
Senior*innen fühlen sich oft von einem aktiven Liebesleben ausgeschlossen. Das Leben im Alters- und Pflegeheim ist stattdessen von Einsamkeit und mangelnder Zärtlichkeit geprägt. Warum es an der Zeit ist, über Sexualität und Zuneigung im Alter offen zu sprechen und welche psychischen Auswirkungen das Schweigen hat.
"Man könnte meinen, ich sei prüde gewesen, aber ich hatte vor allem Angst – Angst davor, was passieren würde." Josée Juncker ist 84 Jahre alt und lebt im Pflegeheim Elysis in Esch. Als wir anfangen, über Sexualität zu sprechen ist sie zuerst unsicher. "Ich glaube nicht, dass ich die Richtige für dieses Interview bin", meint sie. Doch es dauert nicht lange und sie öffnet sich. "Ich hatte sehr liebevolle Eltern, aber über Sexualität zu sprechen, das war verboten. Darüber wurde nicht geredet. Als ich geheiratet habe, war ich Jungfrau."
Wie ihr geht es vielen Menschen, vor allem Frauen, die in der Nachkriegszeit aufgewachsen sind – und "das hat einen maßgeblichen Einfluss darauf, wie sie heute mit dem Thema Nähe und Zärtlichkeit umgehen", sagt Anne-Marie Antoine. Sie ist Psychologin und Sexologin beim Planning Familial und hält regelmäßig Fortbildungen und Konferenzen zum Thema Sexualität im Alter, sowohl für Pflegende als auch für Senior*innen. Das Tabu kann für queeren Senior*innen noch größer sein. Sie haben gegebenenfalls noch mehr Schwierigkeiten, ihre Sexualität auszuleben. "Sie trauen sich nicht, von ihrer Vergangenheit zu erzählen, aus Angst von den anderen – egal ob Pflegende oder Senioren – verurteilt zu werden", so Antoine.
Eine abgeschlossene Sache
"Viele ältere Menschen, sowohl Männer als auch Frauen, erleben es, als seien sie außerhalb dieser Sphäre. Als hätten sie kein Recht mehr auf eine eigene Sexualität. Sie schließen sich selbst aus diesem Bereich des Lebens aus und ziehen sich immer mehr zurück", sagt Antoine. Dabei gehe es nicht nur um Sex an sich, sondern vor allem auch um Zuneigung, Kommunikation und Beziehung. "Sich diesbezüglich komplett zu isolieren ist schädlich für die Gesundheit – die physische und die psychische."
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