Wenn für Kohle die Menschheit weicht

Von Yannick Gaasch

Es geht um viel Kohle für den Energiekonzern RWE. Und viel Braunkohle, die noch unter dem kleinen Dorf Lützerath liegt. Am vergangenen Samstag versammelten sich Zehntausende Menschen vor Ort um gegen ein weiteres Abbaggern zu demonstrieren. Das Lëtzebuerger Journal war vor Ort.

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Samstag, 14. Januar, 10 Uhr 30, Köln Hauptbahnhof. Der Bahnsteig ist voll. Menschen mit selbstgemachten Schildern und Rucksäcken warten auf den nächsten Zug nach Hochneukirch. Unweit von dort beginnt um 12 Uhr die Demo gegen den Abriss des kleinen Dorfes Lützerath. Am Gleis fällt eine Gruppe Rentner*innen auf. Sie haben Cut-Outs der Erde in Form eines Herzens mit der Aufschrift „Omas for Future“. Der vorletzte Zug fährt ein, um noch rechtzeitig anzukommen, doch plötzlich müssen alle raus – „Fehler, technische Störung“, heißt es. Die Menge lässt sich nicht unterkriegen, das Ziel ist die Demo, und so fangen die ersten Parolen an: „Lützi bleibt! Lützi bleibt!“ Der nächste Zug fährt ein und somit der nächste Rückschlag: es ist ein Kurzzug. Auf die ersichtliche Enttäuschung folgt eine Durchsage der Bahn: „Der Bund hat den Zug so bestellt für das Wochenende“ und „Die Veranstalter der Demonstration haben es versäumt, Sonderzüge zu beantragen“. Aus der Menge hört man wiederholt Leute hinterfragen, ob das ein bloßer Zufall sei. Letztlich kommt der nächste Zug und ein Großteil der Demonstrant*innen kann endlich los, die Menge klatscht.

Ankunft in Hochneukirch, die Leuteziehen sich Regenjacken, wasserdichte Hosen und Ponchos an, manche packen ihre Regenschirme aus, Flaggen werden gehisst, Parolen geschrien: „Keep it in the ground! Keep it in the ground!“ Vom kleinen Bahnsteig geht es rüber in eine Ölpfütze – ein Shuttlebus ist ausgelaufen. Während die Feuerwehr die Straße absperrt, teilt ein junger Mann per Megaphon mit, dass man wenn möglich laufen solle. Es sind 40 bis 60 Minuten Fußweg im Regen, doch die Menge ist fest entschlossen und die Stimmung gut.

Ein kleines Dorf von großer Bedeutung

In Lützerath wohnten vor Beginn der Räumung nur knapp über 70 Leute. Doch liegt das Dorf unmittelbar am Tagebau Garzweiler, Teil des rheinischen Braunkohlereviers, dem größten seiner Art in Europa. Dieses ist heute vollständig im Besitz vom Energiekonzern RWE. Unter dem Dorf Lützerath befinden sich weitere 230 Millionen Tonnen Braunkohle und deswegen soll der Ort nun weichen. In den letzten Jahrzehnten wurden mehr als 13 weitere Dörfer allein wegen dem Tagebau Garzweiler abgerissen. Die hier gewonnene Braunkohle geht fast ausschließlich an das nahegelegene Braunkohlekraftwerk Neurath, welches, Stand 2019, nach dem polnischen Kraftwerk Bełchatów der zweitgrößte CO2-Emittent in ganz Europa ist.

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