Einkaufen, ein ganz normaler Teil unseres Alltags. Für ältere Menschen oder Personen mit spezifischen Bedürfnissen kann der Gang zum Supermarkt, Einkaufszentrum und Co. allerdings schnell zur Stresssituation werden. Dem sollen Plauderkassen und ruhige Stunden entgegenwirken.
"'Le commerce est un acte humain', hat Camille Gira mal gesagt. Ich kann dem nur zustimmen: Wenn man Lebensmittel verkauft, ist das keine Industrie, sondern eine Interaktion zweier Menschen, die beide Bedürfnisse haben." Mit einem Lächeln blickt Christiane Wickler auf die Klaatsch Caisse direkt hinter ihr, an der sich gleich mehrere Kund*innen tummeln. Von Hektik ist im Supermarkt des Pall Center Oberpallen keine Sicht. Im Gegenteil – und das ist auch gut so. Die spezielle Kasse ist da zum Plaudern, zum gemütlichen Ein- und Auspacken und dazu, sich einfach Zeit zu lassen, als Gegenpart zu automatisierten Self-Scan-Automaten und Bezahlen im Schnelldurchlauf.
Bereits 2019 kam der Geschäftsführerin des Pall Center die Idee, etwas zu verändern. "Wir haben oft ältere Kunden hier, denen der soziale Kontakt fehlt und die dann gerne mal etwas mit der Kassiererin quatschen. An regulären Kassen schnippen die Kunden hinter ihnen schon genervt mit den Fingern, da es ihnen nicht schnell genug geht. Wir wollten einfach diesem Bedürfnis nach mehr zwischenmenschlicher Interaktion nachkommen und durch das Schild der Klaatsch Caisse ist für jeden klar, dass es hier halt keinen Zeitdruck gibt", sagt Wickler.
Wie im Tante-Emma-Laden von früher
Das Konzept der langsamen Kassen stammt aus Holland, wo sogenannte "Kletskassa’s" schon seit mehreren Jahren angeboten werden. Auch in Frankreich ("bla bla caisses"), Deutschland und Japan hat man an Gemütlichkeit Gefallen gefunden, denn das Feeling des Tante-Emma-Laden von früher ist eine willkommene Abwechslung zum oftmals hektischen Alltag von heute. Vor allem Senior*innen – und davon hat Luxemburg insgesamt 136.374 (Stand 1. Oktober 2023) – profitieren häufig vom Ausgang zum Supermarkt, um ihre Sorgen mitzuteilen oder einfach nur übers Wetter zu plaudern, schließlich sind laut einer rezenten Statec-Erhebung 18,4 Prozent aller Über-60-Jährige verwitwet und 12,6 Prozent geschieden, verbringen also viel Zeit alleine.
"Die Corona-Zeit hat gezeigt, wie sehr wir Menschen den sozialen Kontakt zu anderen wirklich brauchen, deshalb erstaunt es auch kaum, dass die Klaatsch Caisse ein voller Erfolg ist", meint Wickler. Während der Pandemie wurden von Expert*innen vermehrt Sorgen zur sozialen Isolation und Einsamkeit vor allem junger und älterer Menschen geäußert, es entstanden Bürgerinitiativen wie das Schnëss-Telefon, um Alleinlebenden oder sich allein Fühlenden eine Anlaufstelle zu bieten, jemanden, der*die zuhört. Doch auch nach der globalen Sanitärkrise bleibt die Tatsache bestehen, dass unsere Welt immer digitaler und automatisierter wird. Menschlichkeit macht vielerorts Platz für Zeiteffizienz und Profit; Personen werden ersetzt durch Maschinen.
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