17 Millionen Betroffene – und kaum jemand kennt ME/CFS

Von Melody HansenLex Kleren

Plötzlich ist jeder Schritt ein Kraftakt: Miguel Vieira lebt mit ME/CFS, einer bisher unheilbaren Krankheit, die extreme Erschöpfung und Schmerzen verursacht – oft lange unerkannt. Seit Beginn der Covid-Pandemie trifft sie deutlich mehr Menschen. Forschende an der Universität Luxemburg untersuchen die Krankheit, um Ursachen zu verstehen und Betroffenen zu helfen – und geben Menschen wie Miguel Vieira Hoffnung.

Miguel Vieira ist ein lebensfroher Mann. Als er uns an einem sonnigen Tag die Tür zu seinem Zuhause öffnet, deutet kaum etwas darauf hin, dass er krank ist. Nur etwas fällt auf: Die Rollläden im Wohnzimmer sind heruntergelassen – und das am hellen Tag. Tageslicht ist ihm zu grell, es strengt ihn an, wird er uns später erzählen.

Sein Hund folgt Miguel Vieira auf Schritt und Tritt, lässt ihn während des Interviews kaum aus den Augen. "Er hat mich gerettet", sagt Vieira und schaut seinen Vierbeiner dankbar an. Denn selbst in den schwersten Phasen seiner Krankheit hat er sich überwunden, mit dem Hund rauszugehen. "Es gab mir eine Aufgabe, ein Tagesziel."

Bei Miguel Vieira wurde vor zwei Jahren ME/CFS diagnostiziert. Das steht für den komplizierten Namen "Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom". Er schiebt uns ein Post-it zu, auf dem das lange Wort geschrieben steht. "Das hat meine Frau für mich aufgeschrieben, falls ich es während des Interviews vergesse", erklärt er. Eines der Symptome der neuroimmunologischen Krankheit sind Konzentrationsschwierigkeiten. Damit er es schafft, sich auf das Interview zu konzentrieren, hat er sich extra vorher drei Tage ausgeruht, erzählt er uns.

Wenn man sich selbst nicht mehr vertrauen kann

Viele ME/CFS-Betroffene haben starke Schmerzen, Muskelkrämpfe und Herz-Kreislauf-Probleme, sie fühlen sich grippig und haben Schlafstörungen. "Es ist ein Schmerz, als hätte ich Sehnenentzündungen im ganzen Körper", beschreibt es Vieira. "Wenn ich etwas tue, kommt der Schmerz von einer auf die andere Sekunde. Dann erstarre ich und weiß nicht einmal mehr, was ich tue. Mir fehlen manchmal die Worte oder ich verdrehe sie." Ihm fällt es schwer, sich noch selbst zu vertrauen, denn manchmal schläft er einfach ein, ohne es zu bemerken. "Ich will nur kurz mein Handy holen und wache plötzlich um vier Uhr nachts auf der Couch auf." Auto zu fahren, traut er sich fast gar nicht mehr.

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