuschkulisse, den Foley, eingefügt.“ Es ist auch wichtig, auf diese Art vorzugehen, damit man „eine Tonspur mit allen Geräuschen, außer den Dialogen“ hat, um den Film in anderen Sprachen synchronisieren zu können.
Philippe wirft einen Blick auf seine Uhr: „Die Studios sollten jetzt frei sein. Wollen wir uns dort mal umsehen?“ Er geht um die Küche herum und durch einen Flur mit verglasten Büros auf der linken und Studios auf der rechten Seite. „Das sind unsere Schnittstudios. Wir haben hier acht davon. Eine Person hinter einem Computerbildschirm, mit einer Projektionswand vor sich und einem Sprecher-System wie in einem Kino, mehr ist es nicht. Beim Tonschnitt werden die Sounds so eingefügt, dass sie mit dem Bild synchron sind.“ Cutter*innen müssen gründlich sein. „Zum Beispiel sitzt man draußen, neben uns ist eine Straße mit vorbeifahrenden Autos, man hört auch Vögel und vielleicht will man in der Ferne einen Hund hören. Nun, dieser Hund, das ist ein einzelnes Geräusch, das wir platzieren müssen.“ Das ist ein einfacher Fall. „Im Moment arbeiten wir an einem Film, der eine Menge Kriegsszenen beinhaltet, hier sprechen wir von 1.400 Tonspuren – das könnte bei uns ein Rekord werden!“
Wir gehen ins Erdgeschoss, Richtung Mixing Studios. „Insgesamt haben wir drei davon, zwei hier und das größte in Kehlen.“ Das Abmischen ist der Schritt nach dem Schneiden. „Wenn wir alles zusammengesetzt haben, mixen wir. Das bedeutet, dafür zu sorgen, dass alle Geräusche dosiert und im Raum verteilt werden.“ Danach wird die Musik hinzugefügt, die ebenfalls richtig dosiert werden muss. „Im Grunde genommen geht es darum, aus all den Klängen, die konstruiert wurden, einen fertigen Film zu machen, der funktioniert.“ Geräusche zu konstruieren ist die berühmte Kunst des Foley. „Nico, können wir uns mal ansehen, was ihr so macht?“ Im Studio ist viel los. „Es ist ein bisschen chaotisch“, scherzt Nicolas Fioraso, ein freiberuflicher Geräuschemacher. Man weiß nicht, wo man hinschauen soll. Fliesen, Parkett, Beton. Stan Smiths, ein halbes Auto und drei Türen. Offene oder geschlossene Vorhänge für einen mehr oder weniger anhaltenden Ton. Es ist faszinierend.
„Im Englischen nennt man Geräuschemacher ‘Foley Artists’, weil sie Künstler sind, die nicht nur ein Instrument spielen können, sondern gleich 10.000.“
Philippe Kohn
„Es gibt keine Regeln für Foley und vor allem keine Ausbildung“, sagt Philippe. „Im Englischen nennt man Geräuschemacher ‘Foley Artists’, weil sie Künstler sind, die nicht nur ein Instrument spielen können, sondern gleich 10.000.“ Nicolas nimmt einen Chicorée in die Hand und zerbricht ihn: „Das ist das Geheimnis für ein gutes, ekliges Geräusch von brechenden Knochen! (lacht).“ Um 15 Minuten Film mit Geräuschen zu übertönen, braucht er im Schnitt einen Tag … aber jetzt ist es Mittag und Nicolas hat sich seine Pause redlich verdient.
Eine vollwertige Arbeit
Nach der Besichtigung der drei Arten von Studios neigt sich auch unser Interview dem Ende zu. Philippe folgt Nicolas auf dem Weg zur Treppe. „Für mich ist es wichtig zu betonen, dass es sich um einen richtigen Job handelt. Nur weil man mit Computern arbeitet, heißt das nicht, dass es einfach ist. Man muss in diesem Bereich ein Studium absolvieren, weil es eine komplexe Materie ist. Es ist wie bei allen anderen Handwerksberufen. Wir haben über Holz gesprochen – ich arbeite gerne damit, aber ich bin kein Tischler.“ Übrigens ist die Chambre des métiers vor kurzem an Philophon herangetreten. „Vielleicht liegt es daran, dass wir eine etwas speziellere Arbeit darstellen, die weniger präsent ist“, denkt ihr Mitbegründer. „Es gibt zwangsläufig weniger Filmpostproduktionshäuser in Luxemburg als Bäcker, Maler oder Tischler. Ich denke, sie wollen zeigen, dass es noch andere Berufe gibt, und junge Menschen motivieren, diesen Job zu ergreifen.“
Ohne Expansionspläne im Kopf (im Moment), blickt er in die Zukunft mit dem Ziel, das Qualitätsniveau seines Unternehmens zu halten. „Es gibt immer Dinge, die man perfektionieren muss, aber im Moment ist alles in Ordnung. Ich möchte das, was wir haben, behalten. Wir haben ein großartiges Team mit einer tollen Atmosphäre.“ Oben ist der Tisch gedeckt und das gesamte Team teilt sich ein selbstgemachtes Essen in einer familiären Atmosphäre. Im Übrigen freut sich Philippe auf seine nächsten Kinobesuche. „Ich werde mir so viele ansehen, wie ich nur kann. Hier wie in Cannes versuche ich, so viel wie möglich zu sehen.“ Sein Traumprojekt ist auf jeden Fall klar: „Ein langer Urlaub! (lacht).“