Novi Sad trägt dieses Jahr wie Esch den Titel Europäische Kulturhauptstadt. Die zweitgrößte Stadt in Serbien blickt auf ein reiches Erbe der alternativen Szene zurück. Diese sehen viele bedroht durch die Institutionalisierung der Kultur, zu deren Symbol die Kulturhauptstadt wurde. Bei viel Kaffee hat sich das Lëtzebuerger Journal vor Ort in der Szene umgehört.
Während die Abendsonne Spaziergänger*innen zu Popcorn auf der Donaupromenade verleitet, dreht unterhalb des Damms, auf dem Gelände des verlassenen Eisenwerks, nur noch ein kleiner alter Mann mit Mütze seine Runden. Der Wachmann plaudert mit den Jugendlichen, die sich hier zum Kiffen treffen, trabt über das saubere Pflaster, wirft ab und an einen Blick in die verwahrlosten Räume. Wo Türen waren, sind heute Durchgänge zu Schrotthaufen. In den ehemaligen Werkstätten liegen Bauschutt, Plastikrohre, feuchte Sofakissen, abgeschlagener Putz. Die Gemäuer verrotten, Wasser hat grüne Spuren und Schimmel an Wänden hinterlassen. Dazwischen stechen neue anthrazitfarbene Bänke und Laternen hervor, poliert, die Wege neu gepflastert. Die vorderen paar Hallen wurden modernisiert, sind weiß gestrichen und lassen kaum noch den Charakter des maroden Fabrikgeländes erahnen.
Jahrzehntelang, nachdem die Fabriken der Industriezone zwischen Donau und Liman-Park stillgelegt wurden, ließen sich hier Künstler*innen und Kreative nieder. Chinatown nannten sie das Viertel. Warum, kann heute kaum jemand mehr sagen. 11.000 Quadratmeter groß ist das Gelände, aus dessen Matsch einige Namen in internationale Kulturkreise emporstiegen. Nach dem Ersten Weltkrieg trieb das Gelände die Industrie von Serbiens zweitgrößter Stadt voran und mit ihr das Bevölkerungswachstum. In den 1980ern wurde das inzwischen verlassene Gelände zum Puls der serbischen Untergrund-Kulturszene. Vor einigen Jahren hat die Stadtverwaltung das Potenzial erkannt – Chinatown wird Teil der städtischen kulturellen Infrastruktur.
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