Wenn die Qualität auf der Strecke bleibt

Von Sarah RaparoliLex KlerenMisch Pautsch

Ein Blick in die wöchentlichen Stellenanzeigen reicht aus, um den hohen Bedarf an Erzieher*innen zu erkennen. Doch wie kann es sein, dass scheinbar so viele diesen Berufsweg wählen und es doch noch immer nicht ausreicht, um die Nachfrage zu decken? Auf der Suche nach Antworten.

„Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf. Dieses Sprichwort hat vor vielen Jahren gepasst. Die Erziehung des Kindes war damals auf mehreren Schultern verteilt. Diese Schultern sind mittlerweile stark reduziert, besonders bei Alleinerziehenden.“ Yves Kails, Erzieher und Sekretär der Erzieher*innengewerkschaft ALEE zeigt sich frustriert. Er könne selbst bezeugen, was er und seine Kolleg*innen jeden Tag leisten würden. „Der Lebensstil hat sich verändert. Viele bringen ihre Kinder morgens in die Betreuungsstrukturen und können sie erst spät abends wieder abholen.“ Dieses Privileg, sich auf mehrere Schultern verlassen zu können, habe nicht jede*r. Die gesamtgesellschaftliche Entwicklung und die damit einhergehenden politischen Entscheidungen, sind Gründe, weshalb so viele Posten für Erzieher*innen ausgeschrieben werden.

„Neben der gesellschaftlichen Ursache kam in den 2000ern der politische Grund hinzu“, ergänzt der Vizepräsident der ALEE, Manuel Da Costa. „Der große Wechsel kam mit dem ‚Chèque-Service [Accueil]‘ (Gutscheinen für außerschulische Kinderbetreuung, d. Red.). Mit dieser finanziellen Unterstützung haben plötzlich jene Eltern ihre Kinder in der Maison Relais (Schüler*innenhorte, d. Red.) – damals waren das Kantinen – abgegeben, welche nicht darauf angewiesen waren. Und stellte man plötzlich fest: ‚Wir brauchen mehr Erzieher, wenn die Zahl der Kinder stetig weiter steigt.‘“

Massive Nachfrage

Die Suche nach mehr Personal hat sich die letzten Jahre nicht nur bestätigt, sondern erheblich verstärkt. Manual Da Costa gibt ein Beispiel: „Ich habe im Raum Roeser/Krauthem in einer Maison Relais gearbeitet. Wir sind in einem Jahr von 80 bis 100 auf 150 bis 160 Kinder gestiegen … Mittlerweile sind es 300 Kinder. Das hat nichts mehr mit Qualität oder der Arbeit des Erziehers zu tun.“ Der Erzieher nimmt kein Blatt vor den Mund. „Du weißt kaum, ob die Kinder gegessen haben.“ Die rezente Ankündigung, dass die Betreuung in den Schülerhorten gratis und eine Hausaufgabenhilfe eingeführt werden (auch wenn letzteres, wie beide Erzieher während des Gespräches betonen, bereits der Fall war), hätten das Ganze verschärft.

Die massive Nachfrage würde sich zudem in Zahlen des sogenannten PraxisBüro der sozialen Arbeit niederschlagen, erklärt Yves Kails. „In sechs Jahren hat sich die Zahl der ausgeschriebenen Stellenangebote verdoppelt.“ 2021 wurden 1.904 Posten gezählt, 2014 waren es 946. Die Ausschreibungen werden laut PraxisBüro wöchentlich dokumentiert. So heißt es: „Wie in den Jahren zuvor sind die Niveaus Fachausbildung/Éducateur diplômé und Bachelor am häufigsten gefragt und machen fast drei Viertel aller Stellenangebote aus.“ Insgesamt sind es 72,6 Prozent (Seite vier der Analyse)

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