Zu dick, um Sport zu treiben

Von Laura TomassiniLex Kleren

Seit vergangenem Sommer wird in Luxemburg über eine spezifische Vorgehensweise des Médico sportif diskutiert. Immer wieder wird Sportler*innen nur eine temporäre Lizenz gewährt, mit der Begründung, sie seien adipös. Dabei gilt Sport eigentlich als Grundpfeiler eines gesunden Lebens.

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Über sechs Monate ist es her, dass eine Gruppe Sportler das Lëtzebuerger Journal kontaktierte, weil sie alle vom hiesigen Médico sportif bei der sportmedizinischen Untersuchung nur eine zeitlich befristete Verlängerung ihrer Wettkampflizenz erhielten. Der Grund: ein zu hoher BMI, kurz für Body-Mass-Index, also jener Wert, der Auskunft darüber gibt, ob ein Mensch normal-, unter- oder übergewichtig ist. Dass der Artikel erst jetzt, Monate später erscheint, liegt jedoch nicht an der Auskunftsscheu der betroffenen Sportler – im Gegenteil –, sondern daran, dass sich hierzulande kein*e Sportmediziner*in finden ließ, der*die das Thema aus medizinischer Sicht kommentieren wollte.

Doch zurück zum Anfang. Im Juli veröffentlicht José Sanchez ein Video bei Facebook, das nach nur kurzer Zeit von zahlreichen anderen Nutzer*innen des sozialen Netzwerks kommentiert wird. Der Hintergrund: nach ein paar Monaten der sportlichen Inaktivität will der langjährige Sportler zurück aufs Spielfeld, dies bei den Dudelange Steelers, der American Football Mannschaft aus Düdelingen. José ist 47, geht jeden Tag ins Fitnessstudio und hat einen Bauch, wie so viele Luxemburger seiner Altersklasse. Im Médico war er schon häufig, schließlich hat José sein Leben lang Wettkampfsport betrieben. Diesmal verläuft der Gang zum Kontrollarzt jedoch anders als sonst. "Ich bin mit einem breiten Grinsen reingegangen und rausgekommen mit dem Gefühl, ernsthaft krank zu sein", sagt der 47-Jährige.

Ein Schock für Sporttreibende

Zwei Zettel werden José mitgegeben: einer für einen Leistungstest beim Kardiologen, und einer betreffend sein Übergewicht, mit Überweisung an seinen Hausarzt sowie die Clinique de l’Obésité (Adipositas-, oder Fettleibigkeits-Klinik). "Ich wiege 105 Kilo und bin 1,75 Meter groß, dementsprechend habe ich einen BMI von 34. Ich bin aber nicht nur dick, sondern besitze auch Muskeln und habe sehr breite Schultern. Mein Gewicht ist ideal für meine Position im American Football und ich fühle mich kerngesund", sagt José. Um seine Lizenz, die am 31. Dezember 2022 ausgelaufen ist, jedoch erneuern zu lassen, werden ihm vier weitere ärztliche Rezepte in die Hand gedrückt – eines für eine*n Ernährungsberater*in, eins für eine*n Sportmediziner*in, eins für eine*n Lungenspezialist*in sowie eines für eine*n Psychiater*in, um eine etwaige Essstörung festzustellen.

Zudem wird dem Sporttreibenden angeraten, sich Gedanken über eine bariatrische Operation zu machen, also eine Verkleinerung oder Veränderung des Verdauungstraktes, um Gewicht zu reduzieren. "Ich will Sport treiben und mir wird gesagt, ich solle mir den Magen verkleinern lassen. Das ist doch ein Witz! Online kann man nachlesen, dass zu einem solchen Eingriff erst ab einem BMI von 40 geraten wird, nicht ab 34", sagt José empört. Seine Lizenz wird dennoch nur bis zum 30. September 2023 provisorisch verlängert, der Sportler braucht ein Attest eines*r Sportmediziners*in. Dieser schreibt ihm im Oktober ein Gutachten: José ist "fat and fit", also dick, aber in Form – sein Médico wird für ein Jahr anstelle der üblichen zwei bis drei verlängert.

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